Wer sein Elektroauto in Bremen an einer frei zugänglichen Ladesäule mit Strom versorgen will, benötigt für die Suche mitunter einige Kilometer. Insgesamt 328 öffentliche Ladepunkte gibt es laut Bundesnetzagentur im Bundesland (Stand Ende Januar) – das hält die SPD angesichts der Bedeutung, die der E-Mobilität bei der Klimawende zukommen soll, für viel zu wenig. Nach ihrer öffentlichen Kritik am stockenden Ausbau der Infrastruktur und einem fehlenden Landesplan im Dezember legt die Fraktion nun ihre Vorschläge vor.
Für den Wirtschaftspolitiker Volker Stahmannn ist klar: "Wir brauchen uns beim Thema E-Mobilität nicht die Frage nach dem Ei oder nach der Henne zu stellen, also was zuerst da sein muss, Infrastruktur oder Mobilitätswende. Aus unserer Sicht ist klar, dass die öffentliche Hand bei der Ladeinfrastruktur in Vorleistung gehen muss." Und zwar zunächst, so steht es in dem am Montag beschlossenen Positionspapier, möglichst schnell – die Fraktion fordert, bis Mitte des Jahres – mit einer landesweiten Strategie.
In ihr soll abgestimmt mit verschiedenen Akteuren (von Energie-Unternehmen über öffentliche Beteiligungsgesellschaften bis zu den Beiräten) festgelegt werden, wie das öffentlich zugängliche Netz ausgebaut werden soll. Nimmt man das auf Bundesebene anvisierte Ziels von insgesamt mehr als einer Million Ladepunkten bis zum Jahr 2030 als Grundlage, müsste es in Bremen bis zu diesem Zeitpunkt 10.000 Ladepunkte geben, also rund 5000 Säulen.
E-Ladesäulen als Daseinsvorsorge
"Das ist ein großer Brocken, den wir stemmen müssen", sagt Martin Günthner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. "Aber das Thema Verkehrswende steht und fällt damit, dass es auch in der Bevölkerung ankommt." Aus Sicht der SPD wird E-Ladesäulen in den kommenden Jahren – wie aktuell noch den herkömmlichen Tankstellen – eine Funktion Daseinsvorsorge zukommen. Deshalb, so die Forderung, müssten in allen Quartieren frei zugängliche Ladestationen installiert werden: Jeweils 20 neue E- Schnellladetankstellen in Bremen und Bremerhaven noch in diesem Jahr, insgesamt bis 2030 durchschnittlich 120 Ladepunkte pro Quartier – abhängig auch von der Zahl der Pendler.
Was die Sozialdemokraten für die Umsetzung vorschlagen, ist zum Beispiel, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu verpflichten, bei neuen Projekten oder Renovierungen Infrastrukturen für Elektrofahrzeuge zu bