Mehr als 22,5 Millionen Euro hat das Land Bremen binnen neun Jahren durch die bundesweit erhobene Steuer auf Sportwetten eingenommen. Allein im vergangenen Jahr flossen 4,4 Millionen Euro in die Kassen des Bremer Fiskus – der bislang höchste Betrag seit Einführung der Sportwettensteuer im Juli 2012. Hinzu kommen seit 2017 knapp zwei Millionen Euro durch die kommunale Wettbürosteuer. Anders als die Spielbankabgaben kommen Einnahmen aus diesen beiden Steuerquellen keinem gemeinnützigen Zweck zu. Laut Finanzressort fließen die Sportwetten- und Wettbürosteuern in den allgemeinen Staatshaushalt.
Die Sportwettensteuer ist Teil des Rennwett- und Lotteriegesetzes. Wird irgendwo in Deutschland eine Sportwette abgeschlossen, gehen fünf Prozent des Spieleinsatzes an den Fiskus. Am Steueraufkommen sind die Länder mit gesetzlich fixierten Prozentsätzen beteiligt. Der Bremer Anteil ist seit Einführung der Steuer mehr oder weniger kontinuierlich gestiegen. Im Laufe von fünf Jahren hat er sich mehr als verdoppelt: von 2,1 Millionen Euro (2015) auf 4,4 Millionen Euro (2020). Auch bundesweit boomt das Geschäft mit Sportwetten. "Die Sportwette ist in Deutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen", jubelt der Deutsche Sportwettenverband (DSWV).
60 Euro im Monat pro Bildschirm
In naturgemäß anderen Dimensionen bewegt sich die kommunale Wettbürosteuer, die sich in Bremen nach der Anzahl der Bildschirme bemisst – für jeden Bildschirm werden monatlich 60 Euro fällig. Im ersten vollen Jahr der Steuererhebung 2018 kamen 642.000 Euro zusammen, 2019 waren es 634.000 – ein Minus von 8000 Euro. Nochmals niedriger fielen die Einnahmen 2020 aus. Weil die Wettbüros pandemiebedingt schließen mussten, schrumpfte das Steueraufkommen laut Finanzressort auf 441.000 Euro.
Dass Bremen von beiden Steuern im Bereich der Sportwetten profitiert, Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) aber parallel ein Werbeverbot für Sportwetten fordert, sieht die Behörde nicht als Widerspruch. "Es gibt auch andere problematische Produkte und Dienstleistungen, bezüglich derer man Steuern einnimmt", sagt Karen Stroink vom Innenressort. Als Beispiele nennt sie Alkohol, Tabak, Prostitution und Waffen. "Eine Besteuerung dieser Produkte und Angebote erachten wir als konsequent."
Kritisch sieht der Bund der Steuerzahler die Wettbürosteuer. Der Vorwurf: Es gehe nur darum, Kasse zu machen. Die Lenkungswirkung der Wettbürosteuer sei "sehr begrenzt", so Jan Vermöhlen, Haushaltsreferent der Region Niedersachsen und Bremen. Die Kommunen müssten stattdessen verstärkt auf ordnungspolitische Instrumente setzen, sprich: schärfere Regeln vorgeben.
Auch rechtlich ist die Wettbürosteuer umstritten. Die Wettlobby hält sie für verfassungswidrig. Zumindest soweit die Brutto-Wetteinsätze als Grundlage der Besteuerung dienen – wie in Hannover, die Stadt kassiert zwei Prozent des Wetteinsatzes. Dadurch werde das Gleichartigkeitsverbot verletzt, heißt es in einem im Auftrag des DSWV erstellten Rechtsgutachten. Die Sportwettsteuer und die Wettbürosteuer schöpften aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und seien auch in anderer Hinsicht gleichartig.
Verschärfungen im Gesetz
Das braucht Bremen im Prinzip nicht zu interessieren, weil nicht der Wetteinsatz, sondern die Zahl der Bildschirme besteuert wird. Allerdings klagte ein Wettanbieter gegen diese Berechnungsmethode – und fand Unterstützung beim Finanzgericht Bremen, das zur endgültigen Klärung der Streitfrage im Sommer 2019 das Bundesverfassungsgericht einschaltete. Laut Torsten Lohmann, Sprecher des Finanzgerichts, wurde die Klage aber wieder zurückgenommen und das Verfahren im September zu den Akten gelegt.
Die Bekämpfung der Spielsucht ist in Bremen seit Jahren ein Thema. Im Gesetzesantrag zur Einführung der Wettbürosteuer erklärten SPD und Grüne 2017, die Regulierung des ausufernden Markts sei "ökonomisch erforderlich". Denn: Insbesondere Live-Wetten seien ähnlich suchtgefährdend wie Geldspielautomaten. Flankiert wurde die Wettbürosteuer ab Anfang 2020 durch Verschärfungen des Bremischen Glücksspielgesetzes.
Seither ist die Zahl der Wettbüros konstant zurückgegangen. Gab es Ende 2019 noch 46 Wettbüros, so waren es im Februar 2021 nur noch 35. Aktuell sind laut Innenressort 27 Wettbüros in der Stadt am Start. "Die Lage ist aber dynamisch", sagt Stroink. Insbesondere bei Missachtung der Mindestabstände zu Schulen und anderen Wettbüros würden Anträge konsequent abgelehnt oder Untersagungen ausgesprochen.
Es bleibt fraglich, ob der Rückgang der Wettbüros mit der restriktiven Gesetzgebung zusammenhängt. Das Geschäft mit den Sportwetten verlagere sich immer stärker ins Digitale, gibt Vermöhlen vom Bund der Steuerzahler zu bedenken. "Dafür braucht man keine Wettbüros." Dennoch: "Bauleitplanungen für Wettbüros zu erlassen, halten wir für wirkungsvoller als die Wettbürosteuer."