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Gespräch mit Carl Zillich Bremer City-Chef: Ich bin gekommen, um zu bleiben

In dieser Woche hat der neue Bremer Innenstadt-Intendant sein Amt angetreten. Auf Carl Zillich liegen viele Hoffnungen. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER spricht er über seine ersten Schritte.
04.02.2022, 12:54 Uhr
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Bremer City-Chef: Ich bin gekommen, um zu bleiben
Von Jürgen Hinrichs

Herr Zillich, Sie haben in dieser Woche Ihr Amt als Innenstadt-Intendant angetreten. Was sind Ihre ersten Schritte?

Carl Zillich: Ich werde zunächst einmal zuhören und Menschen kennenlernen, die für die Innenstadt bereits Verantwortung tragen oder das für die Zukunft tun könnten. Mich interessieren die Anlässe hinter den Debatten, polarisiert wird ja schon genug.

Wie meinen Sie das?

Na ja, nehmen Sie das Beispiel, ob die Straßenbahn in die Martinistraße verlegt werden soll. Wenn man die Bilder mit den Liegestühlen in der Obernstraße sieht, stehen die für etwas – ich glaube, mehr Grün alias Aufenthaltsqualität ginge auch heute schon. Da gibt es aus meiner Sicht kein Entweder-Oder. Das sollte – wie an vielen Punkten – differenzierter diskutiert werden.

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Geredet wurde über diese Frage und über die Innenstadt insgesamt eigentlich genug.

Finden Sie? An schnellen Ergebnissen bin ich auch interessiert, aber sie müssen den anstehenden Herausforderungen gerecht werden. Städte sind gebaut und somit träge, der Strukturwandel findet langsam statt, nicht nur in Bremen, sondern überall. Die Innenstädte erleben gerade eine Katharsis, sie müssen sich neu aufstellen, und dafür gibt es nun mal keine Patentrezepte. Das sind oft Operationen am offenen Herzen, die wohlüberlegt und breit aufgestellt sein müssen.

Sie werden für Bremen aber doch konkrete Vorstellungen haben?

Nein, dafür ist es noch zu früh. Ich kann doch nicht hierher kommen und Predigten halten, als wüsste ich alles besser. Es geht darum, dass wir gemeinsam Ideen entwickeln. Meine Rolle sehe ich dabei mehr als Koordinator, Moderator, vielleicht auch mal Mediator.

Womöglich bleibt Ihnen auch gar nichts anderes übrig. Sie werden an der Spitze der Projektgesellschaft von zwei Staatsräten flankiert. Die passen schon auf, dass Sie keine Alleingänge machen.

Will ich doch auch gar nicht. Meiner Ansicht nach wird die Konstruktion eher hilfreich sein. In Heidelberg habe ich als Kurator der Internationalen Bauausstellung mit meinem Team erlebt, wie vieles von dem, was wir vorhatten, an der Wirklichkeit zerschellt ist. Dadurch, dass das Innenstadtbüro über Frau Nießen und Herrn Wiebe stark mit den Behörden verzahnt ist, kann mir das in Bremen nicht so schnell passieren. Gleichzeitig werde ich mir als Neuer, zusammen mit zwei Mitarbeitenden, die noch kommen werden, als eigenständige Gesellschaft eine Unabhängigkeit bewahren. Ich kann Leute an einen Tisch holen, ohne dass mir gleich ein bestimmtes Interesse unterstellt wird.

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Gut, wir werden sehen, wer am Ende den Hut auf.

Entschuldigen Sie, aber an diesem Rivalisieren krankt doch gerade unsere Gesellschaft. Ich kann ja verstehen, wenn die Medien gerne personalisieren und zuspitzen. Mein Ansatz ist aber tatsächlich ein ganz anderer.

Dann erklären Sie ihn bitte noch einmal.

Ich werde jedenfalls nicht der heimliche Innenstadtbürgermeister sein oder der Chef der Innenstadt. Da gilt selbstverständlich das Primat der Politik. Meine Aufgabe ist es, für den Strukturwandel in der Innenstadt eine breite Basis zu schaffen, die diesen Wandel begleitet und bestenfalls auch steuert. Teamarbeit, sozusagen. Sehen Sie, das ist wie beim Rudern: Im Boot gibt es zwar eine klare Hierarchie, gleichzeitig muss aber die Balance gehalten werden, sonst fängt einer einen Krebs, was allen schadet.

Einen was?

Das ist eine Redewendung und bedeutet, dass ein Ruder im Wasser hängen bleibt. In meinem Achter saß ich übrigens unscheinbar im Mittelschiff, sagte aber die Spurts an.

Spurts kann Bremen gebrauchen.

Ach, ich finde die Stadt traut sich bereits was. Nehmen Sie den Verkehrsversuch in der Martinistraße oder die Pop-up-Stores. Das sind wichtige Experimente, die ungewöhnlich sind. Wir brauchen Beispiele für Transformation, neue Erfahrungen und Bilder davon, die etwas deutlich machen.

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In der Martinistraße wird probiert, was längst feststeht: der Rückbau auf zwei Fahrspuren. Das ist doch schierer Blödsinn.

Sind Sie sich da so sicher? Vielleicht verkennen Sie die Komplexität. Die Anzahl der Spuren ist das eine, was dadurch gewonnen werden kann das andere. Das ist ja das Problem in Deutschland, die Regulierungswut führt zu Scheuklappen. Bei den Fahrradbrücken, die in Bremen geplant sind, wird es bis zum Bau am Ende auch viele Jahre gedauert haben, weil Verantwortlichkeiten überall verteilt sind, weit über Bremen hinaus.

Werden Sie noch in Bremen sein, wenn eine der Brücken fertig ist?

Mein Vertrag läuft zunächst drei Jahre, mit der Option, ihn zu verlängern. Aber lassen Sie es mich so sagen: Ich bin gekommen, um zu bleiben.

Das Gespräch führte Jürgen Hinrichs

Zur Person

Carl Zillich (50)

hat Architektur studiert und war zuletzt in Heidelberg Kurator und Prokurist der Internationalen Bauausstellung. Zillich ist in Darmstadt geboren und in Oldenburg aufgewachsen.

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