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Eröffnung vor 75 Jahren Hillmann-Passage: Ein geliebtes Provisorium in Bremens Mitte

Das glamouröse Hillmanns Hotel wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An seinem Platz entstand eine sehr beliebte Ladenpassage: die Hillmann-Passage. Vor 75 Jahren, am 1. September 1949, wurde sie eröffnet.
24.08.2024, 05:00 Uhr
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Von Eberhard Syring

In dem im Jahr 1900 erschienenen Band „Bremen und seine Bauten“, der ersten umfänglichen Bestandsaufnahme der Architektur der Hansestadt, ist das Urteil eindeutig: "Unter den Hotelbauten Bremens ist wohl das bekannteste und durch seine Lage dicht an den Bäumen der Wallanlagen wie durch die gediegen vornehmen Formen seiner Architektur das erwähnenswerteste Hillmanns Hotel." Des Weiteren ist dort zu lesen, dass es sich bei dem 1849 eingeweihten Gebäude um das Erstlingswerk des Bremer Architekten Heinrich Müller handelt und es im Jahr 1891 "von anderer Hand modern ausgebaut wurde".

Die Initiative zu dem Bauwerk ging von Johan Heinrich Hillmann aus, einem Gastwirt aus der Neustadt, der in der Westerstraße "Die Traube" besaß. Er ließ auf einem zuvor als Reitbahn genutzten Grundstück vor dem Herdentor ein Hotel bauen, das seinen Namen trug. Der Standort erwies sich im beginnenden Eisenbahnzeitalter – der Hannoversche Bahnhof entstand in der Nähe – und nach Aufhebung der Torsperre als gut gewählt. An der Hotel-Betriebsgesellschaft, die später das Haus übernahm, waren bekannte Bremer Firmen, vor allem aus dem Weinhandel, beteiligt. Die Liste prominenter Gäste war lang. Das Haus passte sich schnell wandelnden Bedürfnissen an und erfreute sich durch sein Café und einen Bürgerbräukeller auch bei Einheimischen großer Beliebtheit.

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Das Ende des Hauses kam mit einem Luftangriff im Oktober 1944, der nur noch einen Trümmerhaufen übrig ließ. Die Hotel-Betriebsgesellschaft war bemüht, das Grundstück schnell wieder zu nutzen. Da sich ein Hotelneubau in den ersten Nachkriegsjahren aufgrund der Materialknappheit und anderer drängender Probleme fast ausschloss, dachte man zumindest an provisorischen Lösungen. Schon 1946 gab es erste Überlegungen, am Rande des Trümmerberges in provisorischen Holzbauten Ladenflächen anzubieten – auch um Einnahmen für die spätere Räumung des Grundstücks zu gewinnen. Daraus wurde nichts. Aber 1948 trat eine Gruppe Inhaber von Spezialgeschäften, deren Läden in der Innenstadt zerstört wurden und die nun nach einem neuen zentralen Standort suchten, an die Eigentürmer mit dem Wunsch heran, an dem prominenten Ort eine Ladenpassage zu errichten. Ein großes Café sollte als zusätzliche Attraktion dienen.

Zusammen mit dem Architekten Friedrich Schröder, der schon 1930 bei der Hotelerweiterung mitgewirkt hatte, wurden die Pläne ausgearbeitet, im Januar 1949 der Grundstein gelegt, und ein knappes Dreivierteljahr später war der Bau vollendet: Vor 75 Jahren, am 1. September 1949, wurde die Hillmann-Passage eröffnet. Er sollte die erste Ladenpassage der Hansestadt werden. 22 alteingesessene Bremer Geschäfte zogen ein, darunter die bekannte Buchhandlung Leuwer, Modegeschäfte wie "Alten Moden" oder "Emma von Halem", ein Feinkostladen, ein Optiker, ein Schmuck- und Geschenkeladen, ein Musik- und Radio-Fachgeschäft, eine Konditorei, ein Friseursalon, ein Tabakwarenladen. Die Größe der Geschäfte reichte von 27 bis 100 Quadratmetern. In 34 Schaufenstern wurden die Waren präsentiert.

Zeit für einen Schaufenster-Bummel

In den ersten Jahren nach der Währungsreform, bevor sich das später sogenannte "Wirtschaftswunder" mit einsetzendem Massenkonsum Bahn brach, war der "Schaufenster-Bummel" eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Noch konnte man sich vieles nicht leisten, aber die wohldekorierten Schaufenster boten die Aussicht auf bessere Zeiten nach den entbehrungsreichen Jahren der Kriegs- und Nachkriegszeit. Und die wettergeschützte Hillmann-Passage mit ihren vielen Schaufenstern war ein Höhepunkt bei einem Bummel durch das immer noch stark von Bombenlücken geprägte Bremer Stadtzentrum.

