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Kolumne 0421 Corona-Erinnerungen im Vor-Merz: Man kann ja mal irren

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: Wahlkampf, Netto, Corona-Jubiläum.
01.02.2025, 05:00 Uhr
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Corona-Erinnerungen im Vor-Merz: Man kann ja mal irren
Von Oliver Matiszick

Vor der Erinnerung gibt es kein Entrinnen. In dieser Woche, die an einem 27. Januar mit dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus startete, schon mal gar nicht. Doch die Vergangenheit, auch die mit weniger dunklen Kapiteln, holt einen ohnehin ständig ein. Und das an jeder Ecke. Zum Beispiel auf dem Parkplatz eines Supermarkts im 0421-Land.

Der liegt in meiner direkten Nachbarschaft, und dort erinnern mich großflächige Plakate nicht nur daran, dass bald Wahl ist. Sondern auch daran, dass Olaf Scholz und Christian Lindner mal Kumpel waren. Was den Bruch ihrer Männerfreundschaft offenbar überdauert hat, ist die Vorliebe für das Netto. Mehr davon verspricht der Noch-Kanzler mit Sicherheit, der gewesene Finanzminister auf der Stellwand daneben will es rauf haben. Und vor beiden pappkameradigen Streithähnen steht ein vergnügter Kolumnist. Weil im Hintergrund das spätwinterliche Dämmerlicht von der Leuchtreklame eines Discounters erhellt wird, der sich ebenfalls nach dem benannt hat, was am Ende übrig bleibt. Netto hier, Netto da, Netto überall. Willy Brandt hätte womöglich seine Freude an diesem optischen Gesamtkunstwerk gehabt: Bei mir nebenan wächst zusammen, was zusammengehört!

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Auf den paar Schritten über den Parkplatz zwischen der Dreieinigkeit von Scholz, Lindner und Nahversorger traf mich der nächste Booster in Sachen Erinnerung. Weil dort ein Wohnmobil abgestellt war. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, doch der Camper parkte genau dort, wo vor gar nicht allzu langer Zeit ein findiger junger Mann aus der Nachbarschaft mit einem solchen Gefährt als Basisstation seine Corona-Teststation betrieb. Für die hatte ich sogar eine Stammkundenkarte – auf dass ich nicht jedes Mal, wenn mir mit einem Wattestäbchen in der Nase gebohrt worden war, beim unweigerlich folgenden Niesanfall auch noch ein Formular ausfüllen musste. Welch unvergessene Erinnerungen an die Coronazeit!

Dass deren Beginn sich diese Woche schon zum fünften Mal jährt, zeigt mir, während Sie dies hier lesen, der Blick auf einen Wasserturm. Bei dem handelt es sich allerdings nicht um die Umgedrehte Kommode auf dem Stadtwerder, sondern um den eines Ortes, an dem ich traditionell für Jahr die kurzen Zeugnisferien verbringe. Als wir dort am letzten Januarfreitag 2020 am Esstisch der Ferienwohnung saßen, malte ich mir mit der Person meines Herzens aus, wie sich das mit diesem rätselhaften Virus wohl entwickeln würde. Von dem hatte es ein paar Wochen zuvor bei der Erstmeldung in der Tagesschau noch geheißen, es sei nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Nun aber machte der erste Fall in Deutschland Schlagzeilen; bis zur Ankunft im 0421-Land sollte es noch vier Wochen dauern. Meine Überzeugung jenes Abends, dass das alles schon nicht so wild werden würde: im Rückblick ein Witz.

Aber man kann ja mal irren. Denn auch das hat mir diese Woche mit der Abstimmung im Bundestag gezeigt: Im Vor-Merz des Jahres 2025 ist offenbar alles möglich, abseits aller Erinnerungen.

Tagebucheintrag: Meine Stammkundenkarte für die Corona-Teststation habe ich gerade entsorgt. Eine verzichtbare Erinnerung.

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