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Bürgerschaftswahl Warum Werder-Präsident Hess-Grunewald für die SPD kandidiert

Die SPD hat den Präsidenten des Bundesliga-Aufsteigers als Kandidaten für die Bürgerschaftswahl 2023 nominiert. Eine überraschende Personalie, die viele Fragen aufwirft – hier gibt Hess-Grunewald Antworten.
22.06.2022, 05:00 Uhr
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Warum Werder-Präsident Hess-Grunewald für die SPD kandidiert
Von Mathias Sonnenberg

Herr Hess-Grunewald, wenn Sie als Präsident des SV Werder im kommenden Jahr für die SPD in die Bremische Bürgerschaft einziehen sollten, wird es dann auch eine Parlaments-Fußballmannschaft geben?

Hubertus Hess-Grunewald: Gute Frage, damit habe ich mich noch gar nicht beschäftigt, ich habe seit Jahren gar keinen Fußball mehr gespielt. Aber vielleicht wäre das der Anlass, dass ich mal wieder gegen den Ball trete. Aber wir reden über eine Wahl, die erst in einem knappen Jahr stattfindet. Es sieht für die SPD derzeit ganz gut aus, aber sicher ist meine Wahl ja nicht.

Wie kam der Kontakt mit der SPD überhaupt zustande? 

Der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen-Stadt, Falk Wagner, ist auf mich zugekommen und sagte: Wir müssen mal reden. Ich dachte, dass es um den Bau des Werder-Nachwuchsleistungszentrums in der Pauliner Marsch geht. Aber dann kam er mit der Katze aus dem Sack und hat gefragt, ob ich für die SPD in die Bürgerschaft möchte. 

Sind Sie denn ein politisch denkender Mensch?

Das bin ich auf jeden Fall. Ich bin seit 1982, seit dem Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt, Mitglied in der SPD, habe Juso-Arbeit gemacht und mich immer wieder auch zu politischen Themen geäußert, zum Beispiel bei einer Mai-Kundgebung. Und die Bremische Bürgerschaft ist ein Teilzeit-Parlament, deshalb sind Abgeordnete erwünscht, die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen.

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Aber hätten Sie überhaupt die Zeit dafür?

Ja, das könnte ich organisieren. Wenn ich einen Björn Fecker sehe, der als Fraktionsvorsitzender der Grünen noch ganz anders gefordert ist als ein normaler Abgeordneter und nebenher den Bremer Fußball-Verband führt und in vielen weiteren Gremien vertreten ist, dann traue ich mir das auch zu.

Mussten Sie bei Werder das Einverständnis holen?

Nein, das musste ich nicht. Wir haben meine Kandidatur am Sonntag bei Bürgermeister Andreas Bovenschulte besprochen. Danach habe ich den Gremien bei Werder mitgeteilt, dass ich kandidiere. 

Warum sind Sie Sozialdemokrat geworden?

Weil ich zu den Menschen gehört habe, die sich um andere Menschen kümmern, denen es weniger gut geht. Ich komme selbst aus einfachen Verhältnissen, ich habe mit Bafög studiert und ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung bekommen, um die Doktor-Arbeit schreiben zu können. Ich bin geprägt durch meine Herkunft. Ich konnte nur studieren, weil die sozialdemokratische Bildungspolitik das ermöglicht hat. Ich war in der Friedensbewegung aktiv, so hat sich das verfestigt. Es gibt nur eine Organisation, bei der ich länger Mitglied bin – und das ist Werder Bremen

Die Überschrift "Werder-Präsident in der Bremischen Bürgerschaft" klingt schon ein wenig skurril, oder?

Skurril würde ich das nicht nennen, aber sie erzeugt natürlich Aufmerksamkeit. Wenn man das etwas nüchterner betrachtet, ist das nicht so ungewöhnlich. Heiko Strohmann ist Fraktionschef der CDU und Vereinsvorsitzender der SG Grambke-Oslebshausen, Björn Fecker wie gesagt Grünen-Fraktionschef und Präsident des Bremer Fußball-Verbandes. In der Bundesliga war Edmund Stoiber jahrelang Aufsichtsratschef des FC Bayern und gleichzeitig CSU-Ministerpräsident, in Werders Aufsichtsrat sitzt Dirk Wintermann und ist für die FDP im Kreistag im Landkreis Oldenburg. Oliver Ruhnert ist Manager bei Union Berlin im Milliarden-Geschäft Bundesliga und gleichzeitig Fraktionsvorsitzender der Linken in einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt. Also die Verbindung Politik, Parlamentarismus und Fußball ist nicht so ungewöhnlich.

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Sie haben mit Willi Lemke einen prominenten Vorreiter.

Ja, er ist von der SPD zu Werder gekommen als Manager, aus der Rolle heraus ist er später in den Bremer Senat gewechselt.

Sie setzen sich für das Nachwuchsleistungszentrum von Werder in der Pauliner Marsch ein, ein aufgeheiztes politisches Thema. Geraten Sie da in eine Interessenskollision? 

Die Anwohner müssen mich nicht wählen. Aber natürlich wird es Themen geben, bei denen es eine Rollenklarheit geben muss. Ich habe eine klare Meinung, zum Beispiel bei der Übernahme der Polizeikosten im Streit zwischen Werder und der Deutschen Fußball Liga. Niemand bei der SPD kann erwarten, dass ich meine Meinung an der Tür abgebe, nur weil ich für die Bürgerschaft kandidiere. Ich sorge für Transparenz und werde klarstellen, in welcher Rolle ich mich sehe. Ob ich mich mit meiner Meinung durchsetze, ist eine andere Frage. 

Polizeikosten ist ein gutes Beispiel. Ulrich Mäurer von der SPD hat als Innensenator den Streit mit der DFL um die Polizeikosten bei Hochrisikospielen gewonnen. Sie haben bei dem Rechtsstreit an der Seite der DFL gestanden.

Daraus habe ich in all den Jahren keinen Hehl gemacht, wir hatten und haben eine rechtlich unterschiedliche Auffassung. Aber wir haben immer gesagt, dass Werder und der Senat bei vielen anderen Themen sehr, sehr vertrauensvoll miteinander gearbeitet haben, ganz besonders mit Uli Mäurer.

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Was hätte Werder Bremen davon, wenn der Präsident künftig in der Bürgerschaft sitzen würde?

Ich würde auch die Auffassungen von Werder dort transparent machen, aber in der gebotenen Klarheit: Wo agiere ich als Präsident und wo als Parlamentarier? Das müsste sauber sein.

Und was hätte die SPD davon, einen Werder-Präsidenten in der Bürgerschaft sitzen zu haben?

Ich bin ja eine Person, die in der öffentlichen Wahrnehmung steht. Für die SPD ist es spannend, wenn jemand, der an vielen Stellen positiv mit Werder verbunden wird, dann auch bei der SPD verortet wird.

Ist das für Sie der Beginn einer politischen Karriere? 

Ich werde im Oktober 62, ich glaube nicht, dass ich noch eine großartige Karriere in der Politik vor mir habe.

Ulrich Mäurer ist 70 und kandidiert im kommenden Mai noch mal für den Posten des Innensenators.

Ja, und Konrad Adenauer war 73, als er Bundeskanzler wurde. Aber das sind nun wirklich politische Persönlichkeiten, mit denen ich mich nicht vergleichen kann. Die Bürgerschaft ist ein Teilzeit-Parlament. Und wenn ich mir nicht zutrauen würde, das neben meiner Tätigkeit bei Werder hinzubekommen, dann würde ich es nicht machen. Ich habe dort keine weiterführenden Ambitionen, sondern möchte mich als Novize einfinden. 

Einen Sportsenator Hubertus Hess-Grunewald wird es also auf absehbare Zeit nicht geben?

Ich glaube, da hätte Anja Stahmann was dagegen. Und das Präsidenten- und Senatorenamt ließe sich nicht miteinander vereinbaren. Ich habe vor, auf der Werder-Mitgliederversammlung im Herbst wieder als Präsident zu kandidieren – und zwar für die vollen vier Jahre und nicht nur für sechs Monate.

Das Gespräch führte Mathias Sonnenberg.

Zur Person

Hubertus Hess-Grunewald (61)

war bis 2014 als Rechtsanwalt tätig, seitdem Präsident des SV Werder und Mitglied der Geschäftsführung, unter anderem verantwortlich für das Leistungszentrum. Seit 1970 Mitglied bei Werder. 

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