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Tut Bremen zu wenig für Geflüchtete? Defizite bei Arbeitsmarkt-Integration

Bremen bemüht sich um Maßnahmen für junge Geflüchtete, die von der Schule abgehen, aber noch nicht ausbildungsreif sind. "Zu wenig und oft viel zu spät", kritisiert die CDU dieses Bemühen.
29.05.2018, 17:17 Uhr
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Defizite bei Arbeitsmarkt-Integration
Von Ralf Michel

Die CDU-Fraktion hinterfragt die Bemühungen der Landesregierung, Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In einer großen Anfrage haben sich die Christdemokraten im April nach Sprachkursen, Qualifizierungsmaßnahmen und die Anerkennungsverfahren von ausländischen Abschlüssen erkundigt. Die Antwort des Senats hierzu liegt jetzt vor. Und bestätigt zum Teil die Befürchtungen der CDU. „Zu wenig und oft viel zu spät“, kommentiert Sigrid Grönert, sozialpolitische Fraktionssprecherin, die getroffenen oder geplanten Maßnahmen. „Viel Aktionismus, aber oft nichts Festes, sondern wieder nur Übergangsprogramme.“

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Im Sommer 2018 werden rund 800 junge Geflüchtete und Zuwanderer die Berufsschulen in Bremen verlassen. Für sie besteht dann keine Schulpflicht mehr. „Doch die direkte Aufnahme einer dualen Ausbildung ist für fast alle Absolventen völlig unrealistisch“, erklärt Grönert den Hintergrund der CDU-Anfrage. Der Senat bestätigt die Zahl und spricht von einer „besonderen Herausforderung“. Man bemühe sich um möglichst adäquate Anschlüsse für den weiteren beruflichen und/oder schulischen Werdegang. Dies könne unter anderem die berufsbezogene Sprachförderung sein, für die 150 Plätze zur Verfügung gestellt werden, Einstiegsqualifizierungen (250 Plätze) oder auch die Wiederholung eines Schuljahres (100 Plätze).

Hinzu kommt die sogenannte Bremer Integrationsqualifizierung. Die sieht in Phase I rund 400 Plätze in Ferienkursen vor, zum Beispiel Theaterworkshops, Sport- und Kulturangebote. Diese Kurse sind zeitlich allerdings auf die Sommerferien begrenzt. In Phase II sollen dann 200 Flüchtlinge ein Jahr lang auf die Aufnahme in eine Einstiegsqualifizierung vorbereitet werden, die ihrerseits wiederum als Vorbereitung für den Beginn einer Lehre dient.

Ungeklärte Detailfragen

Abgesehen davon, dass mit diesen Maßnahmen nach derzeitigem Stand nach den Sommerferien lange nicht alle 800 Schulabgänger untergebracht sein werden, bleiben aus Sicht von Sigrid Grönert viele Detailfragen offen. Ein Beispiel dafür seien die Einstiegsqualifizierungen (EQ), die es seit 2015 gibt. Bislang liegt hier die Anzahl der Abbrecher bei rund einem Viertel. „Rechnet man das auf die 250 EQ-Plätze hoch, die jetzt angeboten werden sollen, kommen da in Kürze weitere gut 60 Abbrecher dazu. Was wird mit denen? Wer kümmert sich um die?“ Grönerts Argwohn insgesamt: Sobald die Flüchtlinge nicht mehr schulpflichtig sind, zieht sich der Staat zurück und überlässt sie Einrichtungen wie dem Jobcenter oder der Agentur für Arbeit.

Wie es dort in einigen Bereichen weitergeht, verdeutlicht die Antwort des Senats zum Testverfahren „MySkills“ in Bremen. Diese Tests dienen Jobcenter und Arbeitsagentur zur Einschätzung von Qualifikationen und Befähigungen der Flüchtlinge. Das Ergebnis fiel laut Senat ernüchternd aus. Vielfach habe sich herausgestellt, dass kaum oder nur geringe Kenntnisse bei den Teilnehmern nachgewiesen werden konnten.

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Auch um Misserfolge für die Betroffenen zu vermeiden, konzentriere sich die Arbeitsverwaltung deshalb aktuell verstärkt auf diejenigen, „bei denen eine mindestens durchschnittliche bis überdurchschnittliche fachliche Kompetenz vermutet wird“. Demnach wurden in Bremen 2016 und 2017 insgesamt 225 der MySkills-Tests durchgeführt. Eine Zahl, die Grönert kaum glauben mag. „Wir haben 10.000 gemeldete Flüchtlinge und davon konnten nicht mehr geprüft werden?“

Ähnlich erstaunliche Zahlen fördert die Frage der CDU nach den Anerkennungen von Berufen und Studienabschlüssen zutage, die die Flüchtlinge in ihren Heimatländern erworben hatten. Ganze sechs anerkannte Hochschulabschlüsse für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter standen hier 2016 zu Buche, 2017 waren es acht. Hinzu kamen in beiden Jahren gemeinsam drei Elementarpädagoginnen.

Wenig Berufsanerkennungen

Ähnlich die Zahlen bei den staatlich geprüften Erzieherinnen und Erziehern – drei entsprechenden Abschlüsse wurden 2016 anerkannt, 2017 waren es vier. Plus weitere drei sozialpädagogische Assistenten. Noch niedriger lag die Berufsanerkennungsquote bei Lehrern. Hiervon gab es 2016 gerade zwei und 2017 keinen einzigen. Insgesamt 27 Abschlüsse wurden in dieser Zeit aber zumindest zum Teil anerkannt.

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Mit höheren Zahlen kann die Ingenieurkammer Bremen aufwarten. 2016 wurden 87 Genehmigungen an Flüchtlinge erteilt, die Berufsbezeichnung „Ingenieur/in“ zu führen. 2017 waren es 74, eine ähnliche Zahl wird für 2018 prognostiziert.

Für Sigrid Grönert liegt abschließend auf der Hand, dass Bremen mehr tun muss, um vor allem junge Flüchtlinge auf das Arbeitsleben vorzubereiten. Diskutiert wird dies allerdings nicht mehr in der laufenden Bürgerschaftswoche. „Wir versuchen, das Thema Ende Juni auf die Tagesordnung der Bürgerschaft zu bringen.“

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