Die Aussage, die der Zeuge gegenüber der Polizei gemacht hatte, belastete den Angeklagten schwer. Er habe gehört, wie der Mann am Telefon jemanden damit beauftragte, eine Pistole zu besorgen. Doch jetzt, acht Monate später im Gerichtssaal, soll alles nur ein Missverständnis gewesen sein. Vielleicht habe der Angeklagte auch nur gesagt: „Besorg mir Pistazien.“ Er sei sich da nicht mehr sicher, sagt der Zeuge. In Urdu, einer der Sprachen in Pakistan, gebe es das Wort „pista“ für Pistazien. Das habe er vorher nicht gewusst, beteuert der Zeuge, der selbst aus Afghanistan stammt. Und deshalb geglaubt, der andere hätte von „pistol“ gesprochen.
Es geht um Anstiftung zum versuchten Mord in diesem Verfahren. Angeklagt ist ein 23-jähriger Mann aus Pakistan, der in Bremen lebt. Weil dessen Frau sich von ihm scheiden lassen wollte, habe er einen Cousin mit einem Anschlag auf ein Haus in der pakistanischen Stadt Gujranwala beauftragt, heißt es in der Anklageschrift. In diesem Haus wohnt ein Cousin der Frau, der seine Cousine bei der Trennung von ihrem Mann unterstützt habe. Tatsächlich wurde im Juli 2019 zweimal auf das Haus geschossen, verletzt wurde dabei aber niemand.
Ins Rollen kam der Fall durch die Frau, eine 21-jährige Studentin. Sie zeigte ihren Mann bei der Polizei an. Er habe damit gedroht, sie umzubringen, falls sie nicht zu ihm zurückkomme. Und auch für ihre Familie werde dies alles Konsequenzen haben. Mehrfach soll sich der Mann zu den Anschlägen in Pakistan bekannt haben. Ihr gegenüber, gegenüber seiner Schwiegermutter und nicht zuletzt auch gegenüber dem Anschlagsopfer in Pakistan. Laut Polizei gibt es Chatprotokolle und abgehörte Telefonate, die dies belegen.
Und es gibt den 23-jährigen Afghanen, ein Arbeitskollege des Angeklagten, der diesen bei sich aufgenommen hatte, nachdem er von seiner Frau vor die Tür gesetzt worden war. Der berichtete der Polizei im Juli 2019, dass er ein Telefonat mitgehört hatte, in dem der Angeklagte jemanden damit beauftragte, eine Pistole zu besorgen. Davon rückt er am Mittwoch im Gerichtssaal wortreich wieder ab. Seine Aussage bei der Polizei sei ein Fehler gewesen. Ein Missverständnis, geschuldet den vielen Dialekten, die in Pakistan und Afghanistan gesprochen würden.
Beschwerde beim Vertreter der Anklage
Auf Nachfragen verstrickt sich der junge Mann immer wieder in Widersprüche. „Sie wissen schon, dass ich von Amtswegen verpflichtet bin, ein Strafverfahren gegen Sie einzuleiten, wenn ich das Gefühl habe, dass Sie nicht die Wahrheit sagen“, versucht es der Staatsanwalt. Doch der 23-Jährige bleibt bei dem Pistazien-Missverständnis. Beschwert sich am Ende sogar beim Vertreter der Anklage. „Warum stellen Sie mir immer wieder diese Fragen?“ Der kontert ungerührt: „Ganz simpel – weil ich Ihnen nicht glaube.“
Nicht die einzige Nuss, die an diesem Tag im Gerichtssaal zu knacken ist. Die nächste kommt in Gestalt des Sachverständigen der Polizei für Waffen und Munition daher. Es gibt Fotos von Löchern an der Wand und an der Tür eines Hauses in Pakistan sowie Videos, die Männer zeigen, die auf ein Gebäude schießen. Wo der Laie kein Zweifel daran hat, dass es sich um Einschusslöcher handelt, spricht der Sachverständige von „kreisrunden Beschädigungen“. Okay, sagt der Sachverständige, es könnte sich um Schussbeschädigungen. Aber Betonung auf „könnte“. Und unmöglich, sich festzulegen, ob von draußen oder drinnen geschossen wurde.
Auch den drei kurzen, verwackelten nächtlichen Videosequenzen, die zeigen, dass jemand auf ein Haus schießt, kann der Sachverständige nicht mehr abgewinnen als technische Details zu den benutzten Pistolen. Ein Fest für den Verteidiger des Angeklagten ist das Ganze zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon: „Wer sagt, dass Fotos und Videos vom selben Ort stammen? Wer weiß, wann sie aufgenommen wurden und von wem? Und wer weiß, ob die Videos tatsächlich vom Tatort der Anklage stammen?“, listet der Anwalt Fragen auf, auf die das Gericht Antworten finden muss.
Zwangsheirat für einen deutschen Pass
Weitaus schwieriger für die Verteidigung dürften dagegen die nachfolgenden Aussagen von drei Polizistinnen sein. Die inzwischen von ihrem Mann geschiedene Ehefrau macht vor Gericht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Doch gegenüber den Beamtinnen hat sie sich bei der Anzeige und später bei ihrer Vernehmung ausführlich geäußert. Die Geschichte, die sie dort erzählte, handelt von einer Zwangsheirat, eingefädelt von ihrer Familie als sie gerade 18 war, damit ihr Mann einen deutschen Pass bekommt. Von einer Ehe ohne Liebe, von Beschimpfungen und Drohungen. Von einer Reise nach Pakistan und Schlägen, weil sie der Familie ihres Mannes nicht islamisch genug gewesen sei. Und schließlich von ihrer Scheidung, bei der sie lediglich den Cousin in Pakistan auf ihrer Seite gehabt habe. Der Auslöser für die Anschläge, um die es jetzt vor Gericht geht.
Am Mittwoch, 18. März, wird der Prozess fortgesetzt. Dann wird es um die Sprachnachrichten und Telefonate gehen, die den Angeklagten schwer belasten sollen.