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Verkehrssenatorin Schaefer über die Domsheide "Das Gesamtkonzept ist finanzierbar und zügig umsetzbar"

Die Frage, wie die Domsheide künftig aussehen soll, sorgt im Bremer Senat seit Monaten für Streit. Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) erklärt, warum man im Moment über Kreuz liegt - und ihre Lösung.
14.12.2021, 20:00 Uhr
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Von Nina Willborn

Frau Schaefer, im Senat schwelt schon länger ein Streit um das Thema Domsheide, zuletzt verknüpft mit dem Ankauf des Nachbargrundstücks der Glocke. Zusätzlich dringt die SPD auf die Machbarkeitsstudie zur Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße in die Martinistraße. Was ist der Stand?

Maike Schaefer: In der aktuellen Senatssitzung war die Domsheide kein Thema. Aber natürlich war sie schon öfter Thema bei den Senatsfrühstücken und bei anderen Zusammentreffen mit den Koalitionsfraktionen. Insgesamt bearbeitet mein Ressort das ganze Thema seit zwei Jahren sehr intensiv, mit sehr vielen Prüfungen von verschiedenen Aspekten. Wir sind entscheidungsreif, und aus meiner Sicht ist eine schnelle Entscheidung wichtig, damit es auch in der Innenstadt weitergehen kann. Zumal jetzt auch der Besitzer der Immobilie Domsheide 3 verkaufen würde. Bei ihm hatten wir damals angefragt, weil wir der Glocke zugesagt hatten, dass wir uns um eine verbesserte rückwärtige Anlieferung kümmern.

Aber nun blockieren doch Sie, wie man hört, genau diesen Ankauf, für den sich Bürgermeister und Kultursenator Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) ausgesprochen haben. Wie passt das zusammen?

Es gibt kein Konzept des Kultur- und des Wirtschaftsressorts für den Ankauf der Domsheide 3. Man will sie erst mal für 3,75 Millionen Euro kaufen. Ich finde, wenn man so ein Gebäude kauft, muss man auch wissen, was man damit konkret machen möchte. Es geht ja um Steuergelder. Es gibt viele Fragen, die noch zu klären sind, unter anderem die Co-Finanzierung für die 40 Millionen Euro vom Bund, die es bisher nicht gibt oder die des künftigen Entfluchtungskonzepts für die Glocke. Auch die Anlieferungsfrage für die Glocke hängt da sehr eng dran und die Frage, wie es künftig vor dem Gebäude aussieht. Deshalb habe ich gesagt, wenn man die Domsheide 3 kauft, muss man die Frage der Haltestelle vor der Glocke zeitgleich klären. Man kann nicht das eine machen und das andere auf Eis legen. Was ich anbiete, ist ein Kompromiss und zugleich ein Gesamtpaket.

Mit welchen Inhalten?

Wir könnten die Anlieferung vor der Glocke regeln, indem man den Parkplatz in der Violenstraße freigibt, um dort die Trucks und Nightliner zu parken. Die Wendeschleife vor der Glocke würde wegfallen, also wäre auch Außengastronomie möglich. Wir würden im zweistelligen Millionenbereich vor der Glocke investieren, zum Beispiel durch den Einbau von Flüsterschienen. Diese Summe kann als Co-Finanzierung für die vom Bund zugesagten 40 Millionen Euro für die Glocke dienen. Bislang gibt es diese Co-Finanzierung nicht. Es ist ein Gesamtkonzept, das der Glocke im Vergleich zum Status quo sehr entgegenkommt.

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Mit der Bedingung, dass die Haltestelle vor die Glocke kommt und nicht in die Balgebrückstraße.

Ja. Dafür müsste man sich entscheiden, auch weil diese Haltestelle wesentlich barrierefreier wäre. Wir sind übrigens auch der Bitte nachgekommen, zu prüfen, ob wir weiter von der Glocke abrücken können. Ein zusätzlicher Meter wäre möglich, dann wäre sie bei den Nebengebäuden knapp zehn Meter von der Hauswand entfernt. Um das Areal aufzuwerten, planen wir einen Wettbewerb mit Architektenkammer, Glocke, Landeskonservator, Stadtplanern. Da soll ja keine 0815-Haltstelle hinkommen. Wenn wir die Umsteigeanlage in die Balgebrückstraße legen, wäre das keine direkte Umfeldverbesserung für die Glocke. Also entfällt das dann auch als Co-Finanzierung für die 40 Millionen Euro vom Bund.

Es heißt, die Möglichkeit eines Dreier-Deals lag auf dem Tisch. Für Sie die Haltestelle vor der Glocke, für die SPD die Machbarkeitsstudie für die Verlegung der Straßenbahn in die Obernstraße und für die Linken der Gebäudekauf. Aber man ist nicht zusammengekommen?

Das ist so. Aus meiner Sicht enthält das Gesamtkonzept viele Lösungsvorschläge, es ist finanzierbar und zügig umsetzbar. Aber es wird im Moment nicht mitgetragen und wieder gefordert, dass man das alles nochmal prüfen müsse. Ich möchte kurz erwähnen, was wir alles geprüft haben: die Entfluchtungssituation, Erschütterungen und Lärm – deswegen wollen wir die Flüsterschienen, also dieses Masse-Feder-System. Es ist auch geprüft worden, sehr intensiv von der Bremer Straßenbahn AG, was eine Verlegung der Straßenbahn aus der Obern- in die Martinistraße für die Haltestellensituation bedeutet. Wir haben Visualisierungen für den Platz mit Haltestellen vorgelegt. Es wird ja zu Recht erwartet, dass wir alles sauber prüfen und Konzepte vorlegen. Aber dann erwarte ich auch, dass es von der anderen Seite auch ein Konzept gibt.

