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Bremer Studie Mindestens 300.000 Pflegekräfte könnten zurückgeholt werden

Wovon ausgestiegene Pflegekräfte eine Rückkehr in ihren alten Beruf abhängig machen - eine Bremer Studie hat bundesweit bei Pflegepersonal nachgefragt und erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert.
03.05.2022, 11:22 Uhr
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Mindestens 300.000 Pflegekräfte könnten zurückgeholt werden
Von Sabine Doll

Der Mangel an Fachkräften in Pflegeheimen, bei ambulanten Pflegediensten und Kliniken ist seit Jahren Dauerbrenner – bundesweit und damit auch in Bremen und Niedersachsen. Experten befürchten, dass sich die Lücke durch die Belastungen in der Pandemie sogar noch vergrößern könnte. Eine aktuelle bundesweite Studie der Bremer Arbeitnehmerkammer liefert ein erstaunliches Ergebnis: Demnach gibt es eine Art stille Reserve an zusätzlichen Pflegekräften, die reaktiviert werden könnte.

Woher kommen diese Pflegekräfte?

Mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte stünden in Deutschland durch die Rückkehr in den Beruf oder die Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Ich pflege wieder, wenn..." der Arbeitnehmerkammer Bremen, der Arbeitskammer im Saarland und des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Knapp 12.700 aus dem Beruf ausgestiegene sowie in Teilzeit tätige Pflegekräfte wurden dafür bundesweit online befragt. Die Studie wurde von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert. "Die Zahl basiert auf einer Hochrechnung – in einem optimistischen Szenario kann sogar von bis zu 660.000 Vollzeitkräften ausgegangen werden", sagte Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Bremer Kammer, an diesem Dienstag bei der Vorstellung.

Wie groß ist das Potenzial in Bremen?

Eine Pilotstudie der Arbeitnehmerkammer und der Uni Bremen hatte bereits im vergangenen Jahr Zahlen vorgestellt: Danach ließen sich allein in Bremen hochgerechnet 1500 Pflegekräfte in den Beruf zurückholen. Etwa 1000 Beschäftigte wurden dafür online befragt.

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Wie viele Pflegekräfte fehlen?

Bei gleichbleibenden Absolventinnen- und Absolventenzahlen wird für Bremen bis 2035 mit einer Lücke von bis zu 3084 Fachkräften gerechnet, hieß es in der Studie aus dem vergangenen Jahr. Die Schätzungen basierten auf dem damaligen Status quo. Laut Pflegereport der Krankenkasse Barmer vom Dezember könnten bundesweit bis zum Jahr 2030 etwa 182.000 Pflege- und Assistenzkräfte fehlen. Die Zahl der Pflegebedürftigen steige bis dahin auf sechs Millionen. "Allein in den nächsten zehn bis zwölf Jahren gehen 500.000 Pflegefachkräfte in Rente", sagte Heyduck an diesem Dienstag. Aktuell dauere es im Schnitt 230 Tage, bis die Stelle eine Krankenpflegefachkraft besetzt werden könne – bei Altenpflege-Fachkräften seien es 210 Tage.

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Unter welchen Bedingungen sind Pflegekräfte bereit, zurückzukehren oder ihre Stunden aufzustocken?

Die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und 60 Prozent der Ausgestiegenen könnten sich eine Rückkehr oder eine Erhöhung der Stunden vorstellen. Allerdings unter bestimmten Voraussetzungen: An erster Stelle steht für sie eine Personaldecke, die sich tatsächlich am Bedarf der Pflegebedürftigen ausrichtet. Außerdem wünschen sie sich eine bessere Bezahlung, verlässliche Arbeitszeiten und Dienstpläne, mehr Augenhöhe gegenüber Ärztinnen und Ärzten sowie respektvolle Vorgesetzte. Befragte Teilzeitkräfte würden ihre Arbeitszeit um durchschnittlich zehn Stunden pro Woche aufstocken, Ausgestiegene könnten sich eine Rückkehr mit 30 Wochenstunden vorstellen. 

Welche Bereiche sind für einen Wiedereinstieg attraktiver – welche schneiden schlechter ab?

Pflegekräfte, die früher im Krankenhaus, in der Psychiatrie oder in Reha-Einrichtungen tätig waren, könnten sich unter den genannten Voraussetzungen dort einen Wiedereinstieg vorstellen. Gut 60 Prozent der Ausgestiegenen gaben an, mindestens einmal im Monat an eine Rückkehr zu denken – gleichzeitig hat sich aber nur ein Drittel bislang Stellen angesehen, nicht jedoch beworben. Aktiv geworden sind laut Studie knapp sechs Prozent, sie stünden mit einem Arbeitgeber in Kontakt. Problembereich scheint die ambulante Pflege zu sein. Hier können sich ehemals Beschäftigte seltener eine Rückkehr vorstellen: Die Löhne seien niedriger, Hinderungsgrund seien auch geteilte Dienste, sagte Beatrice Zeiger von der Arbeitskammer des Saarlands. Dabei wird die Arbeitsleistung nicht an einem Stück erbracht, sondern etwa einmal morgens und dann abends wieder.

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Wie können Pflegekräfte konkret wieder in den Beruf zurückgeholt werden?

Neben gesetzgeberischen Aktivitäten auf Bundes- und Länderebene sehen die Studienautoren die Arbeitgeber in der Pflicht – um vor Ort die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Über die "Konzertierte Aktion Pflege" der Bundesregierung könne zudem Geld für Rückkehrer-Programme abgerufen werden. "Bei Kliniken ist das aber noch nicht so bekannt", sagte Michaela Evans vom IAT. Als Folge der Bremer Pilotstudie habe die Arbeitnehmerkammer Workshops für Arbeitgeber angeboten, etwa zur Dienstplangestaltung oder auch Wiedereinstiegskursen, so Heyduck. "Überwiegend waren Kliniken vertreten. Dies kann aber nur ein Baustein sein. Es geht um die Arbeitsbedingungen, da muss am großen Rad gedreht werden."

Info

Die Studie ist auch Thema beim Bremer Pflegekongress, der von Mittwoch bis Freitag mit dem Deutschen Wundkongress in der Messe Bremen stattfindet. Zu den Fachkongressen werden etwa 3000 Teilnehmer erwartet.

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