Nichts gegen einen guten Konsens. Schließlich baut die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik genau auf diesem Prinzip auf. In der Politik herrschte in den grundsätzlichen Linien über Jahrzehnte hinweg weitgehende Einigkeit, und die paritätische Mitbestimmung hat der Industrie nicht geschadet, eher im Gegenteil.
Der Bremer Schulkonsens, der nun um weitere zehn Jahre verlängert wird, scheint in dieser Tradition zu stehen. Die vier größten Parteien haben ihn vereinbart, alle Fraktionen der Bürgerschaft mit Ausnahme der FDP wollen ihm zustimmen. Die Bildungspolitik soll verlässlich sein, so lautet die Begründung. Die CDU freut sich, dass das Gymnasium nicht infrage gestellt wird, während Rot-Grün keine Zweifel an der Inklusion aufkommen lässt.
Alle Beteiligten betonen, es handele sich nur um einen Rahmen und die Bildungspolitik werde selbstverständlich auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. So propagiert CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren auch an den Gymnasien. Es ist eine Forderung, die in der Stammklientel der CDU gut ankommt, aber wohl kaum den Wahlausgang in acht Monaten maßgeblich bestimmen wird. Was bleibt, ist die Frage der Finanzierung, und auch da sind sich alle einig: Die Schulen brauchen mehr Geld.
Man muss kein CDU-Anhänger sein, um sich zu fragen, was die größte Oppositionspartei geritten hat. Denn es ist ja nicht so, dass die Bildungspolitik unumstritten wäre. Rot-Grün ist, auch wenn zuletzt Besserung erkennbar wird, auf diesem Feld nachhaltig gescheitert. Regelmäßig belegen Bremer Schülerinnen und Schüler im bundesweiten Vergleich die letzten Plätze. Arbeitgeber klagen über fehlende Grundkenntnisse ihrer Auszubildenden in Rechtschreibung und Rechnen. Fachkräfte sind schwer zu einem Umzug nach Bremen zu bewegen, weil die Schulen einen so schlechten Ruf haben. Junge Familien ziehen deswegen ins niedersächsische Umland.
Die Lage ist katastrophal. Und nein, der Senat trägt daran nicht die volle Schuld, denn Stadtstaaten mit ihrem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und vielen bildungsfernen Familien haben es da besonders schwer. Aber der Senat trägt die volle Verantwortung: gegenüber den Kindern und Jugendlichen, aber auch gegenüber den Lehrern, die Tag für Tag versuchen, das Unmögliche möglich zu machen, die sich durch Engagement, Leidenschaft und auch Trotz auszeichnen und sich nicht unterkriegen lassen.
Schlechte taktische Entscheidung
Die CDU hätte die Frage zum Wahlkampfthema machen müssen, ob der rot-grüne Senat seiner Verantwortung in der Bildungspolitik gerecht wird. Stattdessen wird der Schulkonsens um zehn Jahre verlängert und damit jede grundsätzliche Annäherung verhindert. Der Spitzenkandidat kann wohl nichts dafür, er versteht nichts von Wahlkampf, weil er noch nie einen geführt hat. Aber er scheint, das zeigt auch dieses Beispiel, der einzige der CDU-Granden zu sein, der tatsächlich regieren will. Dass seine Parteifreunde das Streitthema nahezu vollständig von der Agenda nehmen, illustriert, wie gut man es sich in der Opposition eingerichtet hat. Hier der Konsens, da auch mal ein scharfes Wort, aber bloß nicht Verantwortung übernehmen: Auf dieser Linie bewegt sich die CDU offenbar ein weiteres Mal.
Der Schulkonsens ist nicht nur für die CDU eine schlechte taktische Entscheidung, er ist auch undemokratisch. In allen Wahlumfragen zeigt sich die große Unzufriedenheit der Menschen in Bremen mit der Bildungspolitik. Es gibt eigentlich niemanden, der rundum zufrieden wäre. Manche finden einzelne Schulen oder auch bestimmte Lehrer großartig, aber dass es insgesamt in die richtige Richtung laufe, sagt wirklich niemand. Es ist doch ein fatales Signal an die Wähler, dass eine Regierung, die über eine denkbar knappe Mehrheit verfügt, sich kurz vor der nächsten Wahl mit den beiden größten Oppositionsfraktionen verbrüdert, um eine offensichtlich gescheiterte Politik für weitere zehn Jahre weitgehend so wie bisher fortzusetzen.
Zwischen den großen Parteien mag in Bremen jetzt ein Konsens herrschen, bei den Wählern gibt es ihn mitnichten. Wie viel besser wäre es gewesen, im Wahlkampf tatsächliche Alternativen aufzuzeigen und so einen demokratischen Wettbewerb über den besten Weg aus der Misere zu führen. Wenn die wichtigsten Themen verdrängt werden, braucht sich niemand zu wundern, dass Extremisten mit billigen Parolen durchkommen. Was für ein Trauerspiel!