Wer obdachlos ist oder droht es zu werden, hat es in Bremen momentan nicht leicht, den Weg in eine eigene Wohnung zu schaffen. Zunächst müssen sich Betroffene in befristeten Angeboten, Notunterkünften, betreutem Wohnen oder sogenannten Schlichthotels regelrecht beweisen, bevor sie eine Chance auf die eigenen vier Wände bekommen. Das soll sich mit einem Pilotprojekt ändern: Die Stadtbürgerschaft hat am Dienstag beschlossen, das sogenannte Housing-First-Konzept für Bremen zu entwickeln. So wird obdachlosen Menschen der Einzug in eine eigene Wohnung ermöglicht und Zugang zu umfassenden Betreuungs- und Therapieangeboten geschaffen.
Eingebracht hatte den Antrag die Regierungskoalition, Vertreter von FDP und CDU unterstützten den Vorstoß. Damit soll verhindert werden, dass Wohnungslose das sogenannte Stufenmodell durchlaufen müssen, bei dem sie sich ein eigenes Zuhause durch viele befristete Angebote erst erarbeiten müssen. „Die meisten Obdachlosen wünschen sich eine Wohnung“, betonte Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis. Eine unmittelbare Vermittlung sei entscheidend, damit Obdachlosigkeit nachhaltig bekämpft werden können. In anderen Städten europaweit habe Housing First zur erheblichen Reduzierung der Wohnungslosen beigetragen.
„Housing First arbeitet mit einem Vertrauensvorschuss“
Deswegen sieht auch Birgitt Pfeiffer (SPD) dringenden Bedarf, das Projekt in Bremen umzusetzen: "Obdachlosigkeit gehört zu unseren drängendsten Problemen." Nach Angaben der Sozialbehörde gibt es stadtweit ungefähr 600 Obdachlose, die auf der Straße oder in Notunterkünften leben. Genaue Zahlen gebe es naturgemäß nicht. In einer dieser Notunterkünfte zu leben, so Pfeiffer, verhindere das Ankommen in den eigenen vier Wänden, das Stufenmodell sorge für ein Grundgefühl der Unsicherheit. „Housing First arbeitet mit einem Vertrauensvorschuss“, so Pfeiffer. "Es gibt den Menschen ihre Würde zurück. Denn zur Menschenwürde gehört auch ein Recht auf Wohnen." Auf diesem Grundsatz hatten Rot-Grün-Rot in ihrem Antrag aufgebaut: Der Anspruch auf eine angemessene Wohnung sei in der Bremer Landesverfassung verankert, Wohnen damit ein Grundrecht.
Die Opposition dämpfte die Euphorie der Regierung: Der Antrag sei nur der Auftrag für ein Konzept zu Housing First, betonte Magnus Buhlert (FDP), eine Umsetzung müsse nicht nur erst entwickelt, sondern auch finanziert werden. Er hoffe allerdings auf ein Gelingen: „Wir müssen das machen“, so Buhlert. Auch Sigrid Grönert (CDU) ist skeptisch, wann es zu einer Umsetzung des Projektes kommt: „Bereiten Sie dieses Konzept sauberer vor als die Krankenstube“, so Grönert. Damit bezog sie sich auf das im vergangenen Jahr beschlossene Konzept für eine Unterkunft für erkrankte Obdachlose, die eigentlich im April in Betrieb gehen sollte.
Als größte Hemmschwelle für das Projekt dürften sich die anstehenden Haushaltsverhandlungen erweisen: Sowohl für den Ankauf von entsprechenden Wohnungen als auch für die Betreuungsangebote braucht es Geld. Diesen Hemmschuh wollte auch Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) nicht verhehlen: „Wir brauchen Haushaltsmittel, um die Belegrechte für Wohnungen zu kaufen und zusätzliches Personal zu bezahlen.“ Der Mangel an Wohnraum erschwere die Umsetzung, auch sei die Bereitschaft der Wohnungsbaugesellschaften gering, ihre Vergaberechte für diese Angebote aufzugeben. „Es wird nicht ohne Neubau und Neuanwerbungen gehen“, so Stahmann. „Und das kostet Geld.“