Asterix wählt das Kartoffelpüree. Etwas umständlich stellt er deswegen seinen Rucksack und eine große Tüte vor den Klapptischen des Johanniter-Kältebusses ab, um die Hände frei zu haben. Seinen richtigen Namen sagt der Mann nicht. „Die kennen mich hier alle als Asterix“, meint er, grinst und bedankt sich für den Becher mit dem Fertiggericht, den ihm Karin Stelljes überreicht. „Kartoffelpüree ist der Renner. Das macht ordentlich satt“, sagt Stelljes, die seit 2019 ehrenamtlich das Team des Kältebusses leitet.
Immer freitags und sonntags ab 19 Uhr machen die Johanniter mit dem ehemaligen Krankenwagen jetzt wieder Station vor dem Hauptbahnhof. Im anstehenden Winter soll das - wie in den Vorjahren - eine zusätzliche Anlaufstation für Wohnungslose sein. Die allesamt ehrenamtlichen Helfer verteilen dann heiße Getränke, Fertigsuppen, Brötchen und Kekse sowie bei Bedarf auch warme Kleidung. Letztere stammt aus den aktuell gut gefüllten Lagern der Kleiderspende. "Nur Handschuhe und Winterjacken könnten wir noch gebrauchen", sagt Stelljes. Man wisse, dass viele auch im Winter die offiziellen Unterkünfte meiden und so lange Platte machen wie möglich. Dann hilft warme Kleidung, aber eben auch Kartoffelpüree.
Asterix macht ebenfalls Platte, das heißt, er sucht sich allabendlich einen möglichst geschützten Schlafplatz, der mehr oder weniger im Freien liegt. "Ich wurde vom Amt zu einer Unterkunft geschickt, aber da hieß es dann, ich hätte Hausverbot." Irgendeine alte Geschichte, er kann sich nicht erinnern. Im Moment ist der Hauptbahnhof sein Quartier. „Wenn man sich friedlich verhält und keinen Ärger macht, lassen einen die Sicherheitskräfte auch mal bis fünf oder sechs Uhr früh im Gebäude schlafen“, weiß er zu berichten.
„Hast Du einen Schlafsack“, fragt Stelljes. Asterix schüttelt den Kopf. „Willst Du einen?“ Asterix ist erstaunt. „Gibt es hier welche?“ „Ich würde ja nicht fragen, wenn ich keine hätte“, sagt Stelljes und beginnt, im Kältebus zu kramen. „Das ist gut“, sagt Asterix. „Ich hab mich bis jetzt immer mit Jacke und Pullover zugedeckt.“
Dass es bisweilen solche praktischen Handreichungen sind, die den Alltag von Wohnungslosen gerade im Winter ungemein verbessern, weiß auch Katharina Kähler, Bereichsleiterin der Wohnungslosenhilfe bei der Inneren Mission. „Neben den offiziellen Ansprüchen auf Sozialhilfe oder Unterbringung sind solche mehr oder weniger spontanen Einzelfallhilfen ein wichtiger Teil unserer täglichen Arbeit."
Die Innere Mission bereitet sich aktuell ebenfalls auf den nahenden Winter und die Herausforderungen vor, die eine kalte Witterung für die Wohnungslosen mit sich bringt. Noch in diesem Monat wird hinter dem Hauptbahnhof, auf dem Areal der Bürgerweide, wieder der Wärmebus sein Quartier aufschlagen. Ein außer Betrieb gestelltes Gefährt der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) wird dann von Streetworkern der Inneren Mission betreut, die dort tagsüber Getränke, eine Toilette und schlicht einen Platz zum Aufwärmen bieten. Wie in den Vorjahren will die BSAG außerdem im Winter in seinen Bussen und Bahnen tagsüber für Obdachlose wieder freie Fahrt zum Aufwärmen anbieten. „Das entscheiden wir in Abhängigkeit von der Witterung immer kurzfristig zusammen mit der Sozialsenatorin“, sagt Unternehmenssprecher Jens-Christian Meyer.
Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin, weist auf eine momentan laufende Aufstockung von Übernachtungsplätzen hin. "Das als Außenstelle für die Zentrale Erstaufnahmestelle (Zast) von Flüchtlingen bis April 2022 angemietet Hostel in der Friedrich-Rauers-Straße unmittelbar am Findorff-Tunnel wird auch Schlafplätze für Wohnungslose bereitstellen." Niemand müsse im Winter draußen übernachten. Das Haus sei – allerdings ohne Corona-Bedingungen – ursprünglich für insgesamt 400 Übernachtungsgäste konzipiert worden, für die Flüchtlinge seien jetzt 180 Plätze vorgesehen. "Bei ganz kalter Witterung werden die nächtlichen Unterkünfte zudem auch am Tag geöffnet", sagt Schneider.
Noch nicht unmittelbar in den Startlöchern steht die alljährliche Winterkirche, ein Angebot der Innenstadtkirche Unser Lieben Frauen. Die Kirche wird nach jetzigem Planungsstand ab Anfang Januar bis Ende März jeweils montags von 11 bis 15 Uhr im Chorraum der Liebfrauenkirche geöffnet sein. Ob es bereits nach den Weihnachts-Feiertagen eine Winterkirche gibt, wird laut Sabine Hatscher, Sprecherin der Bremer Evangelischen Kirche, noch geklärt und hänge auch vom Wetter ab. Fest steht aber, dass es in besonderen Kältenächten nach Absprache mit der Sozialbehörde auch wieder Übernachtungsmöglichkeiten in der Kirche geben soll. "Wir räumen dann einfach die Bänke beiseite." Im vorigen Winter habe sich gezeigt, dass dieses Angebot auch von Wohnungslosen frequentiert wurde, die Gemeinschaftsunterkünfte sonst meiden.