In Bussen und Bahnen könnte es in den kommenden Wochen voller werden. Grund ist ein hoher Krankenstand der Fahrerinnen und Fahrer im öffentlichen Nahverkehr. Das Problem besteht offenbar in verschiedenen Teilen Deutschlands. Bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) ist die Lage derart angespannt, dass der Fahrplan von nächster Woche an eingeschränkt werden muss. Betroffen sind, wie berichtet, Bus- und Bahnlinien in der Innenstadt. Ähnliche Anpassungen der Fahrpläne gibt es dem MDR zufolge auch in einigen mitteldeutschen Städten wie Leipzig und Magdeburg.
Die BSAG habe ein „gewaltiges Problem vor der Brust“, sagt Unternehmenssprecher Jens-Christian Meyer. „Wir haben keine andere Möglichkeit, außer das Angebot zu reduzieren.“ Die Zahl der Ausfälle unter den Fahrern und Fahrerinnen liege höher als in den Vorjahren. Auch verglichen mit dem vergangenen Jahr, als im Dezember die zweite Corona-Welle zu Problemen führte, sei der derzeitige Engpass schwerwiegender. Es gebe mehr Erkrankungen verschiedener Art. Auch die Corona-Lage sei angespannter als im vergangenen Winter: Krankheits- und Verdachtsfälle hätten zugenommen. Einige Ausfälle kämen auch durch Quarantäne-Regelungen im Umfeld der Fahrer zustande.
Ohnehin gehören Busfahrer zu den Berufsgruppen mit den höchsten Fehlzeiten im Dienst – nur Zusteller, Lkw-Fahrer, Mitarbeiter in Callcentern sowie im Wachdienst und der Altenpflege werden ähnlich häufig krank wie sie. Bei Busfahrern sind es laut dem Gesundheitsreport der Barmer Ersatzkasse 21,3 Fehltage im Jahr. Die Belastung sei durch die Pandemie noch mal gestiegen, sagt Martin Peter von der Gewerkschaft Verdi. Er leitet den Fachbereich Verkehr im Bezirk Bremen/Niedersachsen. Die Lage bei der BSAG bezeichnet er als „echtes Problem“. Fahrpläne reduziere man nur, wenn es gar nicht anders gehe.
Nach eigenen Angaben hat die BSAG mehr als 1000 Fahrer im Einsatz. Zusätzlich, so Meyer, verfüge man über eine Reserve von etwa 100 Mitarbeitern, die im Notfall einspringen könnten – die BSAG habe diese Reserve vollständig aktiviert. Zuletzt habe es keine Planungssicherheit mehr gegeben. Laut Meyer ist das der wesentliche Grund, den Fahrplan einzuschränken: „Lieber ausgedünnt statt unzuverlässig“, sagt er. Schließlich würden Fahrer ohne Vorankündigung krank, wenn das häufiger vorkomme, lasse sich spontan kaum Ersatz finden. „Dann wird plötzlich aus einem Sechs-Minuten-Takt eine halbe Stunde“, so Meyer. Mit dem neuen Fahrplan sei die BSAG wieder in der Lage, auch kurzfristige Ausfälle zu kompensieren.
„Wir fahren seit zwei Jahren in ständiger Habachtstellung und zeitweise im Krisenmodus“, sagt Meyer. Der WESER-KURIER hatte bereits im Herbst 2020 über die eingeschränkten Kapazitäten der BSAG berichtet. Damals war es um die Frage gegangen, ob das Verkehrsunternehmen den Regelbetrieb möglicherweise ausweiten könnte, um den gebotenen Abstand zwischen den Fahrgästen zu ermöglichen. Meyer betont, dass auch zu Stoßzeiten und an stark frequentierten Haltestellen selten mehrere Bahnen hintereinander überfüllt seien. Der BSAG-Sprecher appelliert deshalb auch an die Fahrgäste: „Wenn möglich, sollte man etwas Spielraum einplanen. Vielleicht ist die Bahn zehn Minuten früher deutlich leerer.“
Nach Informationen des WESER-KURIER ist die Lage der BSAG in der Region ein Einzelfall. Vergleichbare Ausfälle seien dem Verkehrsbund Bremen/Niedersachsen (VBN) nicht bekannt, teilt Unternehmenssprecher Gerrit Reichert mit. Der VBN vereint 30 Verkehrsbetriebe. Neben der BSAG gehören beispielsweise die Nordwestbahn und Bremerhaven Bus dazu. Reichert zufolge gehe der anstehende Fahrplanwechsel im VBN-Bereich mit einer Taktverdichtung einher. Auch in den Regionalzügen der Deutschen Bahn gebe es keine personellen Engpässe, so eine Sprecherin. Laut Verdi-Bereichsleiter Martin Peter habe der Krankenstand in einigen Verkehrsbetrieben auffällig zugenommen, nachdem die 3G-Regel am Arbeitsplatz in Kraft getreten ist.
Wann die Situation sich bei der BSAG wieder entspannt, ist laut Meyer offen. Langfristig dürfte die Personalsituation ein Problem bleiben – nicht nur bei der BSAG. Eine Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen hat kürzlich festgestellt, dass bis 2030 für den sogenannten Sektor Fahrzeugführung im Straßenverkehr 30 Prozent an Fachkräften fehlen werden.