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Primo-Tests 2024 Jedes zweite Kind in Bremen hat große Sprachprobleme

Neue Daten zeigen: Weiterhin hat jedes zweite Kind in Bremen Sprachförderbedarf. Bremen setzt jetzt auf frühere Sprachtests in Kitas. Expertinnen begrüßen diesen Plan, fordern aber weitere Schritte.
26.06.2025, 05:00 Uhr
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Jedes zweite Kind in Bremen hat große Sprachprobleme
Von Sara Sundermann

In Bremen hat fast jedes zweite Vorschulkind große sprachliche Probleme. Alle Kinder werden zu den sogenannten Primo-Tests eingeladen, und zwar zweimal: zunächst im Vorschulalter und später noch einmal nach der Einschulung. Jetzt sind die Ergebnisse der Tests von 2024 da. Sie zeigen: In der Stadt Bremen wurde bei 48,5 Prozent der Vorschulkinder ein Sprachförderbedarf festgestellt.

Damit ist der hohe Wert der Vorjahre noch einmal übertroffen worden – 2023 lag die Quote bei 47,9 Prozent. In Stadtteilen mit geballten sozialen Problemen sind die Werte noch deutlich höher: In Gröpelingen (74 Prozent), Blumenthal (69 Prozent), Huchting (67 Prozent) hat die Mehrheit der Kinder Probleme mit der Sprache. In Borgfeld, Schwachhausen und Oberneuland liegt die Quote dagegen unter zehn Prozent.

Größere Probleme in Bremerhaven

In Bremerhaven sind die Probleme noch größer: Dort wurde zwei Dritteln (65,2 Prozent) der Vorschulkinder Sprachförderbedarf bescheinigt. Den höchsten Wert hat der Stadtteil Geestemünde mit 76 Prozent.

Als Hauptursachen gelten, dass einerseits viele Kinder in ihren Familien nur wenig gefördert werden – zum Beispiel, weil die Eltern selbst nie erlebt haben, wie wichtig vorlesen ist oder weil sie durch andere Probleme stark belastet sind. Andererseits gibt es im Land Bremen viele Kinder, die zu Hause mit einer anderen Muttersprache aufwachsen und erst in der Kita mehr Deutsch lernen.

Zuletzt hatte Bremen in einigen Stadtteilen die Sprachtests für Vorschulkinder zeitlich vorgezogen und zudem in Kitas statt in Schulen durchgeführt (wir berichteten). Mehr Kinder werden jetzt also bereits mit vier und nicht erst mit fünf Jahren getestet. Das ist der Plan des Bremer Instituts für Qualitätsentwicklung IQHB – zunächst als Pilotprojekt an 16 von über 300 Kitas in der Stadt.

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Brückenjahr für Kinder mit Förderbedarf

Kinder, denen Sprachförderbedarf attestiert wird, sollen von der Bildungsbehörde in einer Kita angemeldet werden, um dort zumindest ein Jahr lang vor der Einschulung sprachlich aufzuholen. Das ist das sogenannte Kita-Brückenjahr, mit dem man insbesondere Kinder erreichen will, die noch nie eine Kita besucht haben.

Sprachwissenschaftler, Pädagogen und Bildungspolitikerinnen verschiedener Parteien fordern seit Jahren, mit den Tests und der Förderung deutlich früher anzusetzen. Eine von ihnen ist Professorin Anja Starke von der Universität Bremen. Sie begrüßt die vorgezogenen Sprachtests: „Eine frühere Testung als das, was wir bisher machen, ist sehr viel sinnvoller.“ Starke verweist darauf, dass in Hamburg schon lange früher getestet werde.

Ein Sprachförderbedarf kann gut ausgebildeten Erzieherinnen schon früher auffallen – auch schon bei zwei oder drei Jahre alten Kindern, so Starke. Kinder erst mit vier Jahren zu testen, hält sie dennoch für eine gute Idee. „Vier ist ein ganz gutes Alter, gerade weil wir es in Bremen mit vielen Kindern zu tun haben, die zu Hause eine andere Sprache hören.“ Wenn Kinder, die kaum Deutsch sprächen, beispielsweise mit drei in die Kita kämen, mache es wenig Sinn, mit ihnen nur wenige Wochen später einen Test in der neuen Sprache zu machen, so die Professorin für inklusive Pädagogik.

Zeit gewinnen durch frühere Tests

Wenn man mit den Sprachtests etwas früher ansetze, gewinne man Zeit, den Kita-Besuch besser zu organisieren, sagt Maresi Lassek vom Bremer Grundschulverband. „Es ist ein Problem, wenn der Primo-Test erst in dem Vierteljahr vor den Sommerferien kommt – dann in der Kürze der Zeit noch einen Kita-Platz zu bekommen, ist oft schwierig“, so Lassen. Durch die leicht vorgezogene Testung könne man also schon etwas erreichen – der Effekt werde aber nicht riesengroß sein.

Lassek verweist darauf, dass Bremen zuletzt bei der Quote der betreuten Kinder sowohl in der Gruppe der Null- bis Dreijährigen als auch in der Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen bundesweit Schlusslicht war. In keinem anderen Bundesland gehen so wenige Kinder in die Kita wie in Bremen. „Da steht Bremen schlecht da“, sagt Lassek, auch wenn es in diesem Jahr offenbar eine leichte Entspannung bei den Kita-Plätzen gebe. „Diese schlechte Ausgangslage bei den Kitas ist in Bremen gekoppelt mit der höchsten Armutsquote und einer großen Zahl von Kindern mit einer anderen Muttersprache“, so Lassek.

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Es wäre letztendlich wünschenswert, die Kinder, die kaum Deutsch sprechen, viel früher zu erreichen, ist die ehemalige Schulleiterin überzeugt. „Im Grunde muss man Kinder von Geburt an begleiten, wie manche skandinavische Länder das ja erfolgreich machen, das wäre der effektivste Weg.“ Man müsse den Eltern früh vermitteln, wie wichtig ­Sprache sei: „Sprecht mit eurem Kind, lest eurem Kind Bücher vor!“

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