Was ist Ihre Erklärung dafür, dass Ihr Gesamtpaket bei den betreffenden Senatskollegen bislang nicht so positiv ankommt?

Mein letzter Stand dazu ist, dass sich vor allem die Akteure in der Glocke das nicht vorstellen können. Sie möchten am liebsten die Gesamtumfahrung über Altenwall und Tiefer. Das geht aber locker in den dreistelligen Millionenbereich. Diese Summe ist nicht da, auch nicht über den Bund zu finanzieren. Ich glaube, man traut sich im Moment einfach nicht, Fakten zu schaffen mit der Haltestelle vor der Glocke. Dabei wäre sie eine große Chance. Wir hätten eine barrierefreie Haltestelle, das Verkehrschaos an der Balgebrückstraße wäre gelöst, es gäbe keine Lkw mehr vor der Glocke, Flüsterschienen würden den Straßenbahnlärm massiv mindern und wir hätten eine Co-Finanzierung für die Bundesmillionen für ein tolles Konzerthaus. Und zum Thema Straßenbahn: Die BSAG hatte schon deutlich gemacht, dass eine Haltestelle in der Balgebrückstraße eine Verlegung in die Martinistraße so gut wie ausschließt.

Was die Machbarkeitsstudie angeht, haben Sie ja zuletzt trotz vorheriger Zustimmung deutlich gebremst.

Die SPD will diese Machbarkeitsstudie unbedingt haben. Ich wäre ja bereit, sie zu machen. Aber ich habe gesagt, dass jedem die Rahmenbedingungen klar sein müssen: Dann liegen andere Projekte erst mal auf Eis. Das ist keine Drohgebärde, sondern eine realistische Einschätzung. Das wäre vor allem die Planung der Straßenbahn in die Überseestadt. Das ist also eine Frage der Prioritäten. Meine Priorität ist: Ich will in der Innenstadtfrage weiterkommen. Dafür brauchen wir eine Entscheidung zur Haltestelle. Die Machbarkeitsstudie wäre sozusagen ein Zusatzkompromiss, damit alle dem Gesamtpaket Glocke zustimmen können.

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Können Sie verstehen, wenn bei Außenstehenden der Eindruck entsteht, dass es in dieser Frage lange nicht mehr um die Inhalte geht?

Ich stelle mal die Gegenfrage. Haben Sie Verständnis dafür, dass eine so wichtige Frage so lange ausgesetzt wird? Wo fachlich alles geklärt ist. Ich frage mich auch, ob es hier um die Sache geht oder darum, für eine bestimmte Gruppe etwas auszusitzen? Es sind 50.000 Fahrgäste jeden Tag von der aktuellen Situation betroffen. Es geht um Barrierefreiheit und um die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Alternative wäre, die Gleise spätestens 2025 durch normale Gleise auszutauschen. Das kommt keinem zugute. Schon gar nicht der Glocke, weil irgendwann auch die 40 Millionen Euro vom Bund weg sein werden.

Muss man sich grundsätzlich Sorgen um die Koalition machen?

Nein, da muss niemand Sorge haben. In den meisten Themen haben wir ja einen Konsens. Dass es bei ein, zwei Themen einen Dissens gibt, ist normal. Das gab es schon in der Vergangenheit, auch bei Verkehrsthemen. Deshalb ist die Koalition noch lange nicht gefährdet. Aber es ist so, dass wir an diesem Punkt in der gesamten Zeit leider nicht weitergekommen sind.

Das Gespräch führte Nina Willborn.

Zur Person

Maike Schaefer (Grüne)

ist seit August 2019 Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Zuvor war die Biologin Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft.

Zur Sache

Die Frage der Straßenbahn

Die Obernstraße als Fußgängerzone, die Straßenbahn parallel zur Weser: Ob diese Maßnahme eine Belebung der Innenstadt zur Folge hätte, darüber gehen die Meinungen innerhalb der Koalition auseinander. Die SPD ist für eine Machbarkeitsstudie, die Fraktionen von Grünen und Linken sind skeptisch bis ablehnend. Die SPD verknüpft die Machbarkeitsstudie nun mit der Domsheide, will darin erneut das Haltestellen-Thema klären. Grundlage der sozialdemokratischen Argumentation ist die "Strategie Centrum Bremen 2030+" von Verkehrs- und Wirtschaftsressort sowie der Handelskammer.

"In diesem Konzept des Senats steht die Klärung der Machbarkeitsfrage einer Straßenbahnverlegung in die Martinistraße als Handlungspunkt. Das ist für uns ausschlaggebend", sagt SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör. "Deshalb erwarten wir, dass der Senat eine Lösung findet." Als Finanzierungsmöglichkeit für die vom Verkehrsressort mit rund 777.000 Euro bezifferte Studie könne man sich den Zehn-Millionen-Euro-Topf des Aktionsprogramms Innenstadt vorstellen.

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