Bis Anfang September wurden am Bremer Landgericht in den sogenannten "Encrochat-Prozessen" insgesamt 47 Drogen- und Waffenhändler zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Addiert man die verhängten Strafen, so werden diese Verurteilten 300 Jahre und 5 Monate hinter Gittern verschwinden. Doch selbst dies ist erst ein Anfang, zahlreiche weitere Verfahren stehen noch aus. Was die CDU zu einer Anfrage an den Senat bewegte, ob und wie das zu erwartende Arbeitspensum von der Polizei zu bewältigen ist. Nicht jede der Fragen konnte die Innenbehörde beantworten.
Wie berichtet, gelang es französischen und niederländischen Ermittlern 2020, den verschlüsselten Messengerdienst "Encrochat" zu infiltrieren, der den Sicherheitsbehörden als "Whatsapp für Kriminelle" gilt. Im Fokus standen dabei insbesondere Drogenhändler. Um den erfolgreich den Prozess machen zu können, müssen die abgeschöpften Daten allerdings erst ausgewertet werden. Eine Mammutaufgabe: Allein in Bremen führten die Encrochat-Daten zu rund 500 Nutzern, was in 160 Ermittlungsverfahren mündete und die Auswertung von fast 1,9 Millionen Chatzeilen bedeutete.
Zur Bearbeitung dieser Datenmengen hat das Landeskriminalamt (LKA) im Sommer 2020 eine besondere Aufbauorganisation (BAO) gegründet, die diese Aufgabe perspektivisch mindestens bis in das Jahr 2024 wahrnehmen wird, heißt es in einer Sitzungsvorlage für die Innendeputation, die am 28. September tagt. Was die Bewältigung der anstehenden Arbeit angeht, gibt die Innenbehörde ausdrücklich Entwarnung: "Die Bearbeitung der vorherrschenden Datenmenge kryptierter Täterkommunikation ist mit den bisherigen Personalaufwänden möglich."
Für die besondere Aufbauorganisation hatte der Senat im November vergangenen Jahres 22 zusätzliche Stellen sowie 8,17 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wobei dieses Geld aus Einnahmen der Vermögensabschöpfung und Unternehmensgeldbußen im Zeitraum zwischen Anfang 2022 und Ende 2025 finanziert werden soll. 18 der genehmigten zusätzlichen Vollzeitstellen wurden der Polizei Bremen zugewiesen, vier der Ortspolizeibehörde Bremerhaven zur Verstärkung der dortigen Encrochat-Ermittlungen.
85 Fahrzeuge einkassiert
Dass die Rechnung finanziell aufgehen könnte, belegen Zahlen aus den bisherigen Verfahren: Neben der Sicherstellung einer großen Menge an Betäubungsmitteln und
mehrerer erlaubnispflichtiger Schusswaffen wurde bei den bislang verurteilten Tätern bislang eine Summe von über 32 Millionen Euro an vorläufigen Vermögensarresten erwirkt. Hierbei wurden unter anderem 85 Fahrzeuge vorläufig sichergestellt und 51 Immobilien mit Sicherungshypotheken belegt, erläutert die Innenbehörde. Die Summe der durch ein Gerichtsurteil festgelegten Einziehung von Vermögenswerten betrug über 19 Millionen Euro, knapp drei Millionen davon konnten bereits gerichtlich eingezogen werden.
Was allerdings das benötigte Personal betrifft, weist die Innenbehörde trotz der zusätzlichen Stellen auf eine mögliche Unwucht hin. Im Zuge der Bildung der besonderen Aufbauorganisation habe es innerhalb der Kriminalpolizei und beim LKA "Umsteuerungsmaßnahmen" gegeben. Was nichts anderes bedeutet, als dass für die BAO Personal aus anderen Abteilungen abgezogen wurde. Bei denen sei deshalb "ein verlangsamter Abbau und in Teilbereichen ein Anstieg von Bearbeitungsrückständen zu prognostizieren".
Neue technische Hilfsmittel
Unterstützung erhoffen sich die Ermittler durch den Einsatz neuer technischer Hilfsmittel. Um die Massendaten schneller sichten zu können, wurden im Land Bremen in den vergangenen zwei Jahren Hard- und Softwarelösungen für Auswerte/-Analyseprozesse erworben beziehungsweise durch andere Behörden zur Verfügung gestellt, beantwortet die Innenbehörde eine weitere Frage der CDU. "An weiteren Software-Lösungsmöglichkeiten zur Bearbeitung der offengelegten, kryptierten Telekommunikation wird derzeit gearbeitet."
Was dringend nötig werden könnte, denn nach Encrochat gelang es internationalen Ermittlungsbehörden inzwischen, einen weiteren Messenger zu knacken, den kanadischen Krypto-Dienst "Sky-ECC". Von dem heißt es, dass er noch weit mehr Daten über kriminelle Aktivitäten liefern wird als Encrochat. Was dies für die Bremer Polizei bedeuten könnte, erkundigte sich die CDU. Doch hierzu musste die Innenbehörde passen. Weder zum Umfang der Sky-ECC-Daten noch zum Zeitpunkt, wann sie übermittelt werden, gebe es vonseiten des Bundeskriminalamtes Angaben.