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Entschluss gefallen "Russenfriedhof": Bovenschulte ist gegen Gedenkstätte in Oslebshausen

Bei den Grabungen auf dem "Russenfriedhof" in Oslebshausen sind bislang Knochenteile und ein Schädel gefunden worden, aber keine kompletten Leichen. Deshalb ist jetzt ein Entschluss gefallen.
11.11.2021, 06:00 Uhr
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Von Frank Hethey

Die Einrichtung einer Gedenkstätte in Oslebshausen ist so gut wie vom Tisch: Wie aus sicherer Quelle verlautet, hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sich jetzt dagegen entschieden, das Areal des sogenannten Russenfriedhofs an der Reitbrake unter Schutz zu stellen. Stattdessen soll auf dem Friedhof Osterholz als der zentralen Gedenkstätte für alle Kriegsopfer ein Gedenk- und Erinnerungsort geschaffen werden. Die Begründung: Aufgrund der bisherigen Grabungsergebnisse sei der Fund kompletter Leichen mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen. Seinen Entschluss will Bovenschulte am Sonnabend bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Rathaus verkünden.

Bei den Grabungen unter der Leitung von Landesarchäologin Uta Halle sind bislang vereinzelte Knochenteile und ein Schädel geborgen worden. Zudem sind 22 Erkennungsmarken aufgetaucht, mit denen 16 Sowjetsoldaten namentlich identifiziert werden konnten. Von ihnen stammen 14 aus Russland und zwei aus der Ukraine. Die Experten gehen davon aus, dass die menschlichen Überreste wie auch die Erkennungsmarken bei der Umbettung der Leichen im Herbst 1948 zurückgeblieben sind. Demnach würde es sich bei der Grabungsstätte um einen aufgelösten Friedhof handeln - allerdings um einen schlampig aufgelösten Friedhof, wie zu hören ist. Die gefundenen Überreste sollen in Osterholz beigesetzt werden.  

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Inzwischen ist auf dem Grabungsgelände die Hälfte der alten Baustraße entfernt, es lassen sich Spuren von Fuhrwerken und Hufen erkennen. Am 15. November ist witterungsbedingt der Aufbau eines Zelts geplant, dann soll bei jedem einzelnen Grab noch einmal in die Tiefe gegangen werden. Maximal ein Drittel des Grabungsgeländes muss noch untersucht werden, bisher sind dort nur Suchschnitte vorgenommen worden. In der Mitte ist kaum mit Leichenfunden zu rechnen – darauf deutet eine Luftaufnahme vom März 1945 hin. Mehrere Stichproben wurden am Bahndamm vorgenommen, wo man die Sowjetsoldaten beerdigt hatte. Der nördliche Friedhofsbereich mit den dort bestatteten zivilen Zwangsarbeiter existiert zum größten Teil nicht mehr.

Wie lange die Grabungen noch dauern werden, lässt sich nicht eindeutig sagen. Zunächst war der Abschluss der Arbeiten vor Wintereinbruch angepeilt worden, nun könnte es auch bis zum Frühjahr dauern. Wie genau die vorgesehene Gedenkstätte auf dem Osterholzer Friedhof aussehen soll, ist noch unklar. Dem Vernehmen nach soll sie auch an den sogenannten Vernichtungskrieg im Osten erinnern. Bei alledem betont der Senat das Einvernehmen mit russischen und ukrainischen Stellen. Die Generalkonsulate beider Staaten werden auf dem Laufenden gehalten. Wie berichtet, haben sich Studierende aus der Ukraine an den Grabungen beteiligt. 

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Weil der Senat das frühere Friedhofsareal dem französischen Transportkonzern Alstom für den Bau einer Bahnwerkstatt angeboten hat, ist das weitere Vorgehen umstritten. Die Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu sowie das Bremer Friedensforum fordern einen sofortigen Planungsstopp. Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei dem Gelände um eine völkerrechtlich geschützte Kriegsgräberstätte. Wegen der Nähe zu einstigen Lagern für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter halten Bürgerinitiative und Friedensforum die Einrichtung einer Gedenkstätte für angemessen. Unterstützt wird ihre Forderung von der Regierungspartei der Linken.

Nach Hinweisen von Friedensforum und Bürgerinitiative hatte der Senat sich zu Nachforschungen auf dem einstigen Friedhofsareal entschlossen, im August begannen die Grabungen. Uneins ist man sich über den Umfang der Grabungsfläche. Das Team um Landesarchäologin Halle konzentriert sich auf einen 3500 Quadratmeter großen Kernbereich, die Aktivisten fordern die Suche auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern. Für eine solche Ausweitung gibt es aus Expertensicht aber keine stichhaltigen Gründe, da keine Hinweise auf eine Nutzung des Gesamtareals als Friedhof vorliegen.

Die Bürgerinitiative lädt an diesem Donnerstag zu einer Veranstaltung über den aktuellen Stand der Klärschlammverbrennungsanlage und der Bahnwerkstatt ein. Der Infoabend beginnt um 18 Uhr im Bürgerhaus Oslebshausen.

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