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Kündigung steht im Raum Bremen könnte ab 2023 Straßen wieder selbst reinigen

Wie geht es weiter mit der Bremer Straßenreinigung? 2023 könnte sich Bremen vom bisherigen privatwirtschaftlichen Partner Nehlsen trennen. Eine politische Entscheidung soll in Kürze getroffen werden.
23.01.2020, 21:56 Uhr
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Bremen könnte ab 2023 Straßen wieder selbst reinigen
Von Jürgen Theiner

Zwei Jahre nach der Reform der Bremer Abfallwirtschaft muss sich die Politik erneut mit dem Thema befassen. Diesmal geht es um die Frage, ob die Kommune die Straßenreinigung komplett in den öffentlichen Dienst zurückholt oder die bisherige Partnerschaft mit einem privaten Betreiber erhalten bleibt – zumindest bis 2028. Die Sache drängt zur Entscheidung, für kommende Woche ist ein Spitzengespräch der rot-grün-roten Bündnispartner bei Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) geplant.

Zum 1. Januar 2018 war die Organisation der Abfallwirtschaft umgekrempelt worden. Das Stichwort lautete Teil-Rekommunalisierung. Die Verträge der Stadt mit dem privaten Entsorger Nehlsen liefen aus, und die damalige rot-grüne Regierung entschied sich auf Betreiben der SPD für eine ganz neue Struktur. Unter dem Dach einer Anstalt öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung „Die Bremer Stadtreinigung“ entstanden zwei Betriebsgesellschaften für Müllabfuhr und Straßenreinigung, jeweils mit einem privaten Mehrheitsgesellschafter (Nehlsen) und einem städtischen Minderheitsanteil. Diese Konstruktion gilt erst einmal bis 2028. Für die Straßenreinigung hat Bremen aber ein Sonderkündigungsrecht im Jahr 2023. Ist zwar noch drei Jahre hin, aber falls die Politik von dieser Ausstiegsklausel tatsächlich Gebrauch machen will, muss sie jetzt die Weichen stellen.

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Das hat ganz handfeste Gründe. Die Stadtreinigung ist derzeit auf einem Gelände an der Juiststraße ganz in der Nähe des Nordwestknotens angesiedelt. Das Areal wurde der Firma Nehlsen 1998 von der Stadt übertragen, und Bremen hat keine rechtliche Handhabe, es von dem Unternehmen zurückzuverlangen. Also müsste man sich nach alternativen Standorten umsehen. Das ist auch bereits geschehen. Als mögliche Ersatzstandorte gelten die Recyclingstationen in Kirchhuchting und an der Achterstraße in Horn. Auf diese beiden Grundstücke würden die bisherigen Kapazitäten an der Juiststraße verteilt.

Der Haken: Für die Herrichtung der Areale müssten erhebliche Mittel aufgewendet werden. Die Rede ist von einem Gesamtbetrag knapp unter 30 Millionen Euro. Eine Trennung vom Partner Nehlsen im Jahr 2023 und die Wiedereingliederung der Straßenreinigung in den öffentlichen Dienst würden erst einmal eine ordentliche Stange Geld kosten. Im Laufe der Jahre ließe sich diese Investition wieder hereinholen, denn Bremen würde pro Jahr knapp drei Millionen Euro Umsatzsteuer sparen.

Vollständige Rekommunalisierung prüfen

Das ist die Ausgangslage für die jetzt anstehende politische Entscheidung. Bei der Regierungsbildung hatten sich SPD, Grüne und Linke im Sommer 2019 darauf verständigt, die vollständige Rekommunalisierung der Straßenreinigung zu prüfen. Als Kriterien sind im Koalitionsvertrag vier Punkte genannt: Wirtschaftlichkeit, ökologische Aspekte, Verbesserung der Stadtsauberkeit und „gute Arbeit“, also die Beschäftigungsbedingungen der rund 150 Straßenkehrer, die derzeit noch bei der Nehlsen-Tochter ENO beschäftigt sind und gegebenenfalls in den öffentlichen Dienst übernommen würden.

Eigentlich wollten die Koalitionspartner bereits Ende 2019 zu einem Ergebnis gekommen sein. Man hinkt dem Zeitplan also schon ein wenig hinterher. Das liegt auch daran, dass es sich bei der möglichen Rückholung der Straßenkehrer in den öffentlichen Dienst nicht um irgendein Nebenthema handelt, das die Fachpolitiker der Koalition unter sich ausmachen könnten. Vielmehr stoßen hier sehr unterschiedliche ordnungspolitische Vorstellungen aufeinander.

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Die Linken und in etwas abgeschwächter Form auch die SPD befürworten die vollständige Rekommunalisierung, weil sie dem Prinzip folgt, dass die Grundversorgung mit öffentlichen Dienstleistungen möglichst vom Staat und nicht von kommerziellen Anbietern erbracht werden soll. „Wir fanden es immer schon falsch, diesen Bereich an die Privatwirtschaft abzutreten“, sagt beispielsweise der Linken-Landesvorsitzende Christoph Spehr. Er habe deshalb „eine große Sympathie dafür, die Rekommunalisierung der Straßenreinigung möglichst früh möglich zu machen“.

Nicht das große Gewinnerthema

Die Sozialdemokraten hatten diese Forderung sogar explizit in ihrem Programm für die Bürgerschaftswahl 2019 aufgeführt. Wenn ihr fachpolitischer Sprecher Arno Gottschalk das Thema derzeit nicht mit letztem Einsatz vorantreibt, dann sind die Gründe dafür in der Abfallwirtschaftsreform von 2018 zu suchen. In der öffentlichen Debatte erwies sich die Rekommunalisierung seinerzeit nicht als das große Gewinnerthema, für das es SPD-Strategen gehalten hatten. Den Müllwerkern dagegen ging sie nicht weit genug. Am Ende hagelte es viel Kritik.

Gottschalk steht vor diesem Hintergrund weiter grundsätzlich zur Sonderkündigung in 2023, fügt aber in sehr nüchternem Ton hinzu: „Wir müssen sorgfältig durchdeklinieren, ob die Kriterien erfüllt sind.“ Dass die Grünen dem Thema eher distanziert gegenüberstehen, ist kein Geheimnis. „Wir werden uns das sehr kritisch angucken“, kündigt ihr Bürgerschaftsabgeordneter Ralph Saxe an.

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