Bremen soll rund 250 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen, um die städtischen Kliniken und die private Jacobs University wirtschaftlich zu stabilisieren. Dafür hat sich am Donnerstag die Bürgerschaft mit der Mehrheit der rot-grünen Koalition ausgesprochen. Sie beschloss in erster Lesung einen Nachtragshaushalt, der 205 Millionen Euro für den Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) und 45 Millionen Euro für die Übernahme eines Darlehens der Jacobs-Uni vorsieht. Die endgültige Entscheidung fällt Ende Juni vor der parlamentarischen Sommerpause. Zuvor werden die Haushälter der Bürgerschaft noch Gelegenheit haben, das Zahlenwerk im Einzelnen zu durchleuchten und Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) kritische Fragen zu stellen.
Trotz der zusätzlichen Ausgaben bleibt Bremen nach Ansicht von Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) finanzpolitisch auf Konsolidierungskurs. Die Leitplanken der entsprechenden Vereinbarungen mit dem Bund würden nicht berührt. Zugleich äußerte die Bürgermeisterin die Erwartung, dass die Finanzspritze für die Gesundheit Nord wohl nicht die letzte gewesen sein wird. Hintergrund sind die hohen Abschreibungen, die die Geno für den Neubau auf dem Gelände des Klinikums Mitte in ihre Bilanz einstellen muss. Der Klinikverbund werde dieses Geld kaum aus dem laufenden Geschäft erwirtschaften können.
Oppositionsführer Thomas Röwekamp (CDU) beurteilte die Lage der Geno weitaus düsterer. Die Geno bleibt für ihn ein Fass ohne Boden. Schon der Zeitpunkt des Nachtragshaushaltes sei ein Affront gegenüber dem Parlament, denn: Erst im Dezember vergangenen Jahres hatte die Bürgerschaft den regulären Doppelhaushalt 2018/19 beschlossen. Der Handlungsdruck bei Geno und Jacobs sei zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar gewesen. Röwekamp warf Linnert vor, ihr Nachtragshaushalt sei "in Zahlen gegossenes Politikversagen". Es fehle jede Vorstellung davon, wie sich die Geno dauerhaft aus ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten befreien könne. Röwekamp wies der Finanzsenatorin auch persönliche Mitverantwortung für die Kostensteigerung beim Klinikneubau zu. Es sei Linnert gewesen, die sich in der Planungsphase des Projektes gegen die Vergabe des Projektes an einen privaten Investor gestemmt habe. Im Ergebnis hätten sich die Baukosten gegenüber den ursprünglichen Ansätzen auf über 350 Millionen Euro verdoppelt. Die Geno-Spitze sei mit dem Management des Neubauvorhabens völlig überfordert gewesen.
Für die SPD verteidigte Haushälter Arno Gottschalk die Finanzspritze für die Gesundheit Nord. Es habe sich gezeigt, dass die Geno die Kosten für den Neubau am Klinikum Mitte nicht aus eigenen Erträgen erwirtschaften könne. Röwekamps Behauptung, ein privater Investor hätte den Neubau des Klinikums Mitte kostengünstiger bewältigt, verwies Gottschalk allerdings ins Reich der Fabel. Auch ein von Bremen beauftragter Generalunternehmer hätte nach seiner Ansicht Kostensteigerungen auf die öffentliche Hand abgewälzt.
Ungleichbehandlung der Geno-Häuser und der freien Kliniken
Aus Sicht der Grünen nimmt der Nachtragshaushalt "einen Mühlstein vom Hals der Geno", wie Fraktionsvize Björn Fecker es formulierte. Allerdings müsse die Restrukturierung des Klinikverbundes nun wirklich vorankommen. "Unsere Geduld ist endlich", so Fecker. Für Lencke Steiner (FDP) war klar, dass die 205 Millionen Euro für die Geno "zulasten anderer Gestaltungsaufgaben in der Stadt gehen". Erst 2013 habe der Klinikverbund eine Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe erhalten, die nächste sei absehbar. Steiner beklagte außerdem eine Ungleichbehandlung der Geno-Häuser und der freien Kliniken. "Der Geno wird immer wieder mit Steuergeldern aus der Patsche geholfen, die freien Träger müssen es aus eigener Kraft schaffen", so Steiner. Klaus-Rainer Rupp (Linke) sagte, die Geno brauche nach der aktuellen Finanzspritze eine "Atempause" von einigen Jahren und "keinen Stress", damit sie sich strukturell neu ausrichten könne.
Waren die Linken in Sachen Geno-Hilfen noch auf Seiten der Regierung, so attackierte ihr Haushälter die geplante Unterstützung für die Jacobs University um so heftiger. Die Grohner Privathochschule sei gescheitert, ihr Geschäftsmodell funktioniere nicht, so Klaus-Rainer Rupp. Das Geld, das ihr der Senat zuschustern wolle, sei an den öffentlichen Hochschulen Bremens besser angelegt. Mit dieser Kritik standen die Linken allerdings allein. Neben der Koalition befürworteten auch CDU und FDP die Übernahme des Jacobs-Darlehens durch das Land Bremen. Für die SPD sah Arno Gottschalk die Jacobs-Uni auf einem erfolgreichen Restrukturierungskurs. "Was die Leitung der Jacobs University erreicht hat, verdient großen Respekt", urteilte der SPD-Finanzfachmann. Die Linken vergäßen, dass die Privatuni dem Land Bremen beträchtliche Einnahmen über den Länderfinanzausgleich verschaffe – nämlich durch die Einwohnerwertung der Studenten, die in der Hansestadt ihren Wohnsitz nehmen. Dieser Effekt überwiege die Hilfen Bremens an die Jacobs-Uni bei Weitem.