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Guss in Innsbruck Der Dom in Bremen bekommt eine neue Friedensglocke

Feierlicher Akt am Freitag in einer Gießerei in Innsbruck: Die "Brema" entsteht. Der Bremer Dom bekommt eine neue Friedensglocke. Wie der Guss genau abgelaufen ist.
17.12.2022, 05:00 Uhr
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Der Dom in Bremen bekommt eine neue Friedensglocke
Von Jürgen Hinrichs

Es ist der spannendste Moment, der entscheidende: Sieben Tonnen Metall, die langsam und mit großer Vorsicht in die Form gegossen werden. Hält das Gerüst, klappt alles? Oder sind zweieinhalb Monate Vorarbeit für die Katz? Das ist an diesem Vormittag die Frage. Ein wichtiges Ereignis, historisch geradezu, für Bremen und seinen Dom.

Die neue "Brema" wird geboren, die Friedensglocke. Vier Minuten, und sie ist in der Welt – so lange wird es nach Schätzung der Fachleute dauern, bis das glühende Metall den vorgesehenen Platz ausfüllt und langsam erstarrt. Ein feierlicher Akt am Freitag in der Innsbrucker Glockengiesserei Grassmayr. Wird er gelingen?

Kurz vor zehn in Innsbruck. Es schneit. Eine Abordnung der Bremer Domgemeinde, die eigens nach Österreich gekommen ist, lässt sich bei Grassmayr gerade durch das Glockenmuseum führen, als der Gang eilig abgebrochen werden muss. Peter Grassmayr ruft die Gruppe herbei, er ist für den Guss zuständig. Das Metall wird seit Mitternacht erhitzt und hat jetzt, in diesen Minuten, die richtige Temperatur erreicht. Exakt 1060 Grad müssen es sein. Nun aber schnell, sagt Grassmayr. Es ist gerade noch Zeit für ein gemeinsames Gebet und den obligatorischen Segen, dann geht es los. Die dampfende Bronze läuft in den Hohlraum, glatt und ohne Makel. Alle sind erleichtert und voller Freude – die Arbeiter und Chefs der Gießerei, Kunsthandwerker allesamt, und der Besuch aus Bremen natürlich auch.

Glocken, so mächtig sie auch sind, können kaputt gehen. "Sie können springen", erklärt Johannes Grassmayr, der mit seinem Bruder Peter das mehr als 400 Jahre alte Familienunternehmen leitet. Mit der "Brema" ist das bereits drei Mal passiert, drei Mal seit 1894, dass sie einen Riss bekam. Jetzt muss sie deshalb wieder ausgetauscht werden. Ist das Pech oder Unvermögen? Haben die Glockengießer früher nicht genug aufgepasst?

"Von uns gibt es eine Glocke, die läutet seit dem Dreißigjährigen Krieg, genau seit 1638", sagt Grassmayr. Trotzdem: "Dass sie ewig halten, ist immer so eine Sache." Ganz wichtig sei der Klöppel, ob seine Halterung mit den Jahren möglicherweise locker geworden ist und der Schlag nicht mehr so trifft wie notwendig, damit die Glocke keinen Schaden nimmt. Doch so weit sind sie mit der neuen "Brema" in Innsbruck noch nicht. Kein Klöppel, kein Schlag, auch nicht probehalber. Erklingen wird die Glocke erst später.

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Die Grassmayrs beschreiben in einer Broschüre ihres Unternehmens, wie sehr ihnen der Guss immer bevorsteht: "Jede Großglocke ist eine besondere Herausforderung, die den Gießern sowohl Freude als auch einige schlaflose Nächte bereitet, ist der Guss doch mit einem hohen Risiko verbunden." Es komme vor, dass mehrere Anläufe unternommen werden müssen, wie zum Beispiel bei der sogenannten Pummerin des Wiener Stephansdoms. Entscheidend sei, den Druck des flüssigen Metalls in der Glockenform genau zu berechnen. "Bei diesen ungeheuren Kräften besteht nicht nur die Gefahr, dass die Glocke durch eine veränderte Form musikalisch verzerrt wird und Verzierungen deformiert werden – die Glocke könnte auch komplett misslingen, wenn sich der Glockenmantel während des Eingießens hebt."

Bei der neuen "Brema" ist von alledem nichts eingetreten. "In Gottes Namen" hatte Peter Grassmayr vor Beginn des Gusses den Erfolg beschworen. Der Herr war gnädig, könnte man sagen. Und da hat es gepasst, welches Lied zum Abschluss der Zeremonie gesungen wurde: "Großer Gott, wir loben dich".  Beschwingt konnte die Abordnung aus Bremen danach ihren Rundgang durch das Glockenmuseum fortsetzen. Beschwingt, weil alles gelungen ist, aber auch, weil eines bei Grassmayr nach erfolgreicher Glockengeburt nicht fehlen darf: der Guss-Schnaps. Ein Prost auf die neue "Brema"!

Wenige Wochen noch, dann kommt die Glocke nach Bremen und wird im Südturm des Doms mit großem Brimborium aufgehängt. Ihre Vorgängerin schlägt bereits seit fünf Jahren nicht mehr, sie ist beschädigt und tritt nun endgültig außer Dienst. Die neue "Brema" soll an Ostern das erste Mal läuten. Auf den Klang darf man gespannt sein.

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