Die Rituale sind streng, das Essen ist wohlschmeckend und das Ambiente einzigartig: Stets am zweiten Freitag im Februar wird im Bremer Rathaus die Schaffermahlzeit zelebriert. Das Fest ist eines der ältesten, sich alljährlich wiederholenden Freundschaftsmahle der Welt. Diese Tradition symbolisiert seit 1545 die Verbindung zwischen der Seefahrt und den Kaufleuten. Die 480. Ausgabe findet in diesem Jahr am 9. Februar statt.
Blank geputztes Silber liegt auf weißem Damast, Kerzen brennen in schweren, silbernen Leuchtern, Blumenarrangements schmücken die Tische. Etwa 300 Gäste, im Frack, in festlicher Kleidung oder Kapitänsuniform, tafeln etwa fünf Stunden nach einem minutiös geplanten Ablauf. An der Schaffermahlzeit nehmen jeweils rund 100 kaufmännische und seemännische Mitglieder der Stiftung Haus Seefahrt teil. Dazu kommen etwa 100 auswärtige Gäste aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Verwaltung – die aber nur einmal in ihrem Leben an der Veranstaltung teilnehmen dürfen. Ehrengast ist dieses Mal Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Die Spenden, die an dem Tag gesammelt werden, kommen dem Zweck der Stiftung Haus Seefahrt zugute: Damit werden in Not geratene Seeleute und ihre Hinterbliebenen unterstützt und seit einigen Jahren auch Studentinnen und Studenten der Nautik gefördert. Neben den sechs Schaffern der Schifferschaft, allesamt Kapitäne, gibt es wie in jedem Jahr drei Schaffer der Kaufmannschaft, die das Freundschaftsmahl in der Oberen Rathaushalle ausrichten. Die Wahl gilt als besondere Ehre. Seit Monaten sind sie mit der Planung beschäftigt, denn am Ende muss jedes Detail stimmen. Wer die Schaffer 2024 sind und was sie sich vorgenommen haben.
1. Schaffer: Philip W. Herwig

Philip W. Herwig ist geschäftsführender Gesellschafter bei Röhlig Logistics.
Die ersten Erinnerungen an die Schaffermahlzeit sammelt Philip W. Herwig bereits im Alter von 13 Jahren. 1994 ist sein Vater Thomas W. Herwig Schaffer und für die Organisation der langen weißen Tonpfeifen zuständig, die am Ende jeder Schaffermahlzeit mit Tabak gereicht werden. „Ich habe ihm dabei geholfen und eine nach der anderen in Kartons verpackt“, sagt Herwig. Einige Jahre später gehört er zu jenen jungen Menschen, die den Seefahrtsball im Rathaus eröffnen und mit dem damaligen Ehrengast Sigmar Gabriel (SPD) diskutieren dürfen. „Heute nun selbst Schaffer zu sein, empfinde ich als große Ehre.“
Der 43-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter bei Röhlig Logistics. Das Familienunternehmen mit Sitz in der Überseestadt ist auf internationale Logistikdienstleistungen spezialisiert und besteht seit 1852. Zum Kerngeschäft zählen interkontinentale See- und Luftfracht. „Dadurch, dass die Seefahrt ein wichtiger Geschäftszweig für uns ist, finde ich es besonders schön, mit der Schaffermahlzeit eine Stiftung zu unterstützen, die sich für Seeleute einsetzt“, sagt er.
Bevor Herwig 2015 die Firma von seinem Vater übernommen hat, war er mehrere Jahre im Ausland für sie tätig. Bis 2011 gewann er in Dubai Neukunden und war für die Verkaufsorganisation verantwortlich. Im Anschluss entwickelte er von Boston aus die See- und Luftfrachtverkehre zwischen Europa und den USA, bevor er Managing-Partner wurde. Heute beschäftigt das inhabergeführte Unternehmen rund 2300 Mitarbeiter in mehr als 30 Ländern.
Als 1. Schaffer ist der dreifache Familienvater unter anderem für die Gäste zuständig. Er versendet die Einladungen, erstellt die Sitzordnung und prüft, wer von wem betreut wird. „Das dürfte kurz vor Schluss noch einmal spannend werden, falls es Änderungen gibt“, sagt er. Schließlich müssen rund 300 Gäste an der Tafel im Rathaus untergebracht werden. Zu Herwigs Aufgaben zählen zudem drei Reden - eine davon hält er auf Handel, Schifffahrt und Industrie – die Gelegenheit, eine eigene Note mit einfließen zu lassen, sagt er. Ihm sei es wichtig, dass die Teilnehmer das Potenzial Bremens kennenlernen. „Die Stadt präsentiert sich dort von ihrer besten Seite. Wenn die auswärtigen Gäste diesen Eindruck in ihre Heimat mitnehmen, haben wir unser Ziel erreicht.“
2. Schafferin: Heidi Armbruster-Domeyer

Heidi Armbruster-Domeyer ist geschäftsführende Gesellschafterin des Bremer Traditionsunternehmens Domeyer.
Eigentlich hatte Albert Diedrich Domeyer bereits die Hoffnung aufgegeben, den Familienbetrieb doch noch an die nächste Generation weitergeben zu können. Sowohl die Töchter als auch der Sohn wollten lieber einen anderen beruflichen Weg verfolgen. Das Bremer Traditionsunternehmen Domeyer besteht schon seit 1919 und rüstet unter anderem Feuerwehren aus und kümmert sich um den Brandschutz auf Luxusjachten und Kreuzfahrtschiffen. Doch dann kam plötzlich seine Schwiegertochter Heidi Armbruster-Domeyer ins Spiel.
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Die promovierte Ökonomin merkte, dass ihr das Klein-Klein im Wissenschaftsbetrieb auf Dauer nicht gefallen wird. „Als mir mein Schwiegervater 2012 ein Angebot machte, habe ich zugegriffen“, erzählt sie. Nach ihrem Einstieg wird sie 2014 Geschäftsführerin, 2016 schließlich Gesellschafterin und führt inzwischen knapp 70 Mitarbeiter am Standort in der Überseestadt. Die Sparkasse wählt sie 2019 zur Unternehmerin des Jahres.
2024 wartet auf die 50-Jährige eine weitere Herausforderung. Armbruster-Domeyer ist nach Unternehmerin Janina Marahrens-Hashagen im vergangenen Jahr erst die zweite Frau, die als kaufmännisches Mitglied von Haus Seefahrt das Freundschaftsmahl ausrichten darf. „Ich möchte mit der Teilnahme auch meinen beiden Töchtern zeigen, dass Frauen ganz selbstverständlich zu den Bremer Geschäftsleuten dazugehören“, sagt sie. Als zweite Schafferin ist sie unter anderem für die Themen Sicherheit und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und hält zwei Reden.
Ursprünglich kommt Armbruster-Domeyer aus dem Schwarzwald, lebte später unter anderem in Genf und Stockholm. Ihre ersten Berührungspunkte mit der Schaffermahlzeit hat sie, als sie 2012 mit ihrem Mann und den Töchtern nach Bremen zieht.
„Als ich dann selbst gefragt wurde, war schnell klar, dass ich das gerne machen möchte“, berichtet sie. Zu dem Zeitpunkt habe sie auch erfahren, dass der Stiefvater ihres Schwiegervaters Kapitänsschaffer war und zur See gefahren ist. „Als ich sein Wappen im Haus Seefahrt entdeckt habe, war ich sehr gerührt, weil es damit auch eine familiäre Verbindung gibt.“
3. Schaffer: Jan-Oliver Buhlmann

Jan-Oliver Buhlmann ist geschäftsführender Gesellschafter der Buhlmann Gruppe.
Privat und in der Firma Familienmensch – so würde sich Jan-Oliver Buhlmann selbst beschreiben. Er leitet seit mehr als zehn Jahren die Geschicke der Buhlmann Gruppe, ein international aktives Handelshaus für Stahlrohre, Rohrverbindungsteile und Zubehör. Der 41-Jährige lenkt die Firma mit Hauptsitz am Arberger Hafendamm in dritter Generation. Seine Großeltern haben den Betrieb 1945 aufgebaut.
In seiner Familie ist er der Erste, der nun Schaffer wird. „Ich finde den sozialen Grundgedanken der Veranstaltung sehr gut. Gleichzeitig ist es für mich persönlich eine große Ehre“, sagt er. Soziales Engagement ist dem Bremer wichtig. Das Unternehmen unterstützt seit 2022 die Stiftung Solidarität Ukraine, die Buhlmann mit ins Leben gerufen hat und in der er zum Stiftungsvorstand gehört.
Wie seine beiden Mitstreiter ist er bereits seit Monaten mit der Planung der Schaffermahlzeit beschäftigt. Als dritter Schaffer ist er unter anderem für die Organisation der Dienstleister zuständig, muss sich zum Beispiel um das Catering, die Blumen oder das Orchester kümmern. Und noch eine Aufgabe fällt in seinen Bereich: die Jugendarbeit. Buhlmann betreut jene jungen Menschen, die am 9. Februar den Seefahrtsball eröffnen und mit Ehrengast und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diskutieren dürfen. "Das bereitet mir viel Freude. Ich war auch schon in der Tanzschule und habe die Proben beobachtet", sagt er. Buhlmann hat mit seiner Frau selbst vier Kinder.
Schon als Jugendlicher habe er sich gewünscht, später in den Familienbetrieb einzusteigen, verrät er. Das hänge auch mit den Erzählungen seines Vaters zusammen. Der gehörte mit Buhlmanns Onkel zur zweiten Generation im Haus. Auf Dienstreisen sei sein Vater viel herumgekommen. Das gefällt Jan-Oliver Buhlmann. Sein Studium absolviert er teils in China. Bevor er 2009 in den Familienbetrieb einsteigt, arbeitet er einige Jahre für Lidl und den Personalberater Michael Page.
Seit 2013 ist Buhlmann Geschäftsführer, seit 2014 Gesellschafter. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen stark gewachsen. Inzwischen zählt der Betrieb weltweit rund 1800 Mitarbeiter. Für seine Leistungen wird Buhlmann 2021 zum Unternehmer des Jahres gewählt.