Kinder, die noch nie in eine Kita gegangen sind, haben in der Schule oft einen schweren Start. Vor allem dann, wenn sie Sprachprobleme haben. In Bremen gibt es einen enorm hohen Anteil von Kindern mit Sprachförderbedarf – besonders in benachteiligten Stadtteilen. Um diese Kinder besser zu fördern, hat Bremen zuletzt ein sogenanntes Kita-Brückenjahr eingeführt. Doch mit dem neuen Fördermodell wurde in Bremen und Bremerhaven im ersten Durchgang nur ein Teil der Kinder erreicht, für die es gedacht ist. Viele nahmen gar nicht erst am Sprachtest teil. Letztlich bekam in der Stadt Bremen nur jedes zweite Kind ohne Kita-Erfahrung einen Kindergarten-Platz. In Bremerhaven fällt die Bilanz noch schlechter aus.
Das Kita-Brückenjahr bedeutet: Kinder, die mit vier oder fünf Jahren noch nie in einer Kita waren und Sprachprobleme haben, sollen zumindest im letzten Jahr vor der Einschulung verpflichtend in die Kita gehen und einen Kita-Platz mit mindestens 20 Wochenstunden bekommen. Zuletzt hatten laut Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) 15 Prozent aller Bremer Erstklässler noch nie eine Kita besucht, bevor sie in die Schule kamen.
Schon lange müssen in Bremen alle Kinder etwa anderthalb Jahre vor der Einschulung einen Sprachtest machen. Dabei führt der Clown Primo am Computer durch den Test. In der Stadt Bremen wurden 469 Kinder ohne Kita-Erfahrung zum Primo-Sprachtest eingeladen. Aber längst nicht alle nahmen an den Tests teil: Getestet wurden lediglich 289 Kinder (61 Prozent), obwohl es drei Zeitpunkte für den Test gab und Behördenmitarbeiter 50 Familien persönlich besuchten, die sich nicht zurückgemeldet hatten.
Bei 87 Prozent der getesteten Kinder wurde Sprachförderbedarf festgestellt. Aber nur ein Teil von ihnen bekam einen Kita-Platz. Insgesamt bekamen laut Bildungsressort 236 der 469 Nicht-Kita-Kinder einen Kita-Platz. Das ist etwa jedes Zweite. Von 252 Kindern mit Sprachförderbedarf besuchten zuletzt 154 Kinder eine Kita (61 Prozent). Für die unversorgten Kinder suche man weiter nach einem Platz, heißt es von der Behörde.
In Bremerhaven wurden nach Senatsangaben 227 Kinder ohne Kita-Platz zum Sprachtest eingeladen. Am Test nahm nur jedes dritte Kind teil. Obwohl auch hier die Sprachförderquote bei über 80 Prozent lag, bekamen nur 30 der 227 Kinder einen Kita-Platz (13 Prozent).
Grüne: "Armutszeugnis für unsere Gesellschaft"
Grüne und CDU üben scharfe Kritik. "Ich finde es erschreckend, dass es nach den Tests in Bremen, aber insbesondere in Bremerhaven so schlecht gelungen ist, den Kindern einen Kita-Platz zu vermitteln", sagt Solveig Eschen (Grüne), auf deren Initiative das Brückenjahr wesentlich zurück geht. "Wir müssen da noch wesentlich besser werden, wir müssen jedes Kind testen, und ohnehin hat jedes dieser Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Platz." Eschen stellt klar: "15 Prozent Erstklässler ohne Kita-Erfahrung, das ist eine Katastrophe, das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Wir müssen nicht groß darüber spekulieren, warum Kinder keine Abschlüsse schaffen, wenn wir nicht allen Kindern einen guten Start in die Schule ermöglichen."
"Das Kita-Brückenjahr ist ein völliger Flop", sagt Sandra Ahrens (CDU). "Bremen schafft es nicht, alle Kinder ohne Kita-Platz zu testen und auch nicht, ihnen einen Platz zu bieten. Damit kapituliert die linke Regierung vor dem gesellschaftlichen Anspruch, kein Kind zurückzulassen." Zudem müsse das Land Bremen Bremerhaven stärker finanziell unterstützen, damit dort mehr Sprachförderkinder in die Kitas kämen. "Und eigentlich müssen wir die Kinder viel früher testen – mit drei Jahren, zwei Jahre vor der Einschulung", betont Ahrens.
CDU fordert Vorschuljahr
Die CDU erneuert ihre Forderung, in Bremen ein Vorschuljahr nach Hamburger Vorbild einzuführen: "Wäre das ein verpflichtendes Vorschuljahr, dann würden die Kinder am 1. August in der Schule sitzen. Hamburg erfasst alle Eltern und Kinder und bietet ihnen auch einen Platz." Die CDU hatte schon 2021 einen Vorstoß für eine Vorschule gemacht. Der Senat lehnte dies aber ab.
Die Sprachförder-Kinder, die bisher keinen Kita-Platz haben, sollen nun "ein außerinstitutionelles Sprachförderangebot in ihrem Sozialraum" erhalten, heißt es von der Bildungsbehörde. Solche Sprachförderangebote könnten zum Beispiel im Quartiersbildungszentrum Robinsbalje in Huchting oder im Kita-Einstiegshaus in Gröpelingen stattfinden, sagt Behördensprecherin Maike Wiedwald. Zudem könnten die Kinder an dem Programm „Soziales Lernen im Quartier“ (SLiQ) teilnehmen.
Für das Kita-Jahr 2023/24 will das Bildungsressort allen fünfjährigen Kindern aktiv einen Kita-Platz anbieten, ohne dass die Eltern sich um diesen Platz bewerben. Wie das angesichts der fehlenden Kita-Plätze umsetzbar ist, ist noch offen.
Im IQB-Bildungstrend wurde zuletzt deutlich, dass mehr als jeder dritte Bremer Viertklässler die Mindeststandards im Lesen und Rechnen nicht bewältigen kann. Die Autoren der IQB-Studie hoben hervor, wie wichtig gerade für Bremen eine frühe und konsequente Sprachförderung sei.