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Liegnitzplatz Ohne Heizung: Bewohner fühlen sich im Stich gelassen

Mieter am Liegnitzplatz leiden unter Kälte und Mängeln. Sie fühlen sich von der Immobilienverwaltung im Stich gelassen. Wird sich die Situation verbessern?
25.01.2025, 05:00 Uhr
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Von Ragna Herzog

Gülüfer Kilic sitzt auf ihrem Sofa und weint. Die 76-Jährige wirkt verzweifelt, ihr Knie ist so entzündet, dass sie kaum Laufen und die Wohnung verlassen kann. Und dann ist da diese Kälte. Ihre Wohnung ist seit fast zwei Wochen eiskalt. Sie ist eine von mehreren Bewohnern, die im Wohngebäude am Liegnitzplatz in Gröpelingen in ihrer Wohnung friert. Eine hochschwangere Frau mit drei kranken Kleinkindern ist bereits vom Amt für soziale Dienste aufgrund der Kälte in einem Hotel einquartiert worden. Der Grund für die Kälte in den Wohnungen: Die Hausverwaltung hat kein Heizöl bestellt.

Der Heizöltank ist leer

"Ich wohne seit 15 Jahren hier", sagt Tim Dreher (34). "Und das ist jetzt bestimmt das sechste Mal, dass die Heizung nicht funktioniert, weil der Heizöltank leer ist." Das sei aber nicht der einzige Mangel der Wohnanlage, sagt er. "Mein Balkon ist nicht mehr begehbar, weil der Unterboden von Regenwasser zerstört ist", sagt der 34-Jährige. Fenster seien undicht und überall in der Wohnung wäre Schimmel.

Von derartigen Mängeln berichten auch Ilhan Kurnaz (25) und Ibrahim Mohammed (43), die im gleichen Wohnblock wohnen. "Ich wohne schon mein ganzes Leben hier", sagt Kurnaz. "Die Zustände und auch die Heizungsausfälle sind für mich und meine Familie nichts Neues." Nach Rücksprache mit dem Hausmeister sei allen Bewohnern mehrfach mitgeteilt worden, dass der Heizöl-Laster bestellt sei. "Die Bezahlung sei aber noch irgendwie unklar", sagt Kurnaz.

Wohnungen wegen Kälte kaum bewohnbar

Verwaltet wird das Wohnobjekt seit etwa zwei Jahren von der Firma MVGM mit Hauptsitz in Frankfurt. Das Unternehmen verwaltet Immobilien in acht europäischen Ländern. "Sie können E-Mails schreiben oder anrufen, so oft sie wollen", sagt Tim Dreher. "Aber Sie werden dort niemanden erreichen und auch keine Antwort erhalten." Es sei mittlerweile die siebte Hausverwaltung, die sich in den letzten 15 Jahren um das Gebäude kümmere.

Mohammed Ibrahim lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern seit 2021 im Haus. "Wir haben einen Heizlüfter", sagt der 43-Jährige. "Aber der reicht nur für ein Zimmer. Der Rest der Wohnung ist wegen der Kälte unbewohnbar." Deswegen, sagt Ibrahim, würden sie nun mit ihren Kindern ein Bett teilen und nur das Schlafzimmer bewohnen. "Anders geht es nicht", so der Familienvater. "Der Zustand der Wohnung ist katastrophal. Vor Kurzem ist ein ganzes Fenster in den Innenraum des Kinderzimmers gefallen." Die Kälte sei also nicht das einzige Problem.

Notunterbringung für Mutter und kranke Kinder in Hotel

Margarete Cobbinah wohnt wie Mohammed Ibrahim im mittleren Eingang. Sie ist hochschwanger und hat drei kleine Kinder, die nach einer Woche ohne Heizung alle erkältet gewesen seien, berichtet sie. "Wir haben alle nur noch gezittert und konnten vor Kälte nicht mehr schlafen", so die 33-Jährige. In ihrer Not wendete sie sich an einen Nachbarn. "Frau Cobbinah wirkte sehr erschöpft", sagt Heiko Grein, der in einem Haus neben dem Wohnblock wohnt. "Wir haben ihr dann drei Heizlüfter gekauft, merkten aber in der Wohnung, dass die Lage mit den kranken Kindern ernst war."

Grein informierte daraufhin am Montagabend dieser Woche den Kinder- und Jugendnotdienst. "Und die haben schnell reagiert", so Grein. Bereits am nächsten Tag seien Mitarbeiter vom Amt für soziale Dienste West vor Ort gewesen und hätten Margarete Cobbinah und ihre Kinder in einem Hotelzimmer untergebracht. "Wir versuchen, in solchen Notfällen schnell zu helfen", sagt Nina Willborn, Sprecherin der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration.

"Das ist eine erste Hilfe", sagt die Mutter. "Aber die Zustände in meiner Wohnung sind auch sonst sehr schlecht." Sie berichtet von Schimmel in der ganzen Wohnung und Regenwasser, das im Kinderzimmer von den Wänden laufe.

Hohe Nebenkostenabrechnungen

"Trotz der ganzen Mängel und auch der Heizungsausfälle bekommen wir unglaublich hohe Nebenkostenabrechnungen", sagt Ibrahim Mohammed, "um die 3000 Euro sollten wir jedes Jahr nachzahlen." Er zeigt ein Urteil vom Amtsgericht Bremen aus dem letzten Jahr. "Im letzten Jahr ging ich dann vor Gericht und plötzlich sollte ich nur 1000 anstelle von 3400 Euro bezahlen." Auch Tim Dreher spricht von hohen Nachzahlungen. "Und das, obwohl die Heizung so oft ausfällt", sagt er.

Knapp die Hälfte der Wohnungen steht leer

"Ich muss es ertragen", sagt die 76-jährige Gülüfer Kilic, "ich kann nicht woanders hin." Um sich etwas zu wärmen, fülle sie heißes Wasser in eine Wärmflasche. "Viele Mieter sind schon gegangen", sagt sie.

Tim Dreher, der zwei Hauseingänge weiter wohnt, weiß, wovon seine Nachbarin spricht: "Es ist nur knapp die Hälfte der Wohnungen vermietet", so der 34-Jährige. "Und es kommen auch keine neuen Mieter rein." Er selbst lebe ganz alleine im Haus mit acht Wohneinheiten. "Manchmal haben wir echt das Gefühl, dass die Immobilienverwalter uns loswerden wollen."

Cornelia Wiedemeyer, Leiterin vom Ortsamt West, sagt, dass ihr der Leerstand erst seit zwei Wochen bekannt sei. "Die zuständige Behörde wird sich nun darum kümmern, da Wohnraum laut Wohnraumschutzgesetz nicht länger als sechs Monate leer stehen darf. Bis jetzt wissen wir aber noch nicht, wer der Eigentümer der Immobilie ist."

Am Freitagnachmittag meldet sich Heiko Grein und erklärte: "Bis jetzt ist kein Heizöl geliefert worden", sagt er. Die Immobilienverwaltung MVGM äußerte sich auf Anfrage des WESER-KURIER nicht zu der Situation.

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