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Abschiedstour Angela Merkel auf eigenen Wunsch im Auswandererhaus

Auf eigenen Wunsch hat Kanzlerin Merkel bei ihrem Abschied vom Land Bremen das Auswandererhaus in Bremerhaven besucht. Unter den Menschen hinterm Absperrband war auch der Kurde Salar Mahmoud aus Syrien.
04.11.2021, 18:44 Uhr
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Angela Merkel auf eigenen Wunsch im Auswandererhaus
Von Frank Hethey

Als Angela Merkel im Deutschen Auswandererhaus verschwunden ist, verharrt Salar Mahmoud noch eine Weile hinter der provisorischen Absperrung. Dass politisches Spitzenpersonal auf Tuchfühlung mit dem einfachen Volk geht – in Syrien undenkbar. "Da gibt es eine große Distanz", sagt der 33-jährige Kurde, der vor sechs Jahren nach Deutschland gekommen ist und jetzt Biotechnologie an der Hochschule Bremerhaven studiert. "Wir dürften niemals so nah ran an den Präsidenten."

Die nur noch geschäftsführende Bundeskanzlerin ist auf Abschiedstournee. Am Mittwoch war sie noch in Frankreich bei Präsident Emmanuel Macron. Und am Donnerstag in Bremerhaven, um sich vom Land Bremen zu verabschieden. Ein kurzfristig anberaumter Termin auf Einladung von Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Dass die Seestadt die Gastgeberrolle einnimmt, geht auf Merkel selbst zurück. "Es war mein Wunsch, nach Bremerhaven zu kommen", sagt sie. Zwei Mal habe sie es bei Wahlkampfveranstaltungen ins Foyer des Auswandererhauses geschafft, aber nie in den Ausstellungsbereich – das will sie jetzt nachholen.

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Sich zum Ende ihrer Amtszeit noch einmal mit dem Thema Migration zu befassen, ist ihr ganz offensichtlich ein Bedürfnis. Davon zeugt auch ihr Eintrag im Gästebuch des Auswandererhauses, das neuerdings einen besonderen Akzent auch auf die Einwanderung legt. "Ein- und Auswanderung sind Teil unserer Geschichte und werden es bleiben", heißt es da. Migration sei kein neues Phänomen, erklärt sie vor laufender Kamera. "Man braucht nicht so zu tun, als ob es dieses Problem noch nie gegeben hätte."

Den Zeitplan hält die Kanzlerin fast auf die Minute genau ein. Sogar ein bisschen zu früh fährt die schwarze Audi-Limousine vor dem Auswandererhaus vor. Beiderseits des Haupteingangs haben sich insgesamt rund 100 Schaulustige hinter den Absperrbändern versammelt. Der Empfang fällt herzlich aus, spontan brandet Applaus auf, es sind Willkommensrufe zu hören, als Merkel aus dem Wagen steigt. Ein bisschen älter sei sie geworden, merkt eine Rentnerin an – um dann schmunzelnd hinzuzufügen: "Wie wir alle."

Reine Routine ist das obligatorische "Familienfoto" mit Merkel zwischen Bovenschulte und dem Bremerhavener Oberbürgermeister Melf Grantz, einen Platz in der zweiten Reihe erhalten DAH-Direktorin Simone Blaschka und der Architekt des Hauses, Andreas Heller. Als vergebliche Liebesmüh erweisen sich die auf dem Kopfsteinpflaster befestigten Kreppbänder, die Bovenschulte und der "BKin" einen exakten Standort zuweisen. Bovenschulte weist die Kanzlerin noch darauf hin, doch die macht sich nichts daraus – am Ende steht sie auf der Stelle, die für ihn vorgesehen ist.      

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Nur wenige Augenblicke währt das Bad in der Menge. Ein paar Handyfotos, ein paar warme Worte – und schon geht es hinein ins Auswandererhaus mit dem kamera- und mikrofonbewährten Journalistentross im Schlepptau, die übliche Promi-Prozession. Zurück bleibt nicht nur Salar Mahmoud mit seinen Gedanken an die Verhältnisse in Syrien. Zurück bleibt auch Köksal Sabah, ein Hotelbesitzer aus Bremerhaven. Danken wolle er der Kanzlerin, deshalb sei er gekommen. "Ein Dankeschön für die 16-jährige friedliche Regierung." Als Kind ist der 61-Jährige vor genau 50 Jahren aus der Türkei nach Deutschland eingereist. 

Erst am Morgen hat Volkmar Born zufällig im Internet vom Merkel-Besuch erfahren. Der Frührentner aus Leherheide war anfangs ein wenig skeptisch gegenüber der Kanzlerin. Aber das hat sich gründlich geändert, jetzt ist der 43-Jährige nach eigenem Bekunden "begeistert von ihr". Unter den Neugierigen hinter dem Absperrband ist auch Dietlinde Peter, die bei der Bundestagswahl "diesmal die anderen gewählt hat" – welche Partei, verrät sie nicht. Die 79-Jährige stammt aus dem sächsischen Vogtland, wohnt aber schon lange in Bremerhaven. 

Erst zum dritten Mal ist Merkel offiziell Gast des Landes Bremen. Natürlich war sie schon viel öfter an der Weser, aber wenn man Partei- und Fachveranstaltungen abzieht, bleiben nur zwei Besuche: 2007 als erster weiblicher Ehrengast der Schaffermahlzeit und 2010 zum Tag der Deutschen Einheit. Wobei Merkel ja eigentlich von der Stiftung Haus Seefahrt zum traditionellen Brudermahl geladen wurde. Doch beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt sei sie formal Gast des Bürgermeisters gewesen, sagt Protokollchefin Birgitt Rambalski. Zumindest für 20 bis 30 Minuten.

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Ziemlich genau anderthalb Stunden währt der Aufenthalt in Bremerhaven. Um das Arbeitspensum der Regierungschefin macht sich Bovenschulte keine Sorgen. Die Kanzlerin habe eine "eiserne Konstitution", die werde so schnell nicht müde. In ihrem Abschlussstatement betont Merkel, dass das Auswandererhaus vormache, wie mit dem Thema umzugehen sei. "Es handelt sich um Menschen. Es sind nicht die Deutschen, die ausgewandert sind, und es sind nicht die Syrer oder Afghanen, die kommen, sondern es sind immer auch einzelne Menschen."

Wer weiß, womöglich wird Angela Merkel eines Tages wiederkehren. Es sei vielleicht nicht das letzte Mal gewesen, dass sie ihren Fuß auf die Erde von Bremerhaven gesetzt habe, sagt sie zum Schluss. "Aber dann nicht als Bundeskanzlerin."

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