Als Cold Cases bezeichnet die Polizei Fälle, bei denen die Spur erkaltet ist und die nach Jahren oder sogar Jahrzehnten noch einmal neu untersucht werden. Bei der Polizei Bremen werden diese Altfälle im Kommissariat 33 (K 33) für Kapitaldelikte bearbeitet – der Mordkommission. Auch Spezialisten der Dienststelle „Operative Fallanalyse“ – sogenannte Profiler – werden in die Ermittlungen integriert.
Eine eigene Cold-Case-Einheit gibt es laut Polizeisprecher Nils Matthiesen nicht. „Diese Altfälle werden nebenher bearbeitet. In den vergangenen Jahren ist dies in einigen ausgewählten Einzelfällen möglich gewesen, da die Belastung mit aktuellen versuchten Tötungsdelikten stark angestiegen ist.“ Trotz einer seit Jahren sehr hohen Aufklärungsquote im Bereich der Tötungsdelikte blieben immer wieder Fälle ungeklärt.
„In der Bremer Mordkommission sind seit den 1960er-Jahren mehr als 60 ungelöste vollendete und versuchte Tötungsdelikte sowie Fälle von Langzeitvermissten registriert, bei denen der Verdacht eines Tötungsdeliktes gegeben ist“, so Matthiesen. Insgesamt 50 dieser Fälle sind ab den 1980er-Jahren datiert. Das älteste registrierte Delikt stammt aus dem Jahr 1962.
Die Gründe dafür, warum ein Fall noch einmal aufgegriffen und neu ermittelt wird, sind unterschiedlich: „Ausschlaggebend sind oftmals verbesserte oder neue Methoden der kriminaltechnischen Spurensuche und -auswertung“, erklärt der Sprecher. Ende der 1990er-Jahre etwa etablierte sich in Deutschland die DNA-Analyse. Dadurch sind die Chancen gestiegen, Täter auch nach vielen Jahren zu identifizieren und Tatverdächtige auszuschließen. Geringste Mengen biologischen Spurenmaterials wie Blut, Speichel, Sperma, Haare oder Hautpartikel können mithilfe der Analyse einer Person zugeordnet werden. „Die DNA-Analyse ist aus der heutigen Ermittlungsarbeit nicht mehr wegzudenken“, heißt es dazu auf der Internetseite des Bundeskriminalamts.
Auch veränderte Lebensumstände von Beteiligten oder Zeugen der Taten führen nach Angaben dem Sprecher dazu, dass ein Fall wieder aufgerollt wird. In Bremen wurden bislang fünf Cold-Case-Fälle gelöst: Sie stammen aus den Jahren 1971, 1987, 1992 und 1994.
Als Vorreiter für Cold-Case-Ermittlungen gilt die US-amerikanische Bundespolizei FBI, 1996 wurde eine eigene Einheit aufgebaut. Auch die Polizei in Deutschland setzt mehr und mehr auf solche Modelle: In einigen Bundesländern gibt es mittlerweile eigenständige Teams, die ungeklärte Altfälle aufrollen und weiter ermitteln. Ende Juli 2021 etwa kündigte das nordrhein-westfälische Innenministerium an, die Ermittlungen von ungeklärten Tötungsdelikten bei der Polizei mit einer Sonderkommission neu aufzustellen: 28 Stellen sollten dafür ab Herbst des Jahres mit pensionierten Mordermittlern besetzt werden. „Wir suchen Leute mit einer immer noch guten Spürnase, die Lust haben, jeden Stein noch mal umzudrehen“, so NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).