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Bremer Abwasserentsorgung Wie geht es mit Hansewasser weiter?

Seit 1999 kümmert sich in Bremen Hansewasser um den Betrieb von Kläranlagen und Kanalisation. Bis Ende 2026 könnte die Politik die Partnerschaft kündigen. Doch die Überlegungen sind noch nicht weit gediehen.
27.12.2022, 05:00 Uhr
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Wie geht es mit Hansewasser weiter?
Von Jürgen Theiner

Welche größeren Vorhaben hat das rot-grün-rote Bündnis in seiner  Restlaufzeit bis Mai 2023 noch zu erledigen? Im Koalitionsvertrag sticht vor allem ein Thema heraus, das bisher kaum angegangen wurde: die Zukunft der Abwasserentsorgung. Sie hat unmittelbare Auswirkungen auf alle Bremer Haushalte, denn die politischen Weichenstellungen können sich auf die Höhe der Gebühren auswirken.

Im Sommer 2019 hatten sich SPD, Grüne und Linke eine "grundlegende Entscheidungsfindung in dieser Wahlperiode" zum Ziel gesetzt. Hintergrund: Die Stadt könnte ihre bisherige Partnerschaft mit Hansewasser – dem Betreiber der beiden Kläranlagen und des Kanalnetzes – Ende 2028 auslaufen lassen. Die entsprechenden Verträge müssten in diesem Fall bis Ende 2026 gekündigt werden. Angesichts der Komplexität der Materie und der Frage nach sinnvollen Alternativen braucht eine solche Entscheidung allerdings einen langen Vorlauf. Im Grunde ist die Koalition jetzt schon spät dran.

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Wie ist die Ausgangslage?

Die Unternehmensgeschichte von Hansewasser begann 1999. Damals privatisierte Bremen seine bis dahin kommunale Abwasserentsorgung für rund eine Milliarde Mark. Die Stadt behielt einen 25,1-prozentigen Anteil an der neu gegründeten Hansewasser Bremen GmbH. Hauptgesellschafter wurde die Hansewasser Ver- und Entsorgung GmbH (HVE), hinter der das Bremer Unternehmen SWB und die Gelsenwasser AG stehen. Eine Gewinnbeteiligung vereinbarte die Stadt damals nicht, es fließt nur eine bescheidene Dividende. In der Koalition wird unter anderem dieser Umstand heute als Fehler betrachtet, denn Hansewasser erwirtschaftet jedes Jahr einen zweistelligen Millionengewinn.

Welche Optionen gibt es?

Bremen könnte natürlich alles beim Alten lassen und von seiner Kündigungsoption keinen Gebrauch machen. Ein einfaches "Weiter so" gilt allerdings als ausgeschlossen. Am eindeutigsten haben sich bereits die Linken positioniert. "Wir sagen ganz deutlich Ja zur Rekommunalisierung der Stadtentwässerung", legt sich ihr Finanzpolitiker Klaus-Rainer Rupp fest. Bei der privatwirtschaftlichen Rechtsform von Hansewasser könne es dabei durchaus bleiben, nur wäre die Stadt dann ab 2029 alleiniger Anteilseigner. Das hieße aber auch, dass Bremen bei einer Übernahme etwa ein halbe Milliarde Euro für das Sachvermögen bezahlen müsste. Für Klaus-Rainer Rupp ist das durchaus machbar, auch ohne Gebührenerhöhung. Denn nach seiner Lesart zahlen die Bremer Haushalte bisher zu viel für die Entsorgung ihrer Abwässer. Die Gebührenüberschüsse könnten demnach dafür verwendet werden, die Übernahmekosten über einen längeren Zeitraum abzustottern.

SPD-Haushaltsexperte Arno Gottschalk will sich noch nicht festlegen. "Unbestritten hat Hansewasser bisher einen guten Job gemacht", lobt der Sozialdemokrat den Netzbetreiber. Ihn ärgert der inzwischen spürbare  Zeitdruck. Das mögliche Kündigungsdatum 2026 klinge zwar noch weit weg. Doch das sei eine Fehleinschätzung. Für eine fundierte politische Entscheidung zur Zukunft der Stadtentwässerung brauche es unter anderem eine sorgfältige gutachterliche Vorbereitung. Nichts davon sei bisher von der Verwaltung in Angriff genommen worden. Aus Gottschalks Sicht gibt es drei überlegenswerte Optionen. Die Stadt könnte – wie vor vier Jahren bei der Müllabfuhr – 49,9 Prozent der Anteile an Hansewasser übernehmen und sich dadurch eine stärkere Stellung sichern. "Wenn wir unternehmerisch den Hut aufhaben wollen, könnten es auch 50,1 Prozent sein", benennt Gottschalk die zwei Option. Eine dritte wäre die vollständige Übernahme, "aber dazu neigen wir eher nicht". Wichtig sei, dass nun so schnell wie möglich Entscheidungsgrundlagen erarbeitet werden.

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Und die Grünen? Auch sie sind noch nicht festgelegt, wollen aber erreichen, "dass Bremen seinen Einfluss bei der Stadtentwässerung stärkt und mehr für seinen Anteil bekommt", wie es der umweltpolitische Sprecher Ralph Saxe ausdrückt. Er kritisiert Tendenzen bei Hansewasser, unternehmerische Aktivitäten in die Beteiligungsgesellschaft HVE auszulagern, wie es etwa bei der Oslebshauser Klärschlammverbrennung oder bei Serviceleistungen für andere Unternehmen im Bremer Umland zu beobachten sei. Das trage nicht dazu bei, das Klima für den anstehenden Dialog über die Zukunft der Stadtentwässerung zu verbessern.

Wie positioniert sich Hansewasser?

Das Unternehmen mit Sitz in der Überseestadt hat ein hohes Interesse daran, dass sich seine Perspektiven möglichst rasch klären. Das hat auch  mit langfristigen Investitionsentscheidungen und mit Personalplanung zu tun. "Wir müssen in den nächsten sieben Jahren circa 150 Mitarbeiter ersetzen. Da weiß man natürlich gern, woran man ist", sagt Ekkehart Siering. Der Hansewasser-Geschäftsführer war bis vor drei Jahren Staatsrat im Wirtschaftsressort. Er ist in der Politik noch bestens vernetzt und weiß, wie langsam die Mühlen dort mahlen können. Siering hofft, dass die städtische Seite bald zu einer inhaltlichen Position findet, über die man sich austauschen kann. "Für die Gestaltung der Zukunft von Hansewasser ist es wichtig, dass wir im Gespräch bleiben, also mit uns gesprochen wird und nicht über uns", sagt Siering. Eines seiner Hauptargumente: Über lange Jahre konnte der Entsorger weitgehende Gebührenstabilität bieten. Während der Verbraucherpreisindex seit 1999 um knapp 40 Prozent zulegte, sind es beim Bremer Abwasser 8,65 Prozent – und da ist die beschlossene Anhebung zum 1. Januar 2023 schon drin.

Zur Sache

Bremer Abwassergebühr

Die Abwassergebühr für Privathaushalte liegt in Bremen seit 2020 bei 2,54 Euro pro Kubikmeter, zu Beginn des neuen Jahres steigt sie durch einen entsprechenden Bürgerschaftsbeschluss auf 2,89 Euro. Bei einem rechnerischen Durchschnittsverbrauch von 121 Litern pro Tag liegt die Höhe der Jahresgebühr für einen Zwei-Personen-Haushalt bisher bei 224,36 Euro, für einen Vier-Personen-Haushalt bei 448,72 Euro. Nach der Gebührenerhöhung zum 1. Januar wird ein durchschnittlicher Zwei-Personen-Haushalt 255,21 Euro pro Jahr zahlen, ein Vier-Personen-Haushalt ist mit 510,42 Euro dabei.

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