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Verletzung des Datenschutzes Videoüberwachung an Bremer Grundschule sorgt für Kritik

Jahrelang wurden Kinder an der Grundschule Delfter Straße per Video überwacht, ohne dass die Eltern informiert waren. Dies war laut Landesdatenschutz unzulässig. Eltern planen nun eine Sammelklage.
04.06.2025, 05:04 Uhr
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Von Ragna Herzog

Jahrelange Kameraüberwachung an einer Grundschule im Livestream, der dem Hausmeister und der Rektorin während der Schulzeit auf die Bildschirme übertragen wird? Außerdem das Fehlen jeglicher Information über die Videoinstallation? Datenschutzrechtlich heute undenkbar – sollte man meinen. Und doch soll genau das über Jahre in Bremen passiert sein. Der Vater eines Schulkindes der Grundschule Delfter Straße in Huchting wendete sich mit genau diesem Szenario an den WESER-KURIER.

Livebilder während der Schulzeit ins Hausmeisterbüro?

„Mein Kind besuchte bereits seit drei Jahren die Grundschule, als ich im März dieses Jahres von einem anderen Elternteil darauf angesprochen wurde, dass während der Schulzeit eine Videoüberwachung stattfinden würde“, berichtet ein Vater, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Mir selbst waren die installierten Kameras bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht aufgefallen, weil es auch gar keine Hinweisschilder auf eine Kameraüberwachung gibt.“ Die befreundete Mutter, so sagt er, habe ihm erzählt, dass sie selbst im Hausmeisterbüro gesehen habe, dass Livebilder während der Schulzeit auf einem seiner Monitore zu sehen gewesen seien. „Das machte mich stutzig“, so der Familienvater.

„Es gibt explizit keine gesetzliche Regelung, die einen Kamerabetrieb während der Unterrichtszeit an Schulen ausschließt“, sagt Timo Utermark, Landesbeauftragter für Datenschutz im Land Bremen. Da Kinder besonders schutzbedürftig seien, müssten für den Betrieb während der Schulbetriebszeit aber besonders hohe Voraussetzungen und die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, teilt Utermark mit. Dazu gehöre insbesondere, dass die Videoüberwachung – etwa durch Hinweisschilder – transparent gemacht werden müsse.

An insgesamt 18 Schulen in Bremen gibt es laut Auskunft der Bildungsbehörde eine Kameraüberwachung. Ob Videokameras an einer Schule installiert werden, kann die Schule selbst entscheiden. Eine Kameraüberwachung wird meist genutzt, wenn es darum geht, Gelände und Gebäude nach der Unterrichtszeit vor Vandalismus zu schützen. Verantwortliche Stelle für die Kameraüberwachung, die auch für die Einhaltung der Datenschutzrichtlinien verantwortlich ist, ist dann die Schule selbst.

Beschwerde führt zur Überprüfung der Kameraüberwachung

„Ich habe mich daraufhin an die Schulleiterin gewandt und gebeten, mir Informationen zur Verfügung zu stellen, warum zur Schulzeit eine Videoüberwachung stattfinden würde“, berichtet der Vater. Wochenlang habe er darauf keine Antwort erhalten.

Deswegen habe er sein Anliegen dann auch an die Landesdatenschutzbehörde und die Schulbehörde geschickt. Erst nach Wochen habe er eine Antwort von Schulleitung und Schulbehörde erhalten: „Sie schrieben mir, dass die Kameras erst nach Unterrichtsende eingeschaltet werden würden“, berichtet der Vater. „Hinweisschilder dazu sollten in Kürze angebracht werden.“ Zu diesem Zeitpunkt führt der Familienvater ein Gespräch mit dem Landesdatenschutzbeauftragten und legt Beschwerde ein. „Mir wurde gesagt, dass die Situation nun vor Ort von ihnen überprüft werde“, berichtet der Vater.

Ein paar Tage später, so erzählt er, sei von der Schulleitung dann doch eingeräumt worden, dass die Kameras auch am Vormittag liefen. Es habe ihn schockiert, dass ihm zuvor offensichtlich nicht die Wahrheit gesagt worden sei, sagt er. „Außerdem wurde mir mitgeteilt, dass die Videokameras bereits vor dem Arbeitsbeginn der Schulleiterin an der Schule, also schon vor über 13 Jahren dort angebracht worden seien.“

Liveübertragung auf einem oder zwei Monitoren?

Aus der Bildungsbehörde heißt es dazu auf Nachfrage vom WESER-KURIER, dass die Kameraanlage bereits 1999 installiert worden sei und ausschließlich dem Zweck der Sicherheit auf dem Schulgelände gedient habe. Die Anlage sei nicht mit der Schulbehörde abgestimmt gewesen. Weiter teilt die Bildungsbehörde mit: "Laut Schulleitung gab es einen einzigen Monitor in der Hausmeisterloge. (...) Nach Kenntnis der jetzigen Schulleitung war die Kamera lediglich außerhalb der Schulzeiten in Betrieb."

Landesdatenschützer Timo Utermark teilt nach Abschluss der Untersuchung mit: "Die Kameras waren auch während der Schulzeiten aktiv, sodass eine Beobachtung der Livebilder möglich war. Es existieren zwei Monitore, die vom Hausmeister und der Schulleitung eingesehen werden konnten."

Kameraüberwachung unzulässig

Weiter heißt es vom Landesdatenschützer, dass ein Kameraeinsatz nur zulässig sei, wenn damit der Schutz vor Vandalismus oder dem Zutritt von Unbefugten gewährleistet werden soll. "Es wurde von der Schule nicht belegt, dass ein Kameraeinsatz rund um die Uhr sowie eine Aufzeichnung zwischen 16 Uhr und 7 Uhr, wie vorliegend erfolgt, erforderlich war", so Utermark. "Auch wurden keine ausreichenden Rollen- und Berechtigungskonzepte sowie hinreichende technische und organisatorische Maßnahmen vorgelegt, um insbesondere einen Schutz vor unbefugten Einsichtsmaßnahmen zu schaffen", erklärt der Landesdatenschutzbeauftragte. Das Ergebnis der Untersuchung: Die Kameraüberwachung an der Grundschule Delfter Straße ist unzulässig.

"Die Installation wurde nach den Osterferien abmontiert", heißt es aus der Bildungsbehörde. "Die Datenträger sind uns von der Schule übergeben worden, um eine datenschutzkonforme Entsorgung sicherzustellen."

Sammelklage gegen unzulässige Kameraüberwachung an Bremer Grundschule

"Ich bin fassungslos, wie ungenügend die Auskünfte von Schulleitung und Schulbehörde waren", sagt der Vater. "Und es ist ein Unding, dass man als Elternteil eingreifen muss, damit alles richtig läuft." Zusammen mit anderen Eltern der Schule werde nun eine Sammelklage gegen den Kameraeinsatz vorbereitet.

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