An diesem Freitag hat die EU-Kommission für das Medikament Remdesivir unter Auflagen für die Behandlung schwer erkrankter Corona-Patienten die Zulassung erteilt – in Kliniken im Land Bremen wird es bereits seit einigen Wochen eingesetzt. Vor der offiziellen Zulassung durch die europäische Behörde war dies bei schweren Verläufen als individueller Heilversuch möglich.
„Drei Patienten, die mit sehr schweren Symptomen auf der Intensivstation behandelt wurden, haben Remdesivir bekommen“, sagt Rolf Dembinski, Professor und Klinikdirektor der Intensiv- und Notfallmedizin am Klinikum Bremen-Mitte. Die Patienten hätten aufgrund der durch das Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 zusätzlich mit Sauerstoff beatmet werden müssen. „Sie waren bereits sehr schwer erkrankt, wir hatten aber den Eindruck, dass sie sich noch in der Frühphase der Erkrankung befanden“, sagt der Arzt. Heißt: Der Zustand hätte sich bei einem Fortschreiten weiter erheblich verschlechtern können, sodass akute Lebensgefahr bestünde.
Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, zeigte aber eine zu geringe Wirkung. Die Hoffnung, die mit dem Einsatz bei schwer erkrankten Corona-Patienten verknüpft ist: Eine internationale Studie mit über 1000 Teilnehmern hatte Ende April gezeigt, dass Remdesivir bei Covid-19-Patienten die Zeit bis zu einer Genesung im Schnitt um vier Tage verkürzen kann, von 15 auf elf Tage. Allen drei Patienten, die auf der Intensivstation am Klinikum Mitte mit dem Hoffnungsträger behandelt wurden, geht es laut Chefarzt Dembinski besser.
„Allerdings können wir nicht sagen, ob dies tatsächlich auf das Medikament zurückzuführen ist. Es gibt derzeit keinen eindeutigen Marker, an dem man dies ablesen und überprüfen könnte. Allein die Viruslast reicht dafür nicht aus.“ Dies ist Gegenstand weltweiter Studien, in denen Wirksamkeit und Sicherheit, etwa in Bezug auf Nebenwirkungen, getestet werden.
Kritik an der WHO
Auch in Bremen sollte eine internationale Studie seit etwa Mitte April laufen, in der neben Remdesivir auch andere potenziell für die Behandlung von Corona-Patienten geeignete Medikamente untersucht werden sollten. Das Institut für Pharmakologie am Klinikum Mitte, das zum kommunalen Krankenhausverbund Gesundheit Nord (Geno) gehört, sollte den deutschen Teil einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) federführend leiten. Laut Geno-Sprecher Rolf Schlüter wartet das Bremer Institut nach wie vor auf den Startschuss. Der Direktor des Instituts, Bernd Mühlbauer, hatte im WESER-KURIER vor allem die WHO für die Verzögerung verantwortlich gemacht. Mühlbauer kritisierte, die Weltgesundheitsorganisation habe die Untersuchung schlecht vorbereitet.
Das Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide (KBR) setzt neben Remdesivir ein weiteres Medikament zur Behandlung schwer erkrankter Covid-19-Patienten ein: Dexamethason. „Eine britische Studie mit über 2000 Patienten hat gezeigt, dass dieses Cortison-Medikament die Krankheitsverläufe mildert und bei beatmeten Patienten die Sterblichkeitsrate signifikant senkt“, sagt der Chefarzt der Intensivmedizin, Oliver Radke laut einer Mitteilung des Klinikums. Dexamethason sei ein Entzündungshemmer, der bereits seit Jahren zum Einsatz komme, auch im Bremerhavener Krankenhaus. „Wir haben mit dem Medikament also bereits Erfahrung und kennen mögliche Nebenwirkungen.“
Mit Remdesivir seien drei Patienten behandelt worden, sagt KBR-Oberarzt und Intensivmediziner Olaf Kück. Es werde seit etwas mehr als zwei Wochen eingesetzt. „Und zwar bei Patienten mit nachgewiesener Covid-19-Infektion, die an schwerer Atemnot, Lungenentzündung und Fieber leiden und Nebenerkrankungen haben.“ Die Fallzahl sei zu gering, um allgemeingültige Erkenntnisse daraus ableiten zu können. „Aber für diese drei Patienten können wir feststellen: Wir haben keine großen Nebenwirkungen beobachtet“, betont der Arzt. Zwei der drei Patienten hätten die Intensivstation Ende Juni wieder verlassen können.
„Wir beobachten die Studienlage genau und prüfen derzeit, wie Remdesivir für unsere Patienten beschafft und gegebenenfalls eingesetzt werden kann“, sagt Dorothee Weihe, Sprecherin des Rotes Kreuz Krankenhauses (RKK) in Bremen. „Wir halten uns beim Einsatz an die Zulassung der europäischen Arzneimittel-Agentur EMA.“ Zu Dexamethason lägen bisher nur Daten vor, die nicht durch Fachgremien geprüft worden seien, diese klängen aber sehr vielversprechend. Aufgrund der fehlenden Veröffentlichung in der Fachpresse empfehle die sogenannte S1-Leitlinie vom 19. Juni dieses Jahres derzeit noch keinen Einsatz von Dexamethason. „Da das Medikament bereits für andere Indikationen zugelassen ist und in der empfohlenen Dosis relativ nebenwirkungsarm ist, setzen wir es bei schweren Verläufen als individuellen Heilversuch ein“, so die Sprecherin.