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Kreuzfahrtschiffbau Kreuzfahrtschiffe "Made in China" kommen

Die Chinesen wollen auch im Kreuzfahrtschiffbau aktiv werden. Was das für die Papenburger Meyer-Werft bedeutet, und wie sie mit mehr Energieeffizienz und modernem die Nase vorn haben will.
28.06.2018, 18:34 Uhr
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Kreuzfahrtschiffe
Von Peter Hanuschke

Containerschiffbau findet seit Jahren vornehmlich nur noch in China oder Südkorea und schon lange nicht mehr in Europa statt. Auch im Spezialschiffbau holen die Asiaten auf: Jüngst hat der Verband der Fährschifffahrt bekannt gegeben, dass sich die europäischen Fährflotten verjüngen – die mindestens 25 Schiffsneubauten werden in den nächsten drei Jahren vornehmlich von chinesischen Werften ausgeführt.

Und auch die noch komplexere Aufgabe – den Bau von Hochseekreuzfahrtschiffen – wollen die Chinesen übernehmen. Bislang ist der Bau von Hochseekreuzfahrtschiffen eine fast rein europäische Angelegenheit: Laut der jüngsten Studie der AG Schiffbau sind daran die Fincantieri-Werft in Italien mit 26,4 Prozent, die französische STX-Werft, die zur Hälfte Fincantieri gehört, mit 26,1 Prozent, die Meyer-Werft in Papenburg mit 24 Prozent und die ebenfalls zur Meyer-Gruppe gehörende Werft im finnischen Turku mit 13,5 Prozent beteiligt.

Auf den Werftenverbund MV-Werften des malayischen Genting-Konzerns fällt ein Anteil von 7,5 Prozent – dort werden aber nur Schiffe für die eigene Kreuzfahrtreederei gebaut. Auf allen anderen Werften gehören nahezu alle großen Kreuzfahrtreedereien der Welt zum Kundenkreis.

Chinesische Strategie ist branchenübergreifend zu beobachten

Dass fast ausschließlich chinesische Werften vom Fährschiff-Neubau-Boom profitieren, ist aus Sicht der Papenburger Meyer-Werft in erster Linie darauf zurückzuführen, "dass die zum Großteil staatlich betriebenen Werften mit großer Wucht in diesen Markt vorgedrungen sind – und zwar mit extrem attraktiven Preisen, die hier in Deutschland oder in Europa so nicht darstellbar sind", so Unternehmenssprecher Peter Hackmann.

Das habe nur teilweise damit etwas zu tun, dass die Werften wegen des Baus von Kreuzfahrtschiffen ausgelastet seien. "Das sind ja nur wir und außerdem die STX-Werft in Frankreich und Fincantieri in Italien." Es gebe aber ja durchaus noch andere Werften in Deutschland und Europa, die Fähren bauen könnten.

Was in diesem Bereich stattfinde, ist die Umsetzung der chinesischen Strategie, die branchenübergreifend zu beobachten sei – etwa in der Autoproduktion oder in der Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen, so Hackmann. Das Muster sei immer gleich. Zunächst gebe es eine Kooperation mit ausländischen Unternehmen, um sich das notwendige Know-how anzueignen. Dann werde nach ein paar Jahren selber produziert.

Die ausländischen Kooperations-Unternehmen würden dann nicht mehr benötigt. Selbst wenn die ersten selbst hergestellten Produkte aufgrund mangelnder Erfahrung zunächst nur Verluste verursachen, würden die Chinesen so lange weitermachen, bis man langsam in die Gewinnzone komme. Der Staat würde die wirtschaftlichen Verluste bis dahin vermutlich ausgleichen.

China ist schon längst nicht mehr die Werkbank der Welt und verlässt sich allein auf das Modell der billigen Massenproduktion, was zunehmend durch steigende Löhne vor allem an der Küste auch immer schwieriger wird. Nicht von ungefähr hat China deshalb vor ein paar Jahren die Strategie "Made in China 2025" herausgegeben, in der China mit Qualitätsprodukten in zehn Industriebereichen überzeugen will. Dazu zählt auch der Bau von Kreuzfahrtschiffen.

"Dass China in diesem Bereich in ein paar Jahren Produkte in den Markt bringen wird, davon kann man ausgehen", so Hackmann. Dass dort jetzt schon Fähren gebaut werden, sei ein deutlicher Hinweis. Denn auch Fähren seien durchaus sehr komplexe Schiffsbauten – je nachdem welchen Zweck sie erfüllen sollen.

Bis Ende 2023 ausgelastet

"Fähren, etwa der norwegischen Color Line, sind so gestaltet, dass sie in einigen Bereichen durchaus mit Kreuzfahrtschiffen vergleichbar sind." Klar ist für die Meyer-Werft, "dass wir im Kreuzfahrtsegment über die Löhne und Preis kaum konkurrenzfähig wären." Derzeit ist die Papenburger Meyer-Werft bis Ende 2023 ausgelastet, die finnische Meyer-Werft in Turku bis Anfang 2024.

Das gilt auch für die ebenfalls zur Meyer-Gruppe gehörende Neptun-Werft in Rostock, die in erster Linie Flusskreuzfahrtschiffe baut, aber auch komplexe Sektionen für die Hochseekreuzfahrtschiffe fertigt. "Unabhängig von einem chinesischen Markt verfolgen wir seit Jahren unsere eigene Strategie, die uns auch zukünftig wettbewerbsfähig hält", so Hackmann. "Wir setzen auf Forschung und Entwicklung in allen Bereichen, die ein Kreuzfahrtschiff ausmachen."

Dabei gehe es um Produktinnovationen in Bereichen wie Energieeffizienz, Sicherheit, Antriebstechnologien oder Entertainment, die "wir in enger Kooperation mit unseren Partnern entwickeln". Ebenso sei ein zentraler Punkt die qualifizierte Aus- und Weiterbildung. "Auf jeden Fall, haben wir keinerlei Ambitionen, eine Kooperation in China einzugehen oder dort eine Werft aufzumachen."

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Fincantieri ist dagegen den Weg nach China gegangen. Zusammen mit der China State Shipbuilding Corporation und der amerikanischen Carnival Corporation – der weltweit größte Anbieter von Kreuzfahrten – hat die Werft ein Joint Venture gegründet. Im vergangenen Jahr haben sich die Partner auf den Bau von zwei Kreuzfahrtschiffen und der Option auf vier weitere verständigt. Gebaut werden sollen die Schiffe auf der Werft Shanghai Waigaoqiao Shipbuilding. Die erste Auslieferung ist für 2023 geplant.

"Man kann davon ausgehen, dass diese Schiffe ausschließlich für den extrem boomenden chinesischen Kreuzfahrtmarkt vorgesehen sind", so Kreuzfahrtexperte Franz Neumeier. Ob darüberhinaus auch für andere Märkte produziert werde, hänge sicherlich auch davon ab, ob die Nachfrage der Reedereien nach Schiffen allein durch die europäischen Werften befriedigt werden könne. "Wenn da der Druck zu groß wird, wird sich dann doch wohl irgendwann eine Reederei trauen, eben auch mal einen Auftrag nach China zu vergeben."

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