Und nach dem Bummel war das Café Hillmann ein idealer Anlaufpunkt. Es schloss westlich an die Passage an. Durch seine Größe und Ausstattung sowie durch ein Veranstaltungsprogramm mit Konzerten, Bällen und Modeschauen weckte es Erinnerungen an die großen Zeiten von Hillmanns Hotel. Bademodenschauen fanden, wenn das Wetter es zuließ, auf der Dachterrasse des eingeschossigen Baukomplexes statt, die nach Nordwesten durch einen aufgesetzten Gebäudewinkel windgeschützt lag. Von hier bot sich ein schöner Ausblick auf die Wallanlagen.

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So beliebt die Passage in der Anfangszeit war, gab es auch kritische Stimmen. Hanns Meyer, Chef des Verkehrsvereins, beklagte schon früh, es fehle in der Seehafenstadt Bremen an Hotels von internationalem Anspruch. "Der einzigartige Platz im Grün des Herdentorwalls unmittelbar am Stadtgraben und gegenüber der Wallmühle ist leider durch die Hillmann-Passage wenig glücklich bebaut worden, was umso bedauerlicher ist, da die Lage von Hillmanns Hotel auf die internationale Reisewelt stets eine große Anziehung ausgeübt hat", formulierte Meyer. So kam es, dass das 1956 umgebaute "Parkhaus" im Bürgerpark als Park-Hotel zu Bremens First-Class-Herberge avancierte.

Spielball von Investoreninteressen

Das zehnjährige Bestehen der Passage feierten die ansässigen Geschäftsleute noch überzeugt. Sie sei das i-Tüpfelchen des Bremer Einkaufszentrums und nicht mehr aus der Innenstadt fortzudenken. Doch dunkle Wolken waren bereits am Himmel aufgezogen. 1957 wollte der Hertie-Kaufhauskonzern das Grundstück für den Bau einer Bremer Filiale erwerben. Die Erbengemeinschaft war aufgrund der Unternutzung des Grundstücks durchaus zu einem Verkauf bereit. Hertie baute sein Kaufhaus schließlich auf dem Grundstück der zerstörten Kirche St. Ansgarii. Aber seit dieser Zeit wurde das Hillmann-Grundstück zum Spielball wechselnder Eigentümer- und Investoreninteressen. Zunächst wollte Siemens seine Regionalzentrale hier errichten, dann war ein Hotelhochhaus vorgesehen. Als das Kaufhaus Horten für eine Filiale einen Standort suchte, kam das Grundstück erneut ins Gespräch. Es folgte der Plan für ein "Hillmann-Center", ein Büro-Hochhaus über drei Ladengeschossen. Schließlich wollte ein Versicherungskonzern hier seine Zentrale errichten.

Relativ langfristige Mietverträge schützen die Geschäftsinhaber in der Passage zunächst, doch ein Ende schien unausweichlich. Im Bauboom der 1960er-Jahre, verdeutlicht etwa im neuen City-Erweiterungsgebiet am Herdentor mit dem neuen Siemenshochhaus als Mittelpunkt, wurde die Primitivbauweise der ersten Nachkriegsjahre als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Die bevorstehenden Veränderungen hatten schließlich auf das Image und die Geschäftsstruktur der Passage Auswirkungen. Einige Inhaber gaben auf, Filialläden, wie die Eduscho-Kaffeestube, zogen ein.

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Im September 1971, 22 Jahre nach seiner Eröffnung, wurde die Hillmann-Passage geräumt und abgerissen. Doch die verschiedenen Neubebauungsvorhaben scheiterten zunächst. Mehr als zehn Jahre tat sich nichts auf dem Grundstück, sodass die Spontanvegetation schon deutlich über den Bauzaun wucherte. Erst 1985 wurde ein Neubau fertiggestellt. Zur Freude der meisten Bremerinnen und Bremer war es wieder ein Hotel und kein Bürohochhaus. Und auch in seinen Dimensionen war es an das alte Hillmanns Hotel angepasst. Da die 1980er-Jahre eine Zeit waren, in der historische Bautypologien, wie die Ladenpassagen der 19. Jahrhunderts, wiederentdeckt wurden, entstand hier – auch als Reminiszenz an das Nachkriegsprovisorium – eine neue Hillmann-Passage. Leider erwies sich diese, wie viele andere neue Passagen dieser Zeit langfristig wirtschaftlich nicht als tragfähig. Sie wurde in den 2000er-Jahren geschlossen.

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