Die Bremer FDP fordert, leer stehende stadteigene Immobilien für Wohnungslose zu öffnen – und stößt damit auf Unverständnis. Jüngst hatte der FDP-Landesvorsitzende Thore Schäck in einer Mitteilung erklärt: "Dafür, dass sich der Bremer Senat so gerne für seine sozialen Wohltaten rühmt, ist die Zahl der Menschen ohne eigenes Dach über dem Kopf in Bremen erschreckend hoch." Die FDP richtet ihre Forderung an die rot-grün-rote Regierung vor allem mit Blick auf den nahenden Winter. Die fallenden Temperaturen seien eine Gefahr, so Schäck.
Bei den verantwortlichen Stellen in Bremen wundert man sich über den Vorstoß der FDP. "Ich weiß nicht, von welchen Immobilien Herr Schäck spricht", sagt Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. "Dass Bremen in nennenswerter Zahl Wohnimmobilien besitzt und ungenutzt lässt, wäre mir neu." Vom Verein für Innere Mission (VIM) ist auf Nachfrage Ähnliches zu hören. Die Idee sei "ein wenig befremdlich", sagt Katharina Kähler. Sie ist beim VIM zuständig für die Wohnungslosenhilfe. Dort herrsche keine große Begeisterung über den Vorschlag, der aus dem Nichts gekommen sei. Auch Kähler sagt: "Mir fehlt die Fantasie, wo wir in Bremen Gebäude haben, die dafür geeignet wären."
In der FDP-Mitteilung heißt es, Bremen habe "eine Vielzahl stadteigener Immobilien, die teilweise seit Jahrzehnten leer stehen". Auf Nachfrage unserer Zeitung nennt Schäck keine konkreten Zahlen oder Adressen. Verantwortlich für städtische Gebäude ist Immobilien Bremen (IB). Unter den verwalteten Immobilien könnte es Objekte geben, in denen eine solche Nutzung theoretisch möglich sei, teilt das Unternehmen mit. Allerdings, so IB-Sprecher Fabio Cecere, müssten für jedes einzelne Gebäude verschiedene Fragen geklärt werden. So hätten viele leer stehende Objekte Baumängel. Zudem sei nicht jedes Gebäude, das nach Wohnung aussieht, auch baurechtlich eine solche.
Schäck fordert mehr Flexibilität: "Sicherlich eignet sich grundsätzlich nicht jede Immobilie zur Unterbringung oder zum vorübergehenden Bewohnen, manche aber schon." Es gehe in erster Linie darum, hilfsbedürftigen Menschen unbürokratisch über den Winter zu helfen. Man könne dafür Vorschriften "positiv interpretieren" oder durch kurzfristige Baumaßnahmen Abhilfe schaffen. "Wir sind uns sicher: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg", so Schäck.
Es sei nicht möglich, eine leer stehende Schule oder Lagerhalle – sofern es sie denn gäbe – einfach umzunutzen, widerspricht Schneider. Er und Kähler stören sich gleichermaßen daran, dass die FDP den Eindruck erwecke, Bremen lasse Menschen auf der Straße übernachten. Zwar sei die von der FDP genannte Zahl der rund 600 Obdachlosen in Bremen korrekt, sagt Schneider. Er betont aber auch: "Das ist nicht die Zahl der Personen, die auf der Straße übernachten, sondern die Zahl derer, die wir in unseren Einrichtungen regelmäßig unterbringen."
Sozialressort weist Vorwürfe zurück
Kähler bemängelt: "Es wird unterstellt, dass es keine systematische Planung für den Winter gibt." Ihr zufolge verfügt Bremen über Notunterkünfte für Männer, Frauen und Suchtmittelkranke. Zudem würden Menschen in Hotels und Pensionen untergebracht. Auch Menschen aus dem Ausland ohne Leistungsansprüche hätten im Winter im Rahmen des Kälteschutzes ein Recht auf Unterkunft, erklärt Kähler. Für den kommenden Winter plane der VIM, ein weiteres Hostel als Unterkunft anzumieten.
"Straßensozialarbeiter suchen Obdachlose, die sich nicht von sich aus in unserem Unterbringungssystem melden, in der kalten Jahreszeit gezielt auf und weisen auf die Angebote hin", sagt Schneider. Bei diesen Angeboten handele es sich um Notunterkünfte und Zimmer in schlichten Hotels. Aktuell würden nicht mehr als zwei Personen in einem Zimmer untergebracht. Schneider reagiert damit auf Schäck, der seine Forderung unter anderem damit begründet, dass Massenunterkünfte ohne Privatsphäre für erwachsene Menschen nicht zumutbar seien.
Auch Kähler betont, dass niemand in Gruppenschlafsälen untergebracht werde. Die Angebote seien an den Bedarfen ausgerichtet und berücksichtigten die Corona-Lage. Den FDP-Vorschlag bezeichnet sie als zu kurz gedacht – schließlich reiche es nicht aus, einfach Gebäude zu öffnen. "Dafür braucht man zwingend auch Menschen, die das betreuen und begleiten", sagt Kähler. Mit Blick auf die notwendige Infrastruktur sei es sinnvoller, bestehende Angebote zu nutzen. Neben der Betreuung nennt sie den Brandschutz als Beispiel.