Mehr als zufrieden konnten die Konstrukteure des Militärtransporters Transall am 4. Mai 1963 sein. Der Koloss mit einem Gewicht von 43 Tonnen und einer Flügelspannweite von 40 Metern habe bei seinem Erstflug "vor einem kritischen internationalen Publikum" im französischen Istres wahre Flugkunststücke vollführt, teilte der WESER-KURIER mit. Dass in Bremen ein so reges Interesse an der neuen Maschine herrschte, hatte gute Gründe: Die Transall war eine deutsch-französische Koproduktion unter maßgeblicher Beteiligung des Bremer Unternehmens Weser Flugzeugbau, kurz: Weserflug.
Mit der Transall war erstmals nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder ein Flugzeug in Bremen konstruiert worden. Allerdings nicht nur in Bremen. Bei der Entwicklung der Maschine hatten Ingenieure von Weserflug und der französischen Firma Nord-Aviation (NA) seit 1959 eng zusammengearbeitet und damit ihre Kooperation beim Lizenzbau des Transall-Vorgängers Noratlas fortgesetzt. Bei dem Großprojekt mischten schließlich vier Firmen mit, drei aus Deutschland, eine aus Frankreich. Davon leitet sich auch die Bezeichnung Transall ab, eine Abkürzung für Transporter Allianz. In Bremen wurden der Hauptrumpf und das Höhenleitwerk gebaut.
Dass der Flugzeugbau in Bremen jemals wieder auf die Beine kommen würde, war nach Kriegsende keineswegs eine ausgemachte Sache. Die beiden Flugzeugbauer Focke-Wulf und Weserflug hatten bis 1945 in beträchtlichem Umfang Militärmaschinen geliefert, Bremen war damals ein führender Standort des militärischen Flugzeugbaus. Davon konnte nach der deutschen Kapitulation natürlich keine Rede mehr sein. Nicht nur der militärische, auch der zivile Flugzeugbau war in Deutschland verboten. Die teils schwer zerstörten oder von Demontage bedrohten Werksanlagen schienen als Produktionsstätten von Flugzeugen keine Zukunft zu haben.
Mit dieser prekären Situation gingen die übrig gebliebenen Belegschaften bemerkenswert pragmatisch um, innerhalb kürzester Zeit stellten sie auf Friedensproduktion um. Bereits im Sommer 1945 gründeten sich zwei Nachfolgefirmen: Aus Focke-Wulf wurde die Firma Fahrzeug- und Gerätebau, aus Weserflug die Weser-Metall und Bauindustrie. Statt Kampfflugzeuge fertigten die ehemaligen Flugzeugbauer jetzt Stahlblechöfen oder Kochkisten aus dem Restmaterial vergangener Tage. "Noch bis in die 1970er-Jahre wurden Wohnungen nach Flugzeug-Gesichtspunkten gebaut", berichtet Horst Becker vom Luftfahrtverein Bremer Airbe.
Ein erster Schritt zurück ins angestammte Tätigkeitsfeld war die Freigabe des Segelflugzeugbaus im Juni 1951. Unter seinem alten Firmennamen stellte Focke-Wulf zwei Modelle her, die Weihe 50 und den Kranich III. Von beiden Flugzeugen wurden bis 1957 allerdings nur etwa 50 Stück produziert – "ein bescheidener Erfolg", urteilen die Experten Hartmut Pophanken und Hartmut Roder. Als Sackgasse erwies sich auch der Helikopterbau. In den 1950er-Jahren galt der Helikopter eine Zeitlang als Nahverkehrsmittel der Zukunft. Der Bremer Autobauer Carl W. Borgward und Focke-Wulf tüftelten gemeinsam an dem Leichthubschrauber "Kolibri". Doch mit der Borgward-Pleite war der Traum 1961 ausgeträumt.
Mit Beginn des Kalten Krieges wuchsen die Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme des heimischen Flugzeugbaus, hinter den Kulissen betrieb der Senat unter Bürgermeister Wilhelm Kaisen (SPD) eifrig Lobbyarbeit. Dass der Flugzeugbau im Rahmen einer deutschen Wiederbewaffnung einen militärischen Charakter haben würde, stand von Anfang an außer Frage. Der bundesdeutsche Nato-Beitritt im Mai 1955 eröffnete dann völlig neue Perspektiven. Ein moralisches Dilemma erkannten die Beteiligten darin nicht. "Ich sehe in unserer Arbeit keine Rüstung, sondern den Anschluss an die Luftfahrtindustrie der Welt", erklärte Weserflug-Direktor Hans Pasche im August 1956.

Testflug des Kolibri 1959 über den Borgward-Werken in Bremen-Sebaldsbrück.
Zunächst ging es aber nicht um eigene Produktionen. Vielmehr stiegen die beiden Bremer Flugzeugbauer im Auftrag der Bundeswehr in den Lizenzbau ausländischer Maschinen ein. Focke-Wulf stellte das italienische Schul- und Reiseflugzeug Piaggo P 149 her und beteiligte sich wie auch Weserflug am Bau des einstrahligen Kampfflugzeugs Lockheed F-104 "Starfighter". Hinzu kamen Wartungs- und Betreuungsaufträge für verschiedene Flugzeugmuster von Luftwaffe und Marine. Zwar spielte der einstige Focke-Wulf-Chefkonstrukteur Kurt Tank in Deutschland keine Rolle mehr, dafür aber ein beträchtlicher Teil seines früheren Teams. Zwölf Jahre nach Kriegsende "produzierte in weitgehender personeller Kontinuität die bremische Luftfahrtindustrie wiederum überwiegend Rüstungsgerät", konstatieren Pophanken und Roder.
Doch so richtig erholen konnte sich Focke-Wulf nie wieder. Der traditionsreiche Flugzeugbauer sei in den Nachkriegsjahren ein "reiner Zulieferbetrieb geblieben", lautet das wenig schmeichelhafte Urteil von Pophanken und Roder. Eine vielleicht nicht ganz gerechte Einschätzung. Stand Focke-Wulf bei der Entwicklung senkrechtstartender Verkehrsflugzeuge doch "in der ersten Linie", wie der Historiker Lutz Budraß feststellt. Gleichwohl konnte Weserflug mehr Gewicht in die Waagschale werfen. Zumal die Federführung des gesamten Transall-Projekts in den Händen des Bremer Unternehmens und nicht seines französischen Partners lag. Der zweite Prototyp des Schulterdeckers hob am 25. Mai 1963 vom Werksflughafen in Lemwerder zu seinem Erstflug ab. Freilich dauerte es noch vier Jahre, ehe die ersten Transall-Maschinen an die französische Luftwaffe ausgeliefert wurden. Von 1965 bis 1985 wurden insgesamt 214 Maschinen gebaut. Die deutsche Luftwaffe musterte 2021 ihre letzte Transall aus.
Ein halbes Jahr nach dem deutschen Erstflug der Transall schlossen sich Focke-Wulf und Weserflug zusammen, der neue Firmenname lautete "Vereinigte Flugtechnische Werke" (VFW) – die Fusion fand am 12. November 1963 statt und nicht 1961, wie es verschiedentlich heißt. Der Festakt fand in der Villa Hügel in Essen statt, dem früheren Wohnhaus der Familie Krupp, dem Hauptanteilseigner von Weserflug. Von gleichberechtigten Partnern konnte indessen keine Rede sein, in Wahrheit schluckte Weserflug seinen Mitbewerber. "Focke-Wulf gliedert sich mit seinem gesamten gewerblichen Betrieb in die bisherige 'Weser' Flugzeugbau ein", meldete denn auch der WESER-KURIER. Bei der Entwicklung eines Vertikalstartenden Aufklärungs- und Kampfflugzeugs, der VAK 191 B, konnte das neue Unternehmen aber immerhin von der Focke-Wulf-Expertise profitieren – auch wenn das Projekt Ende der 1960er-Jahre wegen knapper Mittel im Budget des Bundesverteidigungsministeriums eingestampft wurde.
Obschon der militärische Flugzeugbau der Schrittmacher war, gab es auch die zivile Komponente. Oft genug bedingte sich beides. Für Zeiten ausbleibender Militäraufträge war es sogar erwünscht, doppelgleisig zu denken – also denselben Flugzeugtyp für eine militärische wie auch eine zivile Nutzung zu konzipieren. Das zeigt sich ganz besonders am Beispiel der legendären VFW 614, dem ausschließlich in Bremen entwickelten und gebauten zweistrahligen Düsenflugzeug. Zunächst war die Maschine laut Budraß als "kleiner Militärtransporter" gedacht, als "Buschflugzeug" für Länder im globalen Süden. Zum Schutz vor Steinschlag auf unbefestigten Pisten waren die Triebwerke auf statt unter den Tragflächen angebracht. Von 1963 bis 1967 sei das Projekt vollständig überarbeitet worden, so Budraß, der "eher rustikale Militärtransporter" habe sich "in einen schönen Schwan verwandelt".
In dieser Phase schien Bremen als eigenständiger Standort des Flugzeugbaus gut aufgestellt zu sein, zumal VFW ab 1965 auch am europäischen Airbus-Projekt beteiligt war, konkret: als Zentrum für die Flügelausrüstung. Die VFW 614 galt Budraß zufolge "als zweites Großprojekt der deutschen Industrie neben dem Airbus". Doch die großen Erwartungen erfüllten sich nicht, von der VFW 614 konnten nur 16 Flugzeuge verkauft werden. Dabei erwies sich die 1969 erfolgte Fusion mit dem niederländischen Flugzeugbauer Fokker zu VFW-Fokker als eher hinderlich. Als das VFW-Projekt 1977 eingestellt wurde, geriet das gesamte Unternehmen in eine handfeste Krise. Nach der Trennung von Fokker fusionierte VFW im Dezember 1980 mit Messerschmitt-Bölkow-Blohm zu MBB. "Mit dieser Verschmelzung war das Ende eines von Bremen aus unternehmerisch gesteuerten Flugzeugbaus gekommen", schreiben Pophanken und Roder. Geblieben ist dagegen Airbus. Mit rund 4500 Beschäftigten ist Bremen heute der zweitgrößte Airbus-Standort in Deutschland.