Hartz IV – kein Thema hat die SPD in den vergangenen Jahren so sehr geschlaucht wie der Umgang mit diesem Erbe der Ära Gerhard Schröder. Erst am Wochenende war die Revision der Hartz-Gesetzgebung wieder Thema des SPD-Bundesvorstandes. Nun legt der Vorstand des Unterbezirks Bremen-Stadt einen eigenen Vorschlag „für eine gerechte Arbeitslosensicherung“ vor. Er beruft sich ausdrücklich auf die Ankündigung der Bundesvorsitzenden Andrea Nahles, die SPD werde „Hartz IV hinter sich lassen“.
Aus gutem Grund, wie man bei der Bremer SPD meint, denn die Hartz-Reformen hätten „ein grundlegendes Gerechtigkeitsempfinden verletzt“, wie es in der Einleitung des Konzeptes heißt. Die Lebensleistung aus Arbeit werde „nicht mehr ausreichend anerkannt“, auch sei die Sicherung des Existenzminimums unzureichend, und Perspektiven zum Verlassen des Systems fehlten. Das zeige sich nicht zuletzt daran, dass es in Bremen und Bremerhaven 16 000 Langzeitarbeitslose und 35 000 Kinder im Hartz-IV-Bezug gibt, obwohl die Wirtschaft des kleinsten Bundeslandes brummt.
Das Konzept des SPD-Unterbezirks sieht für eine Neuordnung des Systems ein Vier-Säulen-Modell vor. Der erste Pfeiler besteht aus einer eigenen Grundsicherung für Kinder. Diese hätten in einem System der Arbeitslosenabsicherung nichts verloren. Besser sei es, den bisherigen Dschungel aus Kindergeld, –zuschlag und -freibetrag sowie die auf Kinder und Jugendlichen bezogenen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu roden und diese Zahlungen in einer mit steigendem Einkommen abschmelzenden Kindergrundsicherung zusammenzuführen.
Zweite Säule des Konzeptes ist der Ausbau des sozialen Arbeitsmarktes. Viele Langzeitarbeitslose haben nach Einschätzung des SPD-Unterbezirksvorstandes trotz Hochkonjunktur kaum eine Chance auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt. Diesen Menschen müsse gleichwohl die Chance eröffnet werden, „durch Arbeit zum Nutzen der Gemeinschaft beizutragen“, denn das stifte „Würde, Anerkennung und Teilhabe“.
Ersparnisse nicht komplett aufbrauchen
In dem Papier wird auf erste Ansätze in dem Bremer Landesprogramm „Perspektive Arbeit“ verwiesen, das bereits 600 Menschen Zugang zu gemeinnütziger Arbeit verschafft habe. Dies gelte es deutlich auszubauen. Drittens fordern die Sozialdemokraten, die Lebensleistung von Arbeitnehmern, die nach langjähriger Berufstätigkeit arbeitslos werden, besser abzusichern und sie davor zu bewahren, ihre Ersparnisse komplett aufbrauchen zu müssen.
Durch all diese Maßnahmen, so heißt es in dem Papier, lasse sich die Zahl der Menschen, die Grundsicherung beziehen, bereits deutlich reduzieren. Diejenigen, die absehbar weiterhin auf diese Leistung angewiesen sein werden, benötigten „ein fair und ehrlich berechnetes Existenzminimum sowie Hilfe zur Selbsthilfe“. Elemente dieser vierten Säule: Ausbildungsvermittlung, Gesundheitsförderung, Schuldner- und Suchtberatung sowie Unterstützungsmaßnahmen für Alleinerziehende. Bei den umstrittenen Sanktionsregelungen spricht sich der SPD-Unterbezirksvorstand für eine Entschärfung aus: „Insbesondere müssen die Zumutbarkeit an Sozialversicherungspflicht und Tarifbindung gekoppelt und die ungerechtfertigten Sondersanktionen für junge Menschen abgeschafft werden.“
SPD-Unterbezirksvorsitzender Falk Wagner hofft, mit dem Vier-Säulen-Modell einen Impuls auch für die bundesweite Diskussion in seiner Partei zur Reform des Sozialstaats zu geben. Es gehe nicht um eine Abrechnung mit der Ära Schröder, sondern um die Frage, wie das deutsche Sozialsystem anderthalb Jahrzehnte nach den Hartz-Reformen unter geänderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen auf eine neue Grundlage gestellt werden kann. „Es fällt niemandem ein Zacken aus der Krone, wenn man sagt, dass Dinge nachgebessert werden müssen“, sagt Wagner.