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Mühle ohne Müller Die Wallmühle steht still

Die Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen und Immobilien Bremen haben ihren Betreuungsvertrag für die Wallmühle aufgelöst. Die alten Müller kommen nicht mehr hinein, ein neuer ist noch nicht ausgebildet.
22.08.2021, 16:00 Uhr
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Die Wallmühle steht still
Von Justus Randt

„Das ist eine alte Oma, und die muss man auch so behandeln.“ Was Franz Schnelle meint, ist, dass die Wallmühle Bewegung braucht. 23 Jahre lang hat der ehrenamtliche Müller selbst dafür gesorgt, dass sich ihre Jalousieflügel drehten. Gegenwärtig aber steht die Mühle still, denn der Vertrag zwischen der Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen und Immobilien Bremen wurde  aufgekündigt. „Als Wahrzeichen darf man sie nicht so tot rumstehen lassen wie tausend andere Mühlen“, sagt Schnelle über die Galerieholländer-Mühle aus dem 19. Jahrhundert, die unter Denkmalschutz steht und der Stadt gehört.

Bewegung ist nur in der unteren Etage und auf der Terrasse des fünfstöckigen Bauwerks, das ein bei Touristen besonders beliebtes Fotomotiv ist. Jörg Stenzel freut sich, wieder Gäste in seiner „Kaffeemühle“  bewirten zu können. „Schade, dass es keine Führungen und Vorführungen mehr gibt, das hat über 20 Jahre gut geklappt“, findet der Pächter. Unterdessen bestellen Franz Schnelle und sein Müllerkollege Klaus Dieter Philippsen „das Gleiche wie immer“, ein Kännchen Ostfriesentee, und kommen auf das Problem zu sprechen. „Wir suchen händeringend Leute.“

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Dass Nachwuchs fehlt, war auch der Grund, der Rüdiger Heßling, den Bremer Vorsitzenden der „Vereinigung zur Erhaltung von Wind- und Wassermühlen in Niedersachsen – Bremen“, dazu bewogen hat, den „Betreuungsvertrag“ zu kündigen. „Auf dem Land ist es selbstverständlich, dass die Leute bei der Feuerwehr, im Kirchenchor und eben im Mühlenverein sind. In der Stadt ist das ganz anders“, sagt er. „Wir müssen langfristig überlegen, wie es weitergeht, wenn uns Leute fehlen. Bei Ausfällen können wir Teile des Vertrages nicht erfüllen.“ Das war seine Sorge, deshalb die Kündigung.

Jahrzehntelang hat Franz Schnelle im „ehrenamtlichen Einsatz gegen Entschädigung“ die Windmühlenflügel und alles, was dazugehört, am Laufen gehalten, die meiste Zeit gemeinsam mit Klaus Dieter Philippsen. Oft hat sich der gelernte Schlosser unten an die Sandkiste gesetzt oder oben in die Mühlenkappe. „Ich habe dann eine halbe Stunde zugehört, und wenn was gescheuert oder geklappert hat, wusste ich, was los ist.“ Das ist vorbei. Den Windmühlenschlüssel musste er abgeben. Seine Mühle besucht der Müller trotzdem fast jeden Tag.

Vereinsmitglieder betreuen insgesamt 800 unter Denkmalschutz stehende Mühlen. „400 oder 500 davon sind so weit intakt, dass man sie für Zuschauer betreiben kann, ungefähr 50 können Mehl und Schrot zum Verkauf herstellen", sagt Rüdiger Heßling. Auch in der Windmühle am Wall, die ohne Hilfsmotoren auskommt, haben Schul- und Kindergartenkinder bis zum Beginn der Pandemie Getreide geschrotet.

Peter Schulz von Immobilien Bremen stellt in Aussicht, dass die Wallmühle „irgendwann wieder in Betrieb und zugänglich“ sein werde. Derzeit aber gehe gar nichts, weil „bei einer Bestandsaufnahme kleinere Sicherheitsmängel festgestellt“ worden seien, die innerhalb der nächsten zwei Monate behoben werden sollten. Auch einen neuen ehrenamtlichen Müller werde es geben, jemanden aus dem Bestandsmanagement. Nur ein Müller und keine zwei: Klaus Dieter Philippsen (85) und Franz Schnelle, der nur wenig jünger ist, sehen keinen Vorteil darin. Zumal die Plätze in Kursen für Müller in Leer und Bruchhausen-Vilsen rar seien und die Schulung anderthalb Jahre dauere. „Das ist die Theorie, auf der Mühle beginnt dann die Praxis, und jede Mühle ist anders“, sagt Franz Schnelle. Die freiwilligen Müller befürchten, dass die Wallmühle noch länger stillsteht: „Ein Müllerkursus ist gerade zu Ende gegangen, einer beginnt nächstes Jahr, wenn sich genug Teilnehmer finden. Sonst dauert das noch ein Jahr länger“, sagt Franz Schnelle über seiner Tasse Tee. „Ich fänd’s gut“, sagt Klaus Dieter Philippsen, „wenn Franz das weitermachen und den Neuen einarbeiten könnte.“

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