Kaum kommen die ersten Sonnenstrahlen raus, geschieht das Gleiche mit Tischen und Stühlen der Bremer Gastronomen. Die Terrasse des Bestial in Horn ist besonders mittags begehrt und, kaum geöffnet, gut besetzt. „Endlich können wir wieder mittags öffnen“, sagt Vitaly Drozzinov. Er kocht seit elf Jahren im Bestial und freut sich nach den unsicheren Zeiten in der Pandemie über jedes Quäntchen Normalität. Dazu gehören die kleinen Feiern genauso wie der Mittagstisch.
„Mir macht es einfach Spaß zu kochen und mich weiter zu entwickeln“, sagt Vitaly Drozzinov. Er ist sich sicher, dass man als Koch nie auslernt. Im Bestial ist Fleisch sein Ding – er kümmert sich hauptsächlich darum, dass Ribeye, Rinderfilet und Co. perfekt gebraten beim Gast landen. Weil sein Herz im Privaten aber für Pasta schlägt, einigen wir uns auf „Hähnchen mal anders“ (17,90 Euro) und den derzeitigen Publikumsliebling, die „gegrillte Avocado“ (14,90 Euro).
Die Pasta werde im Bestial selbst gemacht und gleich portioniert, sagt der Koch. Deswegen sei es immer schwierig, wenn die Ansage „bitte nur eine halbe Portion“ käme. Dennoch würde dem Wunsch Folge geleistet. So ist es auch in diesem Fall: Vor uns beiden steht jeweils eine ganze Portion und rein optisch gefällt mir, was ich sehe. Mich hatte die Kombination von Bandnudeln, Ingwer-Maracujasauce, Hähnchenbruststreifen und Ziegenfrischkäse schon auf der Karte gereizt.
Was ich irgendwie überlesen hatte, waren Serrano-Schinken, Zuckerschoten, rote Zwiebeln und Kirschtomaten. Aber alles liegt auf dem Teller vor mir, das Gemüse versteckt sich unter den Pappardelle. Und ehrlicherweise stelle ich mir die Frage: Wieso Hähnchen und Schinken? „Das ist die Idee eines Gastes“, sagt der Küchenchef. Kann man machen, muss man aber nicht. Die Ziegenkäsekugeln hingegen finde ich sehr passend. Sie nehmen die Säure der Maracuja und unterstützen gleichzeitig fruchtige Frische. Tomaten und Zuckerschoten mag ich zwar sehr gern, das Gericht funktioniert aber auch ohne.
Geht es um die Nudeln, bin ich ganz bei Vitaly Drozzinov. Die Pasta ist lecker. Normalerweise sind Pappardelle etwas dicker und schwerfälliger, die à la Bestial sind breit und flach. „Die müssen immer schnell an den Tisch gebracht werden, da sie sonst aneinanderkleben können.“ Ich esse meist erst, nachdem der Fotograf sein Bild im Kasten hat. Die Zeit hat zum Verkleben der Pasta nicht ausgereicht: Meine Nudeln sind al dente und werden von der passierten Maracuja-Ingwersauce ummantelt.
Gebackene Avocado war bei meinen Freundinnen im Rheinland im vergangenen Sommer der Hit. Deswegen war ich schon sehr auf die Bremer-Version gespannt. Im Bestial wird die Avocado gegrillt und mit zwei Gambas serviert. Mit einer Marinade aus Zitronensaft, Öl, Pfeffer, Salz, Chili und Kräutern beträufelt liegen die Avocadostücke und Gambas in der Schale. Für meinen Geschmack hätte es etwas pikanter sein können. „Scharf ist immer schwierig“, sagt Vitaly Drozzinov, und ich stimme ihm da zu. Übrigens ist dieser Küchenchef flexibel: Er hatte mich nämlich schon einen Tag früher erwartet und sich nun spontan auf meinen Besuch eingelassen. Danke.
Das sagen die Stammgäste: Der Mittagstisch ist abwechslungsreich und schmeckt, die Kombination aus Bar und Restaurant ist klasse, wahrscheinlich der erste Laden, der in Bremen "Pinsa" (belegter Teigfladen, Pizza-Alternative) anbietet.
Bestial, Schwachhauser Heerstraße 280, 28359 Bremen, Telefon 0421-32285750, www.bestial-bremen.de, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag ab 12 Uhr (Mittagstisch bis 16 Uhr), Samstag ab 17 Uhr, nicht barrierefrei.