Den reinen Männervereinen könnte es an den Kragen gehen, wenn sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Ende doch noch mit seiner Forderung durchsetzt, ihnen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Doch was bedeutet das eigentlich für Schaffermahlzeit und Eiswette, die großen Feste in Bremen, die bislang ausschließlich von Männern getragen wurden? Gar nichts, lautet die Antwort. Denn erstens öffnen sich beide Feste in Zukunft für Frauen. Und zweitens sind weder Eiswette noch Schaffermahl Vereine mit dem Prädikat Gemeinnützigkeit. Bei anderen Organisationen, Chören zum Beispiel, könnte der Fall anders liegen.
„Wir sind ein Freundeskreis“, sagt Eiswettpräsident Patrick Wendisch auf die Frage nach dem Status der Eiswette von 1829. Die Kaufleute bilden einen losen Verbund, dem bislang ausschließlich Männer angehören. Doch das ändert sich nun. Wenn am 18. Januar das 191. Eiswettfest gefeiert wird, sind das erste Mal Frauen zugelassen. „Damen werden künftig unsere Gäste sein, können dann aber auch ‚Genossinnen‘ werden, also zum Kreis jener gehören, die ihrerseits Gäste einladen dürfen. Das möchte ich eindeutig erklären“, hatte Wendisch der Wochenzeitung „Die Zeit“ gesagt.
Bei der Schaffermahlzeit ist es ähnlich. Veranstalter ist kein Verein mit Gemeinnützigkeit. Haus Seefahrt ist eine Stiftung zur Fürsorge alter Seeleute und deren Ehefrauen und Witwen. Das Geld dafür kommt aus den Spenden, die bei der Schaffermahlzeit eingesammelt werden. Auch bei diesem Kaufmannsfest, das am 14. Februar in der 476. Auflage stattfindet, gibt es jetzt ein erstes Mal. Zwar saßen in der Vergangenheit bereits Frauen an den langen Tischen in der Oberen Rathaushalle. Dabei handelte es sich aber um Ehrengäste wie Angela Merkel und Ursula von der Leyen, oder um Kapitäninnen. Ab dem kommenden Jahr nehmen Frauen teil, die von kaufmännischen Mitgliedern von Haus Seefahrt eingeladen werden.
Das ist neu und es wird dazu führen, dass es in Zukunft mehr als nur eine Handvoll Frauen sind, die den Reden folgen und sich am festlichen Essen laben. Frühestens in zwei Jahren, so lange dauert der Vorlauf, könnte es auch Schafferinnen geben. So wie bei der Eiswette, dort heißen sie dann Genossinnen. Dann wären die Frauen nicht mehr nur Gäste, sondern von Fall zu Fall auch Mitglieder.
Traditionell tritt zu Beginn der Schaffermahlzeit vor dem Rathaus ein Shanty-Chor auf. Seit sieben Jahren ist das der Capstan Shanty-Chor aus Bremen. 55 Männer, die Seemannslieder singen. Der Chor ist ein Verein, er ist gemeinnützig. „Das hat mir den Blutdruck nach oben gejagt“, sagt Chorvorsitzender Gert Schwarz zum Vorstoß von Scholz, „viele Vereine müssten dichtmachen. Deutschland wäre um einiges ärmer.“ Bei Schwarz sieht das so aus: Die Leiterin und Dirigentin des Chors ist eine Frau, gehört aber nicht dem Verein an. Unter den Sängern: keine Frau. Wohl aber an den Instrumenten, dort gibt es eine, und sie ist auch Vereinsmitglied. Reicht das schon?
Kunstfreiheit schlägt Gleichstellung
Im Capstan Shanty-Chor singen ohne Ausnahme Männer, so wie es im Knabenchor Unser-lieben-Frauen-Kirchengemeinde lauter Jungen sind und in der Mädchenkantorei am Bremer Dom nur Mädchen. Anruf bei Ulrich Kaiser, dem Leiter des Knabenchors. Er hat sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt und scheint das auch nicht vorzuhaben. Konfrontiert mit einem Fall in Berlin, bei dem es um ein Mädchen geht, das im Knabenchor mitsingen wollte und deswegen zusammen mit seiner Mutter vor Gericht zog, bleibt Kaiser gelassen.
„Wenn ein Mädchen zu uns käme und mitsingen wollte, würde ich mich freuen“, sagt der Chorleiter. Ein Bruch mit Prinzip und Tradition wäre das aber keinesfalls: „Ich würde das Mädchen zur Mädchenkantorei schicken. Die kümmern sich um die Mädchen. Wir kümmern uns um die Jungs.“
Das Gericht in Berlin hat die Klage von Mutter und Tochter abgewiesen. Zur Begründung wurde die Freiheit der Kunst angeführt. Ein Verfassungsgebot, das nach Auffassung der Richter in diesem Fall schwerer wiegt als die Vorgabe des Grundgesetzes, dass man Menschen wegen ihres Geschlechts nicht benachteiligen darf. Der Leiter des Knabenchors hatte angeführt, dass es ihm um einen bestimmten Klang gehe. Das Mädchen sei diesem Klang beim Vorsingen nicht gerecht geworden, aus dem Grund habe er es abgelehnt.
Ein Blick zuletzt ins Bremer Umland, nach Wildeshausen, wo es seit Jahrhunderten die Schützengilde gibt und das turbulente Gildefest an Pfingsten. Unter den knapp 4000 Mitgliedern sind keine Frauen, und das soll so bleiben, „da gibt es gar keine Diskussion“, betont Gilde-Schatzmeister Siegbert Schmidt. Der Männerbund sei ein Verein, genieße aber keine Gemeinnützigkeit. „Die ist uns bereits vor 15 Jahren aberkannt worden.“ Der Grund seien die Frauen gewesen, dass sie nicht mitmachen dürfen, nicht als Mitglied, denn ansonsten seien sie bei den Feierlichkeiten durchaus willkommen.