Frank Imhoff: Wir haben noch nie so viel öffentlich über die Beteiligung der Parlamente gesprochen und diskutiert. Das ist für mich ein gutes Zeichen: Die Bevölkerung und die Medien stehen hinter der parlamentarischen Demokratie! Ich glaube, die Menschen haben in dieser Zeit auch gespürt, wie wichtig seriöse Politik ist und wem sie ihre Stimme geben können. Deshalb werden eher wieder mehr Menschen zur Wahl gehen. Corona war für alle eine neue Situation, aber die Gewaltenteilung hat bei uns funktioniert. Die Bremische Bürgerschaft war jederzeit handlungsfähig. Auch das haben wir gezeigt.
Das Thema Briefwahl war nicht nur in den USA bedeutend. Die neue Bürgermeisterin von Schwanewede etwa wurde Corona-bedingt in zwei reinen Briefwahlgängen gekürt. Wo liegen die Chancen und Risiken oder Schwächen von Briefwahlen?Die Briefwahl ist bei uns längst etabliert. Das ist ein richtiges und sicheres System und wird immer stärker nachgefragt. Die Welt hat sich verändert – es sind nicht mehr alle am Wahltag zu Hause oder wollen persönlich ins Wahllokal gehen. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Wir müssen doch alle Chancen nutzen, dass sich Menschen an Wahlen beteiligen können.
Ich liebe ja Science-Fiction – aber soweit kann ich nicht in die Zukunft blicken. Für mich persönlich gehört es am Wahltag dazu, ins Wahllokal zu gehen. Ich treffe Leute im Ort, wir reden über Politik, diskutieren, wer abends der Sieger sein könnte. Aber wir müssen auch die Menschen einbinden, die vielleicht nicht in Bremen sind oder die dafür nicht extra raus gehen wollen.
Was spricht gegen eine elektronische Stimmabgabe vom Sofa/Schreibtisch/Bett aus – angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel Online-Banking seit Jahren funktioniert?Grundsätzlich nichts. Es muss aber 200-prozentig sicher sein. Und so ein System ist mir in Deutschland noch nicht bekannt. Die baltischen Länder sind viel weiter, Estland beispielsweise macht seit 2005 „E-Voting“. Vielleicht können wir uns deren System mal ansehen? Aber es muss auch unsere Datenschutz-Anforderungen erfüllen. Die letzten Wahlen haben auch gezeigt, wie groß im Vorfeld die Eingriffe von ausländischen Staaten, etwa von Russland oder China, sind. Dem muss unbedingt Einhalt geboten werden.
Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Abgeordneter und Parlamentspräsident für das Wahljahr 2021?Wir hatten viele Jahre eine große Politikverdrossenheit. Mit einer geringen Wahlbeteiligung kann ich mich nicht abfinden. Mein Ziel ist es, die Menschen wieder für Politik zu interessieren. Die Frage, wie man wählt, ist für mich nur ein Aspekt. Ein anderer, viel wichtiger: Wir Politiker dürfen uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen und uns nur über Kleinigkeiten echauffieren. Wir müssen die Alltagsprobleme lösen, die Sacharbeit machen. Wir müssen vor Ort zeigen, dass Politik etwas bewegt. Damit erreichen wir Menschen. Und damit sorgen wir dafür, dass Menschen wieder wählen gehen.
Das Gespräch führte Joerg Helge Wagner.Wahltermine 2021 in Deutschland
In Deutschland stehen in diesem Jahr neun größere Wahlen an, von Kommunalwahlen bis zur Bundestagswahl.
- 14. März: Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (alle fünf Jahre), Kommunalwahl in Hessen (alle fünf Jahre)
- 25. April: voraussichtlich Landtagswahl in Thüringen (vorgezogen, sonst alle fünf Jahre)
- 6. Juni: Landtagswahl in Sachsen-Anhalt (alle fünf Jahre)
- 12. September: Kommunalwahl in Niedersachsen: Kreistage, Stadträte, Gemeinderäte, Samtgemeinderäte, Stadtbezirksräte, Ortsräte, Regionalversammlung Hannover (alle fünf Jahre)
- 26. September: Bundestagswahl (alle vier Jahre) und voraussichtlich Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sowie zum Landtag in Mecklenburg-Vorpommern (jeweils alle fünf Jahre)