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Bildungspolitik Die unendliche Gründungsgeschichte

Bremens Schülerinnen und Schüler schneiden in Vergleichstest schlecht ab. Die Ursachen kann man nicht über Nacht verändern. Aber dass es immer noch kein Qualitätsinstitut gibt, ist fatal, meint Silke Hellwig.
21.08.2021, 20:00 Uhr
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Die unendliche Gründungsgeschichte
Von Silke Hellwig

Böswillige könnten den Namen gegen die bremische Bildungspolitik verwenden: Institut für Qualitätsentwicklung im Land Bremen (IQHB). Qualität in bremischen Schulen zu entwickeln, ist dringend nötig, sollte man meinen. Entsprechende Stellen seien besetzt, Untersuchungen angegangen worden, heißt es. Doch die Ausgründung des IQHB lässt weiter auf sich warten. Sein Konzept wird offenbar zurechtgebogen – mit dem Wechsel an der Spitze des Bildungsressorts wird die Unabhängigkeit des Instituts infrage gestellt. Übersetzt heißt das: bloß nicht zu viele Freiheiten für die Wissenschaftler. Schließlich könnten sie den Finger in die Wunde legen, mit der Sprache herausrücken, unliebsame Ansichten vertreten.

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Obwohl das schon seit Langem nicht mehr nötig wäre, hat der jüngste Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) Bremen einmal mehr attestiert, dass es mit der Qualität seiner schulischen Bildung nicht allzu weit her sein kann. Bremen belegt unter 16 Ländern den 16. Platz. Unter lauter Leuchten die kleinste zu sein, ist keine Schande. Wenn es doch in diesem Fall nur so wäre. Dann könnten Bildungspolitikerinnen und -politiker argumentieren wie Außenseiter im Sport: Irgendwer muss der Letzte sein. Allerdings verdeutlichen aktuelle Lernstandserhebungen, dass es keinerlei Anlass für Unbekümmertheit gibt. Im Gegenteil: Es muss jedem Verantwortlichen größten Kummer bereiten, dass manche Kinder in Kernkompetenzen wie Lesen und Rechnen nicht die Mindeststandards erreichen, die sie am Ende der Grundschule erreicht haben müssen.

Zweifellos gibt es in Bremen schon immer hervorragende Schulen und blitzgescheite Schülerinnen und Schüler – von engagierten Lehrkräften und Schulleiterinnen und -leitern ganz zu schweigen. Es sind Mädchen und Jungen aus benachteiligten Familien, die oft nicht mitkommen und die das bremische Bildungssystem im Stich lässt. Wie sollen Kinder, die nach der vierten Klasse nicht richtig lesen und rechnen können, den Rückstand in ihrer weiteren Laufbahn aufholen? Wie sollen sie der Armutsspirale entkommen? Die bremische Sozialdemokratie, die für sich das Leitbild soziale Gerechtigkeit in Anspruch nimmt, duldet das seit Jahrzehnten. Sie waren es nicht allein, ihre Koalitionspartner duldeten und dulden mit. Aber macht es das besser? 

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Auch andere Stadtstaaten werden mit schulischen Problemen konfrontiert, unter denen Flächenländern weniger leiden. Deshalb sind Berlin, Hamburg und Bremen in Ländervergleichen benachteiligt, stimmt. Aber in Hamburg wurden in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Das Land steht im INSM-Bildungsranking auf Platz 3. Als eine der Ursachen gilt die Arbeit des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ).

2017 berichtete diese Zeitung: „Die SPD fordert eine neue Form der Schulaufsicht.“ Mustafa Güngör, damals noch SPD-Bildungspolitiker und nicht Fraktionschef, forderte ein „unabhängiges, externes Institut“ zur Qualitätsverbesserung – wie das in Hamburg. Im Juli 2020 war zu lesen: „Qualitätsinstitut für Bremer Schulen soll im September kommen“. Im Oktober 2020 hieß es: „Das geplante Institut für Qualitätsentwicklung im Land Bremen ist noch nicht aus der Taufe gehoben, die Leitungsstelle zwar ausgeschrieben, aber noch nicht besetzt.“ Im Juni dieses Jahres: „Wie aus dem Bildungsressort zu vernehmen ist, sind mittlerweile sämtliche Stellen besetzt, die ,Ausgründung‘ sei in vollem Gange.“ Vor wenigen Tagen war der Stand: „Bei der Formierung des Instituts für Qualitätsentwicklung im Land Bremen gibt es weitere Verzögerungen.“ 

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Das Hamburger IfBQ nahm seine Arbeit vor 14 Jahren auf. Mit unerschütterlichem Optimismus einmal angenommen, das bremische Gegenstück würde tatsächlich noch binnen Jahresende gegründet, als unabhängige Institution – wie geplant und zwingend notwendig ... rein rechnerisch könnte sich Bremen bis 2035 im INSM-Bildungsmonitor ins Mittelfeld vorarbeiten. Hamburg hat dort 2007 begonnen, um 2021 zu den Besten zu gehören. Das wäre für Bremen also etwa 2049 möglich. Rein theoretisch.

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