Mindestens jeder zweite Grundschüler in Deutschland kann nicht richtig schwimmen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Demnach besitzen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen.
„Wir erleben auch in Bremen, dass die Schüler immer weniger ans Wasser gewöhnt sind“, sagt Philipp Postulka, Sprecher des Landesverbands der DLRG. „Bei den meisten Kindern fehlen einfach die Grundlagen“. So habe nach Angaben der Behörde im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der Drittklässler zum Start des Schuljahres nicht schwimmen können. Am Ende des Schuljahres seien es immer noch 20 Prozent gewesen.
Diese Zahlen entsprechen nach Einschätzung von Postulka aber nicht der Realität. Als Schwimmer würden offiziell nämlich auch die Schüler gezählt, die während des Unterrichts nur das Seepferdchen-Abzeichen erworben haben. „Ein sicherer Schwimmer ist man aber erst mit dem Bronze-Abzeichen“, sagt Postulka.
Dabei müssen Kinder innerhalb von 15 Minuten mindestens 200 Meter schwimmen. Das sogenannte Seepferdchen reicht nach Ansicht der DLRG nicht aus, um sich sicher in Bädern und Badeseen zu bewegen. „Es dient in erster Linie nur der Wassergewöhnung“, so Postulka.
Mit Schwimmunterricht in der Schule ist es nicht getan
Seit Einführung des Schulschwimmprojektes in Bremen Anfang der 2000er-Jahre werden nach Angaben der Bremer Bäder GmbH flächendeckend alle dritten Klassen der öffentlichen Schulen von ausgebildeten Schwimmmeistern unterrichtet. Im Durchschnitt werden so in Bremens Bädern pro Woche rund 4200 Schüler unterrichtet.
Damit allein ist es aber nicht getan. DLRG und Bremer Bäder GmbH appellieren vor allem an die Familien, ihren Nachwuchs möglichst schon vor der dritten Klasse ans Wasser zu gewöhnen. Etwa durch Vorbereitungskurse oder durch Schwimmbadbesuche mit den Eltern oder Großeltern. Angebote gebe es in Bremen genug.
Zur Auswahl stehen sowohl reguläre Kurse, die das gesamte Jahr über stattfinden als auch Intensivkurse in den Schulferien. „Schwimmen hat leider nicht mehr den Stellenwert, den es früher einmal hatte“, beklagt Laura Schmitt, Sprecherin der Bremer Bäder GmbH.
Nur wenige Menschen im Norden Deutschlands können nicht schwimmen
„Einige Eltern verlassen sich darauf, dass den Kindern im Rahmen des Schulschwimmens die Fähigkeiten des Schwimmens beigebracht werden.“ Das Schulschwimmen werde aber in erster Linie angeboten, um die bereits vorhandenen Fähigkeiten der Kinder zu vertiefen.
Abgesehen von den mangelnden Schwimmfähigkeiten bei den Schulkindern gibt es aber auch eine gute Nachricht: Nur wenige Menschen im Norden Deutschlands können gar nicht schwimmen. Lediglich drei Prozent der Befragten in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg gaben in der DLRG-Umfrage an, Nichtschwimmer zu sein.
Das entspricht dem bundesweiten Schnitt. In der Mitte Deutschlands sind sechs Prozent Nichtschwimmer, im Osten vier Prozent und im Süden zwei. Die neue DLRG-Umfrage zeigt aber auch: Während in der Altersgruppe der über 60-Jährigen noch 56 Prozent in der Grundschulzeit schwimmen lernten, sind es bei den 14- bis 29-Jährigen der Befragten mit 36 Prozent nur noch gut ein Drittel.
Neun Badetote in Bremen
Bei mangelnden Schwimmkenntnissen sind die Erwachsenen ebenso gefährdet wie die Kinder. In Notlagen lassen bei Ungeübten schneller die Kräfte nach und sie geraten leichter in Panik. 2016 ertranken in Deutschland 537 Menschen – ein Höchststand der vergangenen zehn Jahre.
Im Vorjahr zählte die DLRG noch 49 Badetote weniger. Die Jahresbilanz ist für die DLRG ernüchternd. Denn das selbst gesteckte Ziel des Vereins war seit 2012, die Zahl der Badetoten mindestens zu halbieren. Im Bundesland Bremen ertranken neun Menschen, darunter vier Geflüchtete.
Im vergangenen Jahr waren bundesweit insgesamt 64 Geflüchtete unter den Ertrunkenen, im Jahr 2015 waren es noch 27 gewesen. Gespräche mit Augenzeugen und Rettern der DLRG haben ergeben, dass fast niemand von ihnen schwimmen konnte.
Kurse für Geflüchtete
Als Reaktion hat die DLRG Baderegeln mittlerweile in knapp dreißig Sprachen übersetzt und entsprechende Piktogramme anfertigen lassen. Kommunen und Badbetreiber können sie online herunterladen. In Bremen bietet die DLRG derzeit zwei Kurse für insgesamt 30 Geflüchtete an.
Dazu haben die Ehrenamtlichen des Vereins in Unterkünften Broschüren mit Baderegeln verteilt und auf Veranstaltungen über die Gefahren in Schwimmbädern und an Badeseen informiert. So hat die Bremer DLRG nach eigenen Angaben mittlerweile 1500 der 7000 Geflüchteten im kleinsten Bundesland erreicht. „Wir würden gerne noch mehr machen, aber dafür fehlen uns die ehrenamtlichen Helfer“, sagt Sprecher Postulka.