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66 Plätze für Berufsanfänger Azubi-Wohnheim soll 2023 stehen

Auszubildende haben einen ähnlichen Bedarf an Wohnraum wie Studenten. Doch während es für Letztere Wohnheime gibt, fehlt in Bremen bisher ein solches Angebot für Berufsanfänger. Das soll sich ändern.
06.08.2021, 16:05 Uhr
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Azubi-Wohnheim soll 2023 stehen
Von Jürgen Theiner

Auf dem Gelände des Ellener Hofs im Stadtteil Osterholz soll Bremens erstes Wohnheim für volljährige Auszubildende entstehen. Der Senat wird zu dem Projekt, das von einer Stiftung getragen werden soll, voraussichtlich ein gutes Viertel der Baukosten von rund 9 Millionen Euro zuschießen. Das geht aus einer Beschlussvorlage für die Sitzung der Landesregierung am kommenden Dienstag hervor. Der Zeitplan sieht vor, dass die Einrichtung mit 66 Plätzen im Sommer 2023 bezugsfertig ist.

Die politische Forderung nach preisgünstigen Wohngelegenheiten für Auszubildende steht schon länger im Raum. Insbesondere die SPD hatte sich für einen entsprechenden Bürgerschaftsbeschluss stark gemacht, der im Februar gefasst wurde. Der Wirtschaftsbehörde ist es nun gelungen, ein geeignetes Grundstück auf dem Gelände des Stiftungsdorfs Ellener Hof ausfindig zu machen. Es gehört der Bremer Heimstiftung. Sie würde die Fläche der Stiftung Maribondo da Floresta per Erbbaurecht zur Nutzung überlassen. Maribondo ist ein von Niedersachsen und Bremen gefördertes, gemeinnütziges Integrationsprojekt, das Arbeitsstellen für schwerbehinderte Personen schafft. Geschäftsführer Erwin Bienewald sucht ständig nach weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten für seine Schützlinge, und so kam auch die Idee für die Trägerschaft des Azubi-Wohnheims zustande. Maribondo würde die Wohnanlage nach ihrer Fertigstellung mit Dienstleistungen versorgen, also etwa Hausmeistertätigkeiten, Pflege des Außenbereichs, Fahrradverleih, Frühstücksangebot. So wäre dem Inklusionsbetrieb gedient, aber auch den künftigen Bewohnern.

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Für die Anlage liegt bereits eine Planung des Architekten Bernd Ritzenhoff aus Bliedersdorf bei Hamburg vor. Sie soll eingebettet werden in das sozialökologische Modellprojekt „Stadtleben – Ellener Hof". Auf dem zehn  Hektar großen Gelände entsteht seit mehreren Jahren ein neues Quartier mit 500 Wohnungen, zwei Kindergärten, einer Altenpflegeschule, einem Gästehaus, einer Kulturaula, einem Bauernhof, dem  Studierendenwohnheim „Holzbude“ und weiteren Elementen. Alle Gebäude sind in Holzrahmenbauweise mit hohem Energieeffizienzstandard errichtet beziehungsweise geplant. Das Azubi-Wohnheim würde direkt gegenüber der "Holzbude" entstehen.

Dass der Komplex mit seinen 66 Wohnplätzen zu 70 Prozent aus Holz bestünde, ist indes ein Problem bei der wirtschaftlichen Kalkulation des Vorhabens. Denn die Preise für Bauholz schießen wegen der hohen internationalen Nachfrage gerade durch die Decke. "Wir müssen schauen, wie wir das auffangen", sagt Erwin Bienewald. "Wir können uns keine große Steigerung der Projektkosten erlauben, denn das Ziel lautet ja, die Miete der Azubis auf monatlich 350 Euro einschließlich aller Nebenkosten zu begrenzen." Der finanzielle Aufwand für den 8,9-Millionen-Euro-Bau soll nach gegenwärtigem Stand von drei Partnern gestemmt werden. Neben Eigenmitteln von Maribondo sind Zuschüsse der Stadt Bremen und der Agentur für Arbeit eingeplant. Drei Millionen Euro will Maribondo am Kapitalmarkt aufnehmen.

Bestandteil der Pläne für das Auszubildenden-Wohnheim ist auch eine sozialpädagogische Betreuung der Mieter. "Viele Jugendliche und junge Erwachsene wünschen sich Hilfe beim Start in den neuen Lebensabschnitt", heißt es zur Begründung in dem Senatspapier. Die professionelle Begleitung soll unter anderem dazu dienen, persönliche Probleme in den Griff zu bekommen, die sonst zu einem Abbruch der begonnenen Ausbildung führen könnten. Auch um lebenspraktische Unterstützung geht es: Bei der Förderung des sozialen Miteinanders in der Anlage und der gegenseitigen Rücksichtnahme, bei der Beratung in finanziellen Angelegenheiten und der Unterstützung in der Berufsschule. Der Senat hofft, die Kosten für die Sozialarbeiterstelle durch Sponsoren aus Wirtschaft und Kammern decken zu können.

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Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Falk Wagner freut sich, dass die Weichen für das Bauvorhaben jetzt gestellt werden – zumal es bereits vergebliche Anläufe auf ein Wohnprojekt für Auszubildende gegeben hatte. Wie berichtet, wurde zeitweilig geprüft, ob das frühere Obdachlosenheim "Jakobus-Haus" in der Nähe des Hauptbahnhofs entsprechend umgewidmet werden könnte. Doch für dieses Objekt fand sich kein Betreiber. Auch andere städtische Gebäude hatte die Verwaltung unter die Lupe genommen, etwa an der Johann-Lange-Straße in Vegesack und am Schiffbauerweg in Gröpelingen. Wagner sieht in dem Osterholzer Vorhaben ein Signal für die Gleichstellung von Auszubildenden und Studierenden. Dies sei "überfällig" gewesen, findet Wagner. "Die Koalition unterstreicht damit, dass ihr berufliche Bildung ebenso viel wert ist wie die akademische Bildung." Als nächsten Schritt erhofft sich der Sozialdemokrat ein Azubi-Ticket für den Nahverkehr.

Zur Sache

Maribondo da Floresta

Die Stiftung Maribondo da Floresta mit Sitz in Osterholz-Scharmbeck wurde von dem Erziehungswissenschaftler Erwin Bienewald gegründet. Sein Ziel war es, geistig behinderte Menschen nicht mehr in abgeschotteten Einrichtungen unterzubringen, sondern ihnen die Integration ins Berufsleben und ein selbstständiges Dasein zu ermöglichen. In den Achtzigerjahren entstand eine erste Werkstatt für diese Zielgruppe. Die finanzielle Förderung durch Bremen und Niedersachsen ermöglichte den Aufbau weiterer Betriebsstätten mit Arbeitsmöglichkeiten für Behinderte. Zu den Projekten gehören das Gasthaus "Schamaika" im Teufelsmoor, das Bistro im Bamberger-Haus und diverse Lebensmittelmärkte. Insgesamt sind über Maribondo rund 300 Personen beschäftigt.

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