Sieben Jahre nach dem Keimausbruch laufen die Vorbereitungen für den Neustart der Frühgeborenen-Versorgung im Bremer Klinikum-Mitte auf Hochtouren. Mit einer Hygiene-Offensive will der Klinikverbund Gesundheit Nord verhindern, dass sich ein solcher Ausbruch wiederholt. Am Klinikum Mitte soll ein Oberzentrum für den gesamten Nordwesten entstehen, in dem extrem Frühgeborene und Risikoschwangere versorgt werden. Eröffnungstermin ist Ende 2019. Drei Kinder waren damals an den Folgen einer Infektion mit multiresistenten Darmkeimen gestorben. Die Station sowie die reguläre Geburtshilfe wurden geschlossen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hatte eklatante Hygienemängel für den Ausbruch verantwortlich gemacht.
„Wir haben aus den Fehlern von damals gelernt und die Mängel abgestellt“, sagt der Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene des Klinikverbundes Gesundheit Nord (Geno), Martin Eikenberg, dem WESER-KURIER. „Die Lehren aus dem Keimausbruch sind in ein Konzept geflossen, das viele Veränderungen bei den Hygieneabläufen vorsieht. Darüber hinaus haben wir das Szenario durchgespielt, wie bei einem Ausbruch die Verbreitung von Hoch-risiko-Keimen verhindert wird.“

Martin Eikenberg ist Leiter des Instituts für Krankenhaus-hygiene. Mit einem neuen Konzept will die Geno verhindern, dass sich ein Keimausbruch wie vor sieben Jahren wiederholt.
Für Risikoschwangere, bei denen eine Frühgeburt absehbar ist, sind 28 Betten und drei Kreißsäle in dem neuen Zentrum vorgesehen. Für die Frühgeborenen sind 24 Intensiv- und Intermediate-Care Betten geplant. Letztere sind für Kinder, die keine Intensivversorgung mehr benötigen, aber noch nicht auf eine reguläre Station verlegt werden können. „Beide Bereiche sind identisch ausgestattet, sodass im Falle eines Keimausbruchs nicht-infizierte Frühgeborene aus dem Intensivbereich in den Intermediate-Care-Bereich verlegt werden können. Auch die Raumlufttechnik ist von-einander getrennt“, sagt Eikenberg. „Dieses Szenario wollen wir natürlich nicht, aber wir müssen vorbereitet sein.“
Eklatante Mängel attestiert
Ein solches Ausfallkonzept hatte der parlamentarische Untersuchungsausschuss damals ausdrücklich gefordert, sollte die Neonatologie an das Krankenhaus zurückkehren. Ein Jahr lang hatte er sich mit den Ursachen für den Keimausbruch beschäftigt und dem Klinikverbund eklatante Mängel attestiert: Der empfohlene Personalschlüssel auf der Frühchenstation sei häufig nicht erreicht worden, die Dokumentation des Ausbruchs sei mangelhaft gewesen, Hygienevorschriften seien nicht eingehalten worden, auch bei der Reinigung habe es schwere Versäumnisse gegeben. Und: Obwohl es früh Nachweise multiresistenter Keime bei Kindern gegeben habe, sei erst spät mit regelmäßigen Tests darauf reagiert worden.
Eikenberg: „Dieses mikrobiologische Scree-ning wird seit dem Ausbruch in den neonatologischen Intensivpflegestationen wöchentlich vorgenommen – und zwar in allen deutschen Kliniken. Das ist eine Vorgabe der Kommission für Krankenhaushygiene und direkte Folge des Keimausbruchs in Bremen.“ Um Häufungen multiresistenter Keime und Ausbrüche frühzeitig zu erkennen, sei außerdem eine spezielle Hygiene-Software eingeführt worden, die auch in dem neuen Zentrum zum Einsatz komme. Mit dem Programm würden alle Keime, die bei einem Frühgeborenen festgestellt sind, erfasst. Sobald zwei identische Erreger auftauchen, werde nach einem möglichen Zusammenhang gesucht.
Stehendes Wasser könnte die Quelle gewesen sein
„Die Keime, die uns sehr große Sorgen bereiten, vermehren sich im Wasser. Frühgeborene sind gegen diese Keime relativ wehrlos“, sagt der Krankenhaushygieniker. Stehendes Wasser könnte auch die Quelle des damaligen Keimausbruchs gewesen sein: Ein Bonner Hygiene-Experte hatte in einem Schlauch einer großen Dosieranlage für Desinfektionsmittel Erbgut von Darmkeimen gefunden. Ob diese Reste mit dem Ausbruchsstamm identisch waren, sei bis heute nicht geklärt, da die Proben nicht ausreichten, so Eikenberg. Die Dosieranlagen seien Standardgeräte, die bundesweit in Kliniken genutzt würden. „In den Schläuchen hatte sich ein dicker Biofilm mit Keimen gebildet“, sagt Eikenberg. „Ein Schlauchwechsel war damals für die Wartung der Geräte nicht vorgesehen. Seitdem werden sie regelmäßig ausgewechselt, und damit ist dieses Risiko ausgeschaltet.“
Desinfektionstücher für die Reinigung von Flächen gebe es in den Geno-Kliniken zudem nur noch aus Einweg-Behältern, die gleich entsorgt würden. Damit keimbelastetes Wasser nicht aus einem Waschbeckenabfluss spritzen kann, würden in Stationen mit Risikopatienten – und damit auch im neuen Zentrum – selbstdesinfizierende Siphons eingesetzt. Eikenberg: „Abwasser birgt eine besonders große Gefahr für die Verbreitung von Hochrisiko-Keimen.“