Der Appell des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz, die Bevölkerung solle sich an der Bekämpfung von Rechtsextremismus beteiligen und dazu Hinweise geben, wird kontrovers diskutiert. Vor allem in sozialen Netzwerken werten einige Nutzerinnen und Nutzer den Aufruf des Bremer Verfassungsschutz-Chefs Dierk Schittkowski als Anstiftung zur Denunziation und ziehen Vergleiche zum Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) in der DDR.
Den Begriff „Denunziantentum“ hält FDP-Innenpolitikerin Birgit Bergmann für zu hart. „Ich finde den Schritt des Verfassungsschutzes nachvollziehbar nach dem, was in Halle passiert ist“, sagt sie. Das Vorgehen von Schittkowski hält sie dennoch nicht für hilfreich bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus. „Das könnte ein grundsätzliches Misstrauen in der Bevölkerung säen.“ Wenn jeder nach individuellen Kriterien und persönlicher Weltsicht Vorfälle melde, werde der Verfassungsschutz mit einer Flut von Meldungen konfrontiert. „Der Vorschlag klingt für mich fast ein bisschen nach Hilflosigkeit“, urteilt Bergmann. Die FDP-Politikerin plädiert für bessere Zeugenschutzprogramme für Aussteiger und eine bessere personelle und sachliche Ausstattung des Verfassungsschutzes.
Grüne überrascht
„Ich war verwundert ob des Aufrufs“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete Kai Wargalla (Grüne), Sprecherin ihrer Fraktion für Strategien im Kampf gegen Rechtsextremismus. Denn es habe in der Vergangenheit nicht an fehlendem zivilgesellschaftlichem Engagement gelegen, dass rechtsextreme Morde wie jener an Walter Lübcke geschehen konnten. Natürlich habe die Gesellschaft eine Verantwortung, natürlich sei es wichtig, dass jeder mit offenen Augen durch die Welt gehe, sagt Wargalla. Letztlich müssten die Verfassungsschützer aber auch ihre Hausaufgaben machen.
„Ich halte das Vorgehen des Bremer Verfassungsschutzes grundsätzlich für einen richtigen und guten Weg“, sagte Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Auch halte er es für gut, dass Verfassungsschutz-Chef Dierk Schittkowski klar gestellt habe: 'Wir sind alle Antifaschisten'. Lenkeit findet es aber komisch, in diesem Zusammenhang von 'Spitzelmentalität' zu reden: „Den Begriff würde man ja auch nicht verwenden, wenn jemand eine Straftat bei der Polizei meldet.“ Lenkeit stellt zudem fest, dass sich auch jetzt schon Bürger an den Verfassungsschutz wenden. Jedoch würden häufiger Hinweise zu religiös motiviertem Extremismus eingehen als zu Rechtsextremismus.
Der CDU-Fraktionssprecher für Inneres, Marco Lübke, gibt Schittkowski grundsätzlich Recht, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus auch eine gesellschaftliche Aufgabe ist. Es sei auch Bürgerpflicht, Verdächtiges zu melden. „Das muss ja nicht der Verfassungsschutz sein, das kann auch bei der Polizei passieren“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete, der selbst gelernter Polizist ist. Um Auffälliges zu erkennen, müsse man die Bevölkerung für alle Formen des Extremismus sensibilisieren. Allerdings sollten Bürger nicht die Aufgaben des Verfassungsschutzes ersetzen, betont Lübke – dieser müsse personell ausreichend ausgestattet sein.
Wer einen Hinweis über Extremisten an den Verfassungsschutz geben möchte, kann rund um die Uhr unter der Telefonnummer 0421 / 53 77 250 Kontakt aufnehmen.