Der Bremer Freimarkt geht mit der Zeit. Wer einen kulinarischen Rundgang unternimmt und danach Ausschau hält, wie sich die Küche verändert hat, wird das merken. Pferdewurst bei Sonnenberg, Schweinshaxe im Bayernzelt oder Schmalzkuchen an einem der zahlreichen Stände – für viele Besucherinnen und Besucher gehören die tierischen Spezialitäten zum Freimarkt dazu wie Riesenrad oder Karussell. Doch die Nachfrage ist vielfältiger geworden, viele Menschen verzichten lieber auf Tierprodukte, andere vertragen manche Zutaten nicht.

Tomaten und Oliven gehören zu den Belägen auf Karows Pitas, in der vegetarischen Variante auch Käse.
Eine, die ihr Angebot an die Bedürfnisse der Freimarktgänger angepasst hat, ist Tanja Heine. Sie betreibt einen Crêpes-Stand und verkauft die französischen Pfannkuchen in süß und herzhaft – und das eben auch mit Mandel- statt Kuhmilch, mit Eiersatz statt richtigen Eiern und mit selbst gemachter, veganer Nuss-Nougat-Creme. Für die, die kein Gluten vertragen bietet sie Galette mit Buchweizen an oder benutzt Dinkelmehl anstelle von Weizen. "Wir hätten nicht gedacht, dass diese Crêpes so gut angenommen werden", ist sie selbst überrascht. Aber schon 2019 hätten einige Kundinnen und Kunden nach veganen Alternativen gefragt. Die Corona-Zeit hat Heine dann dafür genutzt, ihre Rezepte weiterzuentwickeln. "Das war gar nicht so einfach, weil der Teig mit Buchweizen deutlich schneller zerfällt." Auch die Beläge hat sie weiter angepasst, mit Hummus aus Kichererbsen oder einer selbst gemachten Avocado-Creme. Aber sie verkauft auch weiterhin Varianten mit klassischem Teig und Parmaschinken oder Lachs als Füllung.
"Was es damals gab, gibt es auch heute noch", sagt Rudolf Robrahn, Vorsitzender des Bremer Schaustellerverbandes, über das kulinarische Angebot auf dem Freimarkt. Und darüber freue er sich. "Ich fände es nicht gut, wenn es ausschließlich veganes oder vegetarisches Essen gäbe. Aber die Zeit ist auch auf dem Freimarkt nicht stehen geblieben und das Angebot wird vielfältiger", sagt er. "Das braucht es auch, weil viele Menschen gerade wegen der Kulinarik herkommen." Besonders junge Besucherinnen und Besucher würden veganes oder vegetarisches Essen bevorzugen. Was er in diesem Jahr schade findet: Dass es keine halbe Ente zu kaufen gibt. "Das fehlt mir schon." Fragt man im Bayernzelt nach, liegt das aber daran, dass die Karte deutlich verkleinert wurde.

Der Teig ist nicht immer vegan: Langos in der vegetarischen Form.
Der Stand von Dana Karow lässt schon von weitem erahnen, dass es hier vor allem vegetarische und vegane Kost gibt. Dort reihen sich bunt belegte Brote nebeneinander, der Name "Karows grüne Küche" ist Programm. Die Pitas sind mit Zucchinistreifen, Paprika oder Feigen belegt, alle Varianten gibt es auch mit veganem Brot, das Karow und ihre Mitarbeiterinnen im Gegensatz zum Teig mit Ei vor Ort backen. Ein Probiertest zeigt: Der Teig ohne Ei ist weniger fluffig als der nicht-vegane, aber der Belag mit veganem Schafskäse schmeckt täuschend echt. "Manche Menschen lassen sich abschrecken, wenn sie lesen, dass es hier veganes und vegetarisches Essen gibt", hat Karow beobachtet. Sie reist mit ihrem Stand regelmäßig in andere Städte, aber: "Gerade in Bremen ist die Nachfrage nach den veganen Pitas wahnsinnig hoch." Und sie werde von Jahr zu Jahr größer.
Zu den Klassikern auf dem Freimarkt gehört der Schmalzkuchen. Traditionell wird er in Schweineschmalz gebacken. Inzwischen nutzen die meisten Stände Pflanzenfett, aber doch kommt in den Teig häufig Ei oder Milch hinein. Bei Katja Stieg ist das anders: Das "Vegan"-Label der Europäischen Vegetarier-Union ist auf ihrem Stand deutlich zu lesen. "Die Leute wollen vegan, das merkt man", sagt sie. Das Rezept musste sie gar nicht neu entwickeln, das habe sie von ihrem Großvater. Stieg ist der Meinung, dass ruhig mehr Stände mit ihrer veganen und vegetarischen Kost werben könnten. Denn es gibt auch welche, die nicht mit ihrer veganen Küche werben: Die Churros von Philipp Fertig etwa enthalten auch keine Tierprodukte. Das erfahren Besucher aber erst, wenn sie ihn fragen.

Vegane Schmalzkuchen hat Katja Stieg im Angebot.
Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass nun weniger Fleisch auf dem Freimarkt verzehrt wird. Im Bayernzelt jedenfalls ist laut Koch Gerry Steinhauer das Gegenteil der Fall. Die Karte gibt weiterhin Schweinshaxe, Nürnberger Rostbratwürste oder Leberkäse her – und die Fleischgerichte werden ihm zufolge häufiger bestellt als früher.