Es sollte die letzte Möglichkeit, die letzte Lösung sein. Der Einsatz von Reisebussen im öffentlichen Nahverkehr in Bremen gilt bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) als schwieriges Thema. Um den Infektionsschutz und genügend Abstand in Corona-Zeiten zu gewährleisten, wollen die Verantwortlichen der BSAG diesen Schritt aber nun machen.
„Wir prüfen intensiv, ob und wo wir mehr Fahrzeuge und Personal einsetzen können. Wir schauen, was technisch geht und was wir extern vergeben können“, sagt Matthias Zimmermann, seit ein paar Tagen Interims-Vorstand der BSAG, bei einer Video-Pressekonferenz am Mittwoch. Man untersuche, auf welchen Strecken Reisebusunternehmen einzelne Fahrten übernehmen könnten, damit die Busse und Bahnen im Linienverkehr entlastet werden. Zur Finanzierung dieses Vorhabens sind laut dem Verkehrsressort die ersten Gespräche gelaufen, Geld könnte aus dem Bremen-Fonds kommen.
Der WESER-KURIER hatte berichtet, dass die BSAG beim Einsatz von Fahrzeugen und Personal an ihre Kapazitätsgrenze gelangt ist. Daraufhin hatten mehrere Parteien gefordert, der Verkehrsbetrieb solle mit privaten Busunternehmen zusammenarbeiten. Die BSAG und das grün-geführte Verkehrsressort hatten diesen Plänen bislang allerdings eine Absage erteilt.
Ein Umdenken soll es auch jetzt nicht gegeben haben, sagt BSAG-Srecher Jens-Christian Meyer. Denn bereits seit dem Lockdown im Frühjahr prüfe man die Fremdvergabe an externe Unternehmen. Das sei jedoch nicht ganz einfach, weil es in den Reisebussen an Ticketautomaten, an Einrichtungen für die Ampelsteuerung oder Barrierefreiheit fehle. „Außerdem ist durch die engeren Gänge und kleineren Ein- und Ausgänge das Infektionsrisiko in den Reisebussen höher. Ein Risiko, das wir mitbeachten müssen“, sagt Meyer.
Die Spitzenzeiten entschärfen
„Der Einsatz von Reisebussen ist nicht im gesamten Netz möglich“, ergänzt BSAG-Vorstand Zimmermann. Im Gegensatz zu den regulären Linienfahrzeugen seien diese teilweise höher und könnten unter einigen Unterführungen nicht durchkommen. „Aber wir wollen die Spitzenzeiten entschärfen, das Aufkommen entzerren und an bestimmten Stellen die Linien verstärken“, so Zimmermann. Auf der Strecke vom Hauptbahnhof zum Güterverkehrszentrum können die privaten Fahrzeuge eher nicht eingesetzt werden, weil sie dort teilweise auf Schienen fahren müssten. Mit den Linien 52 (Huchting/Kattenturm) und 29 (Kattenturm/Neue Vahr Nord) hätten sich zwei andere Strecken als Favoriten herauskristallisiert.
Konkrete Gespräche mit privaten Unternehmen habe es noch nicht gegeben, aber man suche nach Möglichkeiten und Erleichterungen, die man den Firmen anbieten könne. Warum die BSAG diesen Plänen erst eine Absage erteilte und nun doch darauf zurückkommt, hat auch mit einem steigenden Krankenstand im Unternehmen zu tun. „Zähneknirschend müssen wir diesen Weg nun gehen“, sagt BSAG-Sprecher Meyer.
Weil es immer wieder den Vorwurf von überfüllten Bussen und Bahnen gegeben hatte, schauen die Nahverkehrsexperten der BSAG nun auch genauer auf die Ströme und Zahlen der Fahrgäste. „Seit Beginn des Winterfahrplans am Montag melden alle Fahrer die täglichen Besetzungszahlen an unsere Leitstelle“, sagt Kirsten Krieshammer, Fachbereichsleiterin im Center Betrieb. Zudem kontrolliere extra abgestelltes Personal die Fahrgastströme. Ein Drittel der Bahnen und zwei Drittel der Busse seien mit elektronischen Zählsystemen ausgestattet, die Informationen zur Nutzung lieferten. Zudem würden die Rückmeldungen ans Kundenmanagement mit in die Bewertung einfließen.
In der kommenden Woche sollen erste Zahlen zur Nutzung auf die Seite der BSAG gestellt werden. Eine Echtzeit-Anzeige sei technisch noch nicht möglich. „Im Berufs- und Schülerverkehr kommt es auf einzelnen Fahrten zu vollen Fahrzeugen, aber keinesfalls flächendeckend im gesamten Netz“, sagt Krieshammer.
Im Vergleich zum Frühjahr, als die BSAG ihr Angebot reduzierte, fahren Busse und Bahnen derzeit mit voller Kapazität, sagt Zimmermann. Die Auslastung mit Fahrgästen liege bei etwa 70 Prozent, sinke durch den Lockdown aber weiter. Der BSAG-Vorstand verweist auf Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts zu den Haupt-Ansteckungsorten vom September. Demnach gingen 0,2 Prozent aller Infektionen auf Fahrten im ÖPNV zurück. Der Nahverkehr in Bremen ist laut Zimmermann kein Infektionsherd. Es habe „so gut wie keine Infektionen von Fahrgästen oder Personal“ gegeben. Das Lüften an allen Haltestellen und die Maskenpflicht seien wirksam.
Nordwestbahn fehlen die Kapazitäten
Die Taktung bei der Nordwestbahn soll im Winter gleich bleiben. „Es gibt also nicht mehr Züge“, sagt Sprecher Steffen Högemann. Eine Erweiterung des Angebots sei nicht möglich, weil keine Kapazitäten mehr verfügbar seien. „Es kann auch keine längeren Züge geben, weil auf längeren Strecken einige Bahnhöfe dafür nicht ausgerüstet sind und wir diese Stationen ja nicht einfach auslassen könnten“, so Högemann.
Das wäre beispielsweise auf der Strecke von Farge zum Hauptbahnhof möglich, aber es würden dafür die Waggons fehlen. Das Streckennetz der Deutschen Bahn sei zudem zu mehr als 100 Prozent ausgelastet. Bei der Nordwestbahn gebe es unterdessen bei den Fahrgästen derzeit eine Auslastung von 75 Prozent im Vergleich zu den Zahlen von 2019. „Wir kämpfen im Raum Bremen noch immer mit einer relativ hohen Zahl an Maskenverweigerern“, sagt Hogemann.