Bei der Notfallversorgung an den Bremer Kliniken kommt es zunehmend zu Engpässen. Ein hohes Patientenaufkommen trifft auf geschwächte Kapazitäten in den Krankenhäusern, deren Personal durch Corona-Ansteckungen, stressbedingte Ausfälle sowie Abwanderung ausgedünnt ist. Von einer „angespannten und ernsten Situation“ in den Notaufnahmen spricht der Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft (HBKG), Uwe Zimmer.
Das Thema beschäftigt nicht nur die Verantwortlichen der stationären Gesundheitsversorgung in Bremen, sondern bundesweit. Vor wenigen Wochen hat die Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) mit einer Blitzumfrage an 362 Krankenhäusern mit Notfallversorgung den Blick auf das Problem gerichtet. Zentrale Aussage der Erhebung: Zwei Drittel der Notaufnahmen waren am Stichtag 5. Juli gefährlich überbelegt, 98,6 Prozent der Notaufnahmen litten unter Personalmangel. Zum einen, weil pflegerische oder ärztliche Stellen nicht besetzt waren, zum anderen wegen hoher Krankenstände oder vieler Corona-Quarantänefälle beim Personal. Mehr als die Hälfte der befragten Klinik-Notaufnahmen hatten sich deshalb am Tag der Umfrage bei der jeweiligen regionalen Rettungsleitstelle zeitweilig „abgemeldet“, also signalisiert: Wir können niemanden mehr aufnehmen.
Das eigentliche Problem ist dabei oft nicht der Notaufnahmebereich an sich, sondern der Engpass auf nachgelagerten Stationen, vor allem in der Inneren Medizin und der Chirurgie. Patienten können nicht dorthin verlegt werden, sie stauen sich gewissermaßen in der Notaufnahme. Verzögerte Diagnostik und Behandlungsabläufe können in solchen Fällen gravierende Folgen für die erkrankten beziehungsweise verletzten Personen haben. Teilweise wird auch ein Weitertransport in andere Krankenhäuser erforderlich, was wiederum die Kapazitäten der Rettungsdienste zusätzlich strapaziert.
In Bremen gibt es für die Kliniken das digitale Informationssystem Ivena, das unter anderem den Rettungsdienst-Disponenten der Berufsfeuerwehr anzeigt, über welche Ressourcen die Kliniken in ihren diversen medizinischen Fachbereichen aktuell verfügen. Ist dort beispielsweise die Innere Medizin am Klinikum Ost mit Rot markiert, bedeutet das: Alles belegt, Krankenwagen sollten andere Häuser ansteuern.
In den vergangenen Monaten ist es nach Informationen des WESER-KURIER sehr häufig vorgekommen, dass sämtliche Bremer Kliniken ihre Innere Medizin bei Ivena auf Rot geschaltet, also abgemeldet hatten. „In einem solchen Fall fahren die Rettungswagen trotz Versorgungsengpass geeignete Notaufnahmen an. Das verschlimmert dort natürlich letztendlich die Überlastungssituation“, sagt die Sprecherin des Rotes-Kreuz-Krankenhauses, Dorothee Weihe. Matthias Lueken, Leiter der zentralen interdisziplinären Notaufnahme am St.-Joseph-Stift, drückt es so aus: „Es gilt: wenn alle rot, dann alle grün.“ Die Notfallversorgung im Stadtgebiet sei also auch bei Engpässen grundsätzlich gewährleistet. „Für Unmut und räumliche Engpässe sorgen dann allerdings die bereits medizinisch versorgten Patientinnen und Patienten, die auf ein Bett warten oder sogar ins Umland verlegt werden müssen.“
Was es bedeutet, wenn in Bremen die Kapazitäten erschöpft sind, merkt man unter anderem im Delme-Klinikum Delmenhorst (DKD). Dort ist Thomas Vogel ärztlicher Leiter der Notaufnahme. Sie wird häufiger von Krankenwagen aus Huchting angesteuert, vor allem aber von Krankentransporten aus der Wesermarsch oder dem Landkreis Diepholz, also dem Bremer Umland. Rettungswagenbesatzungen aus diesen Regionen steuern die Krankenhäuser des Oberzentrums häufig gar nicht mehr an. „Das führt dann auch bei uns zu Überlastungen, und wir müssen uns ebenfalls abmelden. Solche Wellen setzen sich bis nach Oldenburg und darüber hinaus fort“, erläutert Vogel.
HBKG-Chef Zimmer sieht Abhilfe höchstens auf mittlere Sicht, denn an der Personalknappheit gerade im pflegerischen Bereich lasse sich auf die Schnelle nichts ändern. Kurzfristig seien die Bremer Kliniken dabei, die Auslastungsanzeigen im Ivena-System stärker zu differenzieren. „Wir versuchen, besser zu klären: Wie rot ist eigentlich Rot?“, sagt Uwe Zimmer. Soll heißen: Wenn sich etwa alle internistischen Abteilungen im Stadtgebiet abgemeldet haben, sollte ein Krankenwagen nicht auch noch diejenige ansteuern, die am stärksten belastet ist. Das ist Mangelverwaltung. Mittel- und langfristig hilft aus Zimmers Sicht vor allem Personalaufbau an den Krankenhäusern. Und dafür brauche es die finanzielle Hilfe der Politik.