Die Bremer CDU sieht im rot-grün-roten Koalitionsvertrag viel Ideologie und wenig konkrete Handlungsansätze für die Bewältigung der politischen Herausforderungen, vor denen das kleinste Bundesland steht. „Noch nie war ein Koalitionsvertrag so unkonkret wie dieser“, sagte Thomas Röwekamp, der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, am Dienstag vor der Presse. Gemeinsam mit dem neuen Landesvorsitzenden Carsten Meyer-Heder sezierte er das 140-Seiten-Dokument und fand – was niemanden überraschte – wenig Gutes.
Dem Vertragswerk mangelt es nach Ansicht der CDU-Spitze vor allem bei Bildung und Finanzen an greifbaren Aussagen. Beispiel Schulbau und -sanierung: Wann und wo wird konkret mit der Instandsetzung gestartet? Wie soll die Zusammenarbeit der Bildungsbehörde mit dem städtischen Immobilienmanagement verbessert werden? In welchem Umfang soll das Ganztagsangebot ausgeweitet werden?
Auf all diese Fragen liefere der Koalitionsvertrag keine Antwort. Für problematisch halten die Christdemokraten die Ankündigung der künftigen Regierungspartner, zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Unterrichtsqualität auf ärmere Quartiere zu konzentrieren. Erhebungen zum Bildungsstand der Schüler hätten in den vergangenen Jahren regelmäßig ergeben, dass die schulischen Leistungen in allen Stadtteilen hinter dem Niveau anderer Bundesländer zurückblieben. „Das Problem ist flächendeckend“, sagte Thomas Röwekamp. „Die Fokussierung auf einzelne Stadtteile ist deshalb falsch.“
Besonders hart ging Röwekamp mit dem innenpolitischen Kapitel ins Gericht. Die Weigerung von Rot-Grün-Rot, die Telekommunikationsüberwachung bei mutmaßlichen Straftätern auf die Höhe der Zeit zu bringen, komme einer „Einladung an kriminelle Clans gleich, sich in Bremen niederzulassen“, sagte der CDU-Fraktionschef. Sogar Thüringen mit seiner von der Linkspartei geführten Landesregierung habe ein effektiveres Polizeigesetz als Bremen. Insgesamt strahle der innenpolitische Abschnitt des Regierungsprogramms ein latentes Misstrauen gegenüber Polizei und Justiz aus.
CDU über die Kapitel Wirtschaft und Bau enttäuscht
Enttäuschend fällt die Lektüre des Koalitionsvertrages aus CDU-Sicht auch in den Kapiteln Wirtschaft und Bau aus. Der Flächenbedarf ansiedlungswilliger Unternehmen werde zwar bejaht, doch wo neue Gewerbestandorte entstehen könnten, bleibe „völlig unkonkret“. Die von Rot-Grün-Rot in Aussicht gestellten Ausbildungsfonds, in die nicht ausbildende Betriebe einzahlen sollen, seien kontraproduktiv. Das Problem liegt nach Einschätzung von Carsten Meyer-Heder nicht im mangelnden Willen von Unternehmern, Azubis einzustellen, sondern in der oft zu geringen schulischen Qualifikation der Bewerber.
Im Baubereich bleiben SPD, Grüne und Linke nach Ansicht von Thomas Röwekamp jegliche Antwort schuldig. Man sage zwar, wo nicht gebaut werden soll, präsentiere aber keine Alternativen. Dabei müsse die Bautätigkeit in Bremen dringend forciert werden, denn hohe Mieten seien vor allem die Folge eines zu knappen Angebots an Wohnraum.
Die Punkte, die aus Sicht der CDU zustimmungsfähig wären, lassen sich aus Sicht von Meyer-Heder und Röwekamp an einer Hand abzählen. So teile man etwa das Ziel eines autofreien Kernbereichs der Innenstadt. Auch beim Klimaschutz gebe es deutliche Überschneidungen. „Das wäre auch mit uns gegangen“, sagte Carsten Meyer-Heder, der als Spitzenkandidat seiner Partei im Bürgerschaftswahlkampf auf eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP gehofft hatte.
Die politische Selbstpositionierung des rot-grün-roten Bündnisses als „mitte-links“ ist für die CDU-Spitze Etikettenschwindel. Thomas Röwekamp: „Wenn dieser Koalitionsvertrag eines nicht ist, dann ,mitte-links‘.“ Rot-Grün-Rot blende die Mitte der Gesellschaft und deren Bedürfnisse aus.
Neben der CDU als größter Oppositionspartei bezogen am Dienstag auch andere politische Gruppierungen und Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft Stellung zum Regierungsprogramm. Lob und Ermunterung gab es zum Beispiel vonseiten der Wohlfahrtsverbände, die sich mit dem Ziel identifizierten, die Krippenbetreuung deutlich auszubauen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte die geplante Erhöhung der Zahl der Polizeibeamten, kritisierte aber die Einführung einer Beschwerdestelle.
+++ Dieser Artikel wurde um 22.03 aktualisiert + + +