Im Sommer geht es los mit dem Bau der geplanten Fahrradstraße entlang der gesamten Wallanlagen. Das hat auf Anfrage die Bau- und Verkehrsbehörde mitgeteilt. Für den Innenstadtverkehr wird das wegen der notwendigen Sperrungen auf Monate hinaus eine weitere Belastung bedeuten. Davon ausgenommen ist zunächst aber die Straße Am Wall. Hier war befürchtet worden, dass just in der Vorweihnachtszeit kein Durchkommen mehr sein wird – zulasten der Geschäfte an dem Einkaufsboulevard. Das wäre ein weiterer Schlag für den ohnehin gebeutelten Einzelhandel.
Rätselhaftes Behördenschreiben
"Wir möchten Sie auch darauf hinweisen, dass die Straße Am Wall zwischen Ostersteinweg und Herdentorsteinweg für den Weihnachtsverkehr der Innenstadt im November/Dezember nicht zur Verfügung steht und die Durchfahrt gesperrt ist, solange bis die Straßenbauarbeiten komplett abgeschlossen sind", heißt es in einer Mail der Verkehrsbehörde, die dem WESER-KURIER vorliegt. Das Schreiben ist an die Polizei gerichtet. Sechs Wochen lang sollten vor dem Kommissariat Mitte am Wall wegen der Bauarbeiten keine Einsatzfahrzeuge mehr abgestellt werden. Die Innenbehörde hatte daraufhin in der vergangenen Woche sofort mit Protest reagiert: Sämtliche Bauabschnitte am Wall seien genauestens abzustimmen, um den Dienstbetrieb der Polizei und die Sicherheitsabläufe des Standortes nicht zu stören, erklärte eine Sprecherin des Ressorts.
Die Verkehrsbehörde erklärt, von der Mail und den darin enthaltenen Planungen nichts zu wissen. Es sei mitnichten so, dass die Läden am Wall ausgerechnet in der umsatzstärksten Zeit vor Weihnachten unmittelbar von den Umbauarbeiten tangiert würden, betont Behördensprecher Jens Tittmann. Die Reihenfolge der Bauabschnitte sehe derzeit im Gegenteil vor, dass Mitte des Jahres auf dem Altenwall zwischen Tiefer und Ostersteinweg begonnen werde. Parallel dazu am anderen Ende der späteren Fahrradroute auch am Doventor. Der Abschnitt zwischen Bischofsnadel und Herdentor werde voraussichtlich als letzter im Sommer 2023 umgesetzt, insbesondere deshalb, weil es genau für dieses Teilstück noch Verhandlungen über eine Verschönerung des Boulevards gebe.
Konflikt mit Kaufleuten
Dass der Wall zu einer Premiumroute für Radfahrer umgewidmet wird und die Autofahrer dort nur noch in einer Richtung unterwegs sein dürfen, war bei Handelskammer und Kaufleuten auf starken Widerstand gestoßen. Der Konflikt hatte sich zuletzt ein wenig beruhigt, auch deshalb, weil Senatorin Schaefer sich zu Gesprächen bereit fand, den Wall als Einkaufsboulevard baulich aufzuwerten. So soll zum Beispiel der Bürgersteig vor den Geschäften deutlich verbreitert werden, um Platz für Pflanzen und Außengastronomie zu schaffen. Die Pläne sehen außerdem eine Verlängerung des Glasdachs vor den Läden bis zum Herdentor vor, und es soll eine Überwegung von den Wallanlagen durch das neu gebaute Wallkontor in die Museumstraße und weiter zum Schüsselkorb geben.
Als jetzt die Behörden-Mail auftauchte, war die Aufregung kurzfristig groß: "Das ginge gegen alles, was bisher abgesprochen war", sagte Stefan Storch vom Vorstand der City-Initiative, in der sich die Kaufleute der Innenstadt zusammengeschlossen haben. Die rote Linie sei der 31. Oktober, danach seien Bauarbeiten am Wall unbedingt zu vermeiden. Weitere Belastungen halte die Lage einfach nicht mehr aus.
Denkmalpfleger bremst
Die City-Initiative hatte sich zuletzt am 9. Februar im Rathaus mit Regierungsvertretern getroffen, darunter Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), Bau- und Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). Davor lagen drei Ortsbegehungen. Als Ergebnis des Treffens im Februar sollte Bovenschulte mit Landeskonservator Georg Skalecki das Gespräch über einzelne Baumfällungen am Rande des Walls führen. Die Wallanlagen stehen seit den 1970er-Jahren unter Denkmalschutz, deshalb hat der Konservator bei jeder Veränderung ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. "Herr Skalecki hat die Baumfällungen vor zwei Wochen abgelehnt", berichtet Senatorin Schaefer. Ihre Behörde plane nun auf Basis dieser neuen Gegebenheiten, um die Gespräche danach fortzuführen. Darüber seien alle Beteiligten im Bilde. "Ziel ist, aus dem Wall sowohl eine tolle Radpremiumroute, als auch einen schönen Einkaufsboulevard zu machen", sagt Schaefer.
Die Gesamtkosten für die Fahrradstraße zwischen der Tiefer und dem Doventor als Teil einer längeren Premiumroute liegen nach Angaben der Schaefer-Behörde bei fünf Millionen Euro. Der Bund übernehme 3,8 Millionen Euro. Das seien 90 Prozent der förderfähigen Baukosten.