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Jahresbilanz der Bürgerschaft Zahl der Petitionen in Bremen steigt

Die Zahl der Petitionen ist im Vergleich zur vorigen Wahlperiode gestiegen - auch wegen der Pandemie. Ausschussvorsitzender Claas Rohmeyer schildert die ernstesten, aber auch die erfreulichsten Fälle.
09.01.2022, 16:00 Uhr
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Zahl der Petitionen in Bremen steigt
Von Joerg Helge Wagner

"Die Leute bringen sich auf diesem Weg mehr in die Politik ein", sagt Claas Rohmeyer, seit 2019 Vorsitzender des derzeit zehnköpfigen Petitionsausschusses der Bürgerschaft. Die Zahlen geben dem CDU-Abgeordneten recht: In der vorigen Wahlperiode gingen beim Parlament für das Land und die Stadt Bremen 744 Bürger-Anträge ein, in der laufenden sind es bereits 705 – und sie dauert noch fast anderthalb Jahre.

Wie sehr der Anstieg von der Corona-Pandemie verursacht wurde, lässt sich nicht ganz präzise ermitteln. "Bei 39 Petitionen gab es diesen Bezug schon in der Überschrift", sagt Rohmeyer, "aber insgesamt sind es wohl um die 50." Aktuell kann man beispielsweise noch eine Petition unterstützen, die kostenlose PCR-Tests für geimpfte Kontaktpersonen von Infizierten  fordert. Oder eine, die Ungeimpften ab Mitternacht den Zugang zu Fitnessstudios ermöglichen will. Oder dafür eintreten, den Corona-Bonus auch medizinischen Fachangestellten in Arztpraxen zu zahlen oder ihnen eine Corona-bedingte Steuerbegünstigung des Lohns zu gewähren.

Von Hunden und Häusern

Im Durchschnitt dauere die Beratung einer Petition drei bis vier Monate, sagt Rohmeyer, "aber wir schleppen auch noch Vorgänge aus 2015 mit". Und am Ende geht es immer darum, ob der Ausschuss den Petenten helfen kann – oder eben nicht. So behält der Stadtwaldsee seinen Namen, weil drei betroffene Beiräte eine Änderung ablehnten. Auch die in einer Eingabe geforderte Erstattung der Abfallgebühren für Müllvermeider wird es nicht geben. Öfters ist es auch einfach so, dass der Ausschuss dem Senat zustimmt, wenn dieser seine Stellungnahme abgegeben hat (siehe Kasten).

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Ein wenig stolz ist Rohmeyer auf die "dicken Bretter", bei denen der Ausschuss am Ende doch noch helfen konnte. So habe man dreieinhalb Jahre um eine Hundefreilauffläche im Waller Park gerungen – nicht zuletzt, weil es dagegen erheblichen Widerstand aus der Umweltbehörde gegeben habe. Auch über den Antrag eines Ehepaares, dass der Senat "Maßnahmen gegen Fassadenschmierereien" ergreifen soll, wurde zehn Monate beraten. Dann ist der Ausschuss einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass „Farbvandalismus“ nicht effektiv genug bekämpft werde. Der Senat solle ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept erstellen, um illegales Sprayen zu unterbinden. 

Schicksale, auch Schicksalsschläge stecken hinter mancher Petition, die den Ausschuss lange beschäftigt. So haben offenbar starke Luftverwirbelungen, verursacht durch einen landenden Airbus-Großraumtransporter vom Typ Beluga, vor gut drei Jahren ein halbes Hausdach abgedeckt. "Die Entschädigung ist bis heute nicht geregelt", bedauert Rohmeyer. Und wenn das Land Bremen als Eigentümer des Flughafens doch noch einspringe, könne Geld erst aus dem Haushalt 2024/25 fließen.

Zu alt für den Klageweg

Seit 2016 kämpft eine alte Dame um ein paar hundert Euro: Als ihr Mann in einem städtischen Krankenhaus starb, waren aus seinen Habseligkeiten die Schlüssel verschwunden - die Betreibergesellschaft wollte jedoch bislang nicht für den Austausch der Wohnungsschlösser aufkommen. Auf einen langwierigen Prozess wollte es wiederum die betagte Petentin nicht ankommen lassen. Also hat der Petitionsausschuss sowohl an die Geno als auch an die Gesundheitssenatorin appelliert, für solche Fälle einen Fonds einzurichten.

Rekordhalter über mehrere Wahlperioden hinweg ist die Petition eines Grundstückseigentümers in Bremen-Nord, die den Ausschuss seit 2013 beschäftigt. Es gehe um den Anschluss des Grundstücks, Wegerecht und Auflagen bei der Zuwegung, erläutert Rohmeyer. Die lange Dauer sei unter anderem personellen Wechseln in der Behörde geschuldet. Senatorin Maike Schaefer wolle nun aber eine Lösung, und sie habe ja auch einen Entscheidungsspielraum: "Wir wollen nur, dass sie sich in diesem Korridor bewegt." Dann, hofft Rohmeyer, könne "sein" Ausschuss den Fall in diesem Jahr endlich abschließen.

Schülerinnen in Nöten

Manchmal ist es aber auch extrem eilig. Etwa bei den Schülerinnen, die wegen der Pandemie ihr Auslandsjahr vorzeitig beenden mussten: "Die waren im Schulsystem einfach nicht vorgesehen, deshalb sollten sie ein ganzes Jahr wiederholen." Der Petitionsausschuss wandte sich direkt an das Büro der damaligen Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD). Nach einem Test, den beide Schülerinnen bestanden, konnten sie ihre Schullaufbahn in Bremen ohne Verzug fortsetzen.

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Rohmeyer kennt das Geschäft seit mehr als zwei Jahrzehnten, schon seit 1999 sitzt er im Petitionsausschuss. "Es ist immer gut, wenn Senatsmitglieder hier auch mal Mitglied waren" – und so findet der Konservative lobende Worte für die Senatorinnen Claudia Bogedan (SPD), Claudia Bernhard (Linke) und Maike Schaefer (Grüne).

Mit Blick auf das gerade begonnene Jahr bezeichnet Rohmeyer die noch nicht abschlussreife Petition der Bürgerinitiative Oslebshausen als "hochsensibel". Sie richtet sich gegen die geplante Bahnwerkstatt auf einem Areal, wo noch sterbliche Überreste sowjetischer Kriegsgefangener liegen. Seit Monaten gräbt hier Landesarchäologin Uta Halle mit ihrem Team. Einen diskreten Ortstermin des Ausschusses habe es bereits gegeben, berichtet der Vorsitzende. "Das Ergebnis der Grabungen wird viel länger dauern", sagt Rohmeyer, "und mit unserem Beschluss wollen wir absolut unangreifbar sein".

Zur Sache

Petitionen an die Bürgerschaft

Alle Bremer können bei der Bürgerschaft schriftlich und formlos Petitionen per Post, Fax oder online einreichen, wenn sie einen Vorschlag machen wollen oder sich ungerecht behandelt fühlen. Der Petitionsausschuss befasst sich jedoch grundsätzlich nicht mit Gerichtsurteilen. Petenten haben die Wahl, ihr Anliegen öffentlich oder nicht-öffentlich vorzutragen. Öffentliche Petitionen können sechs Wochen lang auf der Homepage der Bürgerschaft eingesehen und dort von weiteren Bürgern unterstützt werden.

Alle Petitionen werden gleich behandelt, unabhängig von der Zahl der Unterzeichner. Der Petitionsausschuss bittet den Senat um eine schriftliche Stellungnahme, die zumeist nach etwa vier Wochen vorliegt. Dazu kann sich wiederum der Petent gegenüber dem Ausschuss äußern.

Um den Sachverhalt weiter aufzuklären, kann der Ausschuss Akten einsehen, Behördenvertreter befragen oder Ortstermine wahrnehmen. Seine abschließende Stellungnahme legt er der Bürgerschaft (Landtag oder Stadtbürgerschaft) vor. Das Parlament entscheidet dann, ob die Eingabe dem Senat mit der Bitte um Abhilfe zugeleitet oder als unbegründet zurückgewiesen wird. Im Idealfall findet der Ausschuss schon im Vorfeld eine Lösung zugunsten des oder der Petenten.

Der Ausschuss kann der Verwaltung/Regierung keine Weisung erteilen. Folgt der Senat jedoch nicht einem entsprechenden Beschluss der Bürgerschaft, dann muss er seine ablehnende Haltung mündlich vor dem Ausschuss begründen.

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