Birken, Buchen und Apfelbäume in Kübeln und jede Menge Sitzmöbel zwischen Segelskulpturen in der Obernstraße. Auch ohne Brill-Baustelle wäre hier kein Durchkommen für die Straßenbahnen: Die City-Initiative Bremen hat die Gelegenheit genutzt, die Geschäftsstraße zur Sommermeile zu erklären – unter dem Motto "den Straßenzug zu Fuß neu erleben". Das Sonnabendprogramm auf der "komplett verkehrsfreien" Einkaufsstraße war erst der Anfang und alles andere als autofrei. Unter dem Titel "Mobile Retro-Schmuckstücke – von Amis und Borgwards" waren Oldtimer zu sehen.
Die City-Initiative ist überzeugt davon, dass die Obernstraße ganz ohne Straßenbahn das Zeug dazu hätte, "für mehr Aufenthalts- und Erlebnisqualität in der Innenstadt" zu sorgen. Zunächst einmal ziehen Amischlitten der "US-Car-Freunde Bremen" ihr Publikum an. Wie im vergangenen Jahr bei der Klassik-Motorshow.
Matthias Roßners 1976er Mercury Grand Marquis Zweitürer, ein Hardtop-Coupé, wird von einem 270 PS starken Achtzylinder-Motor mit 7,5 Litern Hubraum angetrieben und braucht 18 bis 25 Liter auf 100 Kilometer. Wenn Roßner nicht wie an diesem Sonnabend einfach mitten in der Fußgängerzone parken kann, fährt der Bassumer auch schon mal mit dem Zug nach Bremen. Die Parkplatzsuche ist mit einer 5,81 Meter langen Karosse etwas für Glücksritter.
"Durchweg positive Stimmung"
Die Stimmung an diesem Tag empfindet Matthias Roßner als durchweg positiv. "Für viele ist es etwas Besonderes, solche Fahrzeuge zu sehen", sagt er. "Auch wenn jeder, der grün im Herzen ist, die Hände überm Kopf zusammenschlägt." Sein Lesumer US-Car-Freund Heiko Bolte betont lieber die Nachhaltigkeit der alten Fahrzeuge: "Wenn du dir heute ein Auto kaufst, hält das keine 50 Jahre." Wegen Alterserscheinungen wie Ölverlust ist so manchem der Wagen eine Pappe untergelegt.
Vollkommen verkehrsfrei ist die für diesen Tag als "lauschig" beworbene Obernstraße aber nicht. Immer wieder versuchen Radfahrer, sich einen Weg durch das Zentrum des Geschehens zwischen Kleine Waagestraße und Ansgarikirchhof zu bahnen. Schritt für Schritt geht das Spiel auf dem begehbaren Mensch-ärger-dich-nicht-Spielfeld voran, beim Großschach treten die achtjährige Maira Reinke aus der Neustadt und Lucas Rupprecht (23) aus dem Faulenquartier gegeneinander an. Beinahe in Hörweite zur Bühne auf dem Ansgarikirchhof, wo Lysandro aus Habenhausen mit Akustik-Pop auftritt.
Simone Welp aus Oldenburg und Steffi von Freden aus Sulingen haben sich in Bremen verabredet und sind mit dem Neun-Euro-Ticket angereist. Sie sitzen auf dem Sandkastenrand und finden es "großartig" und "sehr chillig", dass keine Straßenbahn fährt, während sie Lysandro lauschen, Bioeis und die Sonne genießen. "Ich habe gesunde Füße und kann überall hinlaufen", sagt Simone Welp. Sie räumt ein, dass "andere hier jeden Tag zügig durch müssen".
Christian Eden aus Leer, der den Tag in Bremen verbringt und es sich auf einem der Holzsitze zwischen den Gleisen bequem gemacht hat, findet "sowieso, dass in der Fußgängerzone keine Bahn fahren sollte". Und Erwin Labondus aus Frankfurt am Main, der mit Malteserhündin Astrid auf seine Frau Aldona wartet, findet das Mobiliar in der City "total klasse". Sie sind auf der Heimreise aus dem Urlaub und zum ersten Mal in Bremen. Das Auto steht im Parkhaus. "Ich habe mich schon gefragt, ob die Bahn stillgelegt ist oder ob das nur vorübergehend ist", sagt Erwin Labondus. "Ich kenne zwar das Für und Wider nicht, aber als Touri finde ich das gut."
Optiker Carsten Frenz, der seien himmelblauen 74er VW-Käfer zwischen den Borgwards abgestellt hat, hält es für "gut, dass die Leute mal sehen können, wie es ohne Straßenbahn ist". Für Lothar Wollens aus Achim, einen echten Bremer Buttjer, der in der Gartenstadt Vahr aufgewachsen ist, "haben Obernstraße, Karstadt und die Straßenbahn immer zu Bremen gehört". Er gehört zum Borgward-Club. Seine resedagrüne Isabella Kombi von 1957 hat ihre ersten 40 Jahre in San Francisco verbracht, Wollens wird am Sonnabend 70. "Für ältere Menschen mit Erkrankungen ist es schon gut, wenn sie hier direkt in der Obernstraße aus der Straßenbahn steigen können. Domsheide, Brill und Martinistraße sind doch ein Stück weg."