Im November läuft das Förderprogramm Wohnen in Nachbarschaften (Win), von dem benachteiligte Quartiere profitieren, aus. Ende des Jahres muss die Bürgerschaft über eine Fortsetzung abstimmen. Der STADTTEIL-KURIER hat die Fraktionen der Bürgerschaft gefragt, wie sie zu dem Programm stehen.
Für Björn Fecker, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, spricht alles für eine Weiterführung des Programms. „Die grüne Bürgerschaftsfraktion spricht sich für eine Fortsetzung des Win-Programms aus. Wir meinen: Hilfen sollten am besten direkt vor Ort im Quartier ansetzen.“ Und: „Mit Hilfe der Win-Mittel konnten die alltäglichen Wohn- und Lebensbedingungen in benachteiligten Quartieren verbessert werden.“
Mehr Geld
Björn Fecker sieht außerdem Chancen, das Programm auszuweiten und mehr Geld aus dem Haushalt zur Verfügung zu stellen. „Wir wollen die Win‐Gebiete finanziell und personell besser ausstatten und das Programm konzeptionell weiterentwickeln, sodass wir Gebiete wie Gröpelingen verstärkt fördern und auch kleinere Quartiere in die Förderung aufnehmen können. Ankunftsquartiere erfordern unsere besondere Aufmerksamkeit. Dazu ist eine Erhöhung um mindestens 30 Prozent erforderlich. Außerdem soll in jedem Win‐Gebiet aufsuchende Altenarbeit etabliert werden“, sagt Björn Fecker. Tatsächlich steht diese Forderung auch im Koalitionsvertrag. Künftig könnten demnach jährlich etwa 2,2 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Fecker lebt in Huchting, und ist überzeugt, dass die Kleinteiligkeit des Programms einem konzentrierten Einsatz des Geldes vorzuziehen ist. „Ich lebe selbst im Stadtteil Huchting und kann täglich erleben, welche positiven Auswirkungen das Programm Win auf den Stadtteil und seine Bevölkerung hat. Mit geringen finanziellen Mitteln wird hier Enormes geleistet und mit den Menschen zusammen entwickelt und umgesetzt.“
Zur dauerhaften Finanzierung erfolgreicher Projekte, wie seit vielen Jahren von den Quartieren gefordert, sagt er: „Wir müssen einen Weg finden, dass über Jahre bewährte Projekte in den Stadtteilen aus der Win-Finanzierung in eine Regelfinanzierung durch das zuständige Senatsressort übernommen werden. Dies gilt insbesondere für Projekte, die in mehreren Stadtteilen erfolgreich laufen.“ Er schränkt allerdings auch ein, dass dies wegen der finanziellen Rahmenbedingungen der kommenden Jahre nur schrittweise erfolgen könne. Insgesamt zeigt sich bei den Koalitionsparteien ein sehr einheitliches Bild. Für Claudia Bernhard, Mitglied in der Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft für die Linken, ist Wohnen in Nachbarschaften „eine Errungenschaft, die unbedingt fortgesetzt werden muss.“ Bremen sei damit ab den 90er-Jahren einen neuen, beispielhaften Weg gegangen.
Die Linken-Politikerin nimmt die Koalitionspartner in die Pflicht: „In den letzten Jahren sind viel zu viele Projekte immer wieder über projektbezogene Förderung und teilweise über Arbeitsförderungsmaßnahmen abgesichert werden, anstatt ihnen für ihre dauerhafte Tätigkeit eine stabile Förderung zu geben. Der politische Wille, soziale Stadtteilprojekte in dauerhafte Förderstrukturen zu überführen, ist im neuen Koalitionsvertrag klar ausgedrückt und muss jetzt eingelöst werden.“
Grundsätzlich Zustimmung
Widerspruch kommt nur im Detail von der CDU. Auch aus Sicht der CDU sei eine Erhöhung auf die von der Koalition vereinbarte Summe nötig, sagt Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der CDU. „Alleine schon deshalb, weil die gestiegenen Ausgaben in den letzten Jahren nicht ausgeglichen wurden.“ Leider blieben die Koalitionspartner bislang die Antwort schuldig, woher das zusätzliche Geld kommen und ab wann es zur Verfügung stehen soll. „Die Einrichtung zusätzlicher Programme für die Stadtteile, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, lehnen wir deshalb solange ab, bis unter anderem das bereits bestehende Programm Win neu aufgestellt und ausreichend finanziell abgesichert ist.“
Sie fordert außerdem eine dringende Verbesserung beim bisher starren und schwierigen Aufnahmeverfahren anhand von Sozialindikatoren – unter anderem Arbeitslosigkeit, Migrantenquote, Einkommen – neuer Fördergebiete. „Erst auf dieser Grundlage sollte die Bremische Bürgerschaft über die Zukunft von Win entscheiden“, meint Sigrid Grönert.
Falk Wagner, Bürgerschaftsabgeordneter und Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bremen-Stadt sagt: „Für mich gibt es ausschließlich Argumente für eine Fortsetzung des Programms – und keines dagegen.“ Auch er ist vom Sinn der Kleinteiligkeit des Programms überzeugt, Veränderungen könnten es dennoch geben. „Wir wollen aber, dass es sich konzeptionell weiterentwickelt. So wollen wir einerseits Quartiere wie Gröpelingen noch stärker fördern und andererseits auch kleinere Quartiere stärker berücksichtigen“, sagt Falk Wagner.
Thomas Jürgewitz von der Alternativen für Deutschland (Afd) betont, dass seine Partei grundsätzlich Maßnahmen unterstütze, um die Wohnqualität in bestimmten Stadtteilbereichen zu verbessern. „Dabei geht es auch darum, durch die Aufwertung von Wohngebieten die Abwanderung bestimmter Personengruppen in das niedersächsische Umland zu begrenzen“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Kritisch dagegen sei es zu sehen, wenn bestimmte Lobbygruppen Steuergelder abgriffen, um ihre eigene politische Agenda zu befördern. „Insofern werden wir gezielt jedes einzelne Projekt hinterfragen und entsprechend unsere Entscheidungen treffen“, so Jürgewitz weiter, ohne genau darauf einzugehen, welche „Lobbygruppen“ gemeint sein könnten. Im vergangenen Jahr wurden über Win weit über 300 Projekte finanziert – viel Arbeit für die Fraktion, wenn sie jedes Projekt hinterfragen möchte. Die Ausweitung von Programmen sehe die AfD unter haushalterischen Aspekten skeptisch. „Bremen ist Haushaltsnotlageland und ist zum sparsamen Umgang mit Steuergeldern verpflichtet“, so Jürgewitz weiter.