Österreich hat den Lockdown trotz relativ hoher Infektionszahlen gelockert. Begleitet von einer umfassenden Test-Offensive haben am Montag Geschäfte und Schulen wieder aufgemacht. Auch in Deutschland wird über Wege aus dem Stillstand diskutiert.
Vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch fordern Bremer Experten die Einführung eines nationalen Stufenplanes. Lockerungen und Verschärfungen der Corona-Maßnahmen sollten an verbindliche Richtgrößen geknüpft werden. „Ein bundesweiter Stufenplan würde Klarheit schaffen“, sagt der Bremer Epidemiologie Hajo Zeeb, „er würde mehr Verlässlichkeit in die Pandemie-Bekämpfung bringen.“
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Niedersachsen hat bereits einen Stufenplan vorgelegt. Der Ansatz macht Lockerungen oder schärfere Maßnahmen abhängig von der Entwicklung des Sieben-Tage-Werts der Neuinfektionen und der Reproduktionszahl. Zwischen einem Inzidenzwert von zehn und 25 sind kleinere Kulturveranstaltungen, Breitensport und Gastronomie erlaubt. Ab 200 würde das öffentliche Leben komplett heruntergefahren werden. Eine Öffnung des Einzelhandels wäre ab einer Inzidenz von 50 vorgesehen. Zudem müsste der Reproduktionswert unter 0,8 liegen, ein Infizierter würde also im Durchschnitt weniger als 0,8 weitere Menschen anstecken.
„Stufenpläne sind eine gute Diskussionsgrundlage für die Frage: Wann und wo sind wieder Lockerungen möglich?“, sagt Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gegenüber dem WESER-KURIER. Entscheidend sei, an welchen Werten sich ein solcher Plan orientiere. „Die Inzidenz kann ganz sicher nicht der einzige Faktor sein, aber mit jedem zusätzlichen Wert verliert der Stufenplan für die Bürgerinnen und Bürger seine Überzeugungskraft“, so Bovenschulte.
Andreas Dotzauer, Virologe an der Uni Bremen, hält den Stufenplan aus Niedersachsen für hilfreich. „Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn man die niedersächsische Idee bundesweit umsetzen könnte“, sagt Dotzauer.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hofft, dass sein Vorschlag als Basis dient, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten. „Ich habe derzeit aber nicht den Eindruck, dass daran sonderlich intensiv gearbeitet wird“, sagte Weil, „der Bund übt sich da noch in Zurückhaltung.“
Auch die Bremer Grünen haben ein Positionspapier vorgelegt. „Die Menschen in Deutschland sind erschöpft, das Vertrauen sinkt“, sagt Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin der Grünen, „wir müssen verlässliche Perspektiven bieten und Ziele definieren, die wir gemeinsam erreichen wollen.“
Bremer Grüne wollen Öffnungsplan mit Ampelsystem
Die Grünen werben für einen Stufenplan in Form eines Ampelsystems: Bei einer Inzidenz von unter 50 gilt die grüne Stufe, das öffentliche Leben könnte weitgehend uneingeschränkt stattfinden. Bei einem Wert über 50 leuchtet die Corona-Ampel orangefarben: Schulunterricht in Halbgruppen und Arbeit im Homeoffice wären angesagt, die Läden blieben geöffnet. Wenn der Wert nicht sinken oder auf 100 klettern würde, käme es zum harten Lockdown, Ampelstufe rot.
Italien hat bereits ein Ampelsystem für Regionen eingeführt. In roten Zonen herrscht die höchste Ansteckungsgefahr, in weißen ist sie gering. Dazwischen gibt es gelbe und orange Zonen. Welche Farbe eine Region bekommt, hängt neben den Infektionszahlen auch von der Anzahl der freien Intensivbetten und den Todesfällen ab. Viele Regionen sind derzeit gelbe Zonen. Dort haben Restaurants wieder bis 18 Uhr geöffnet, auch Läden und Museen können besucht werden.
„Ein Stufenplan kann Orientierung bieten“, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Bremer Gesundheitsbehörde, „aber er hilft nicht, um auf kurzfristige Ereignisse in der Pandemie zu reagieren.“ Fraglich sei auch, ob Bremen einen Stufenplan umsetzen könnte, ohne das Umland einzubeziehen. „Wenn die Inzidenz in Bremen einen Wert im Stufenplan unterschreitet und alle Geschäfte öffnen“, sagt Fuhrmann, „was macht dann Niedersachsen mit einer Inzidenz, die noch zu hoch für Öffnungen ist?“
Epidemiologie Hajo Zeeb fordert regionale Pandemie-Räte aus Experten und Bürgern. Sie könnten bei der Umsetzung des nationalen Stufenplanes lokale Besonderheiten berücksichtigen. Ohnehin dürfe man sich den Plan nicht allzu starr vorstellen. „Auch ein Stufenplan muss an die dynamische Entwicklung angepasst werden“, sagt Zeeb. „In einer Pandemie lässt sich nicht alles vorplanen, wir werden weiter mit Ungewissheiten leben müssen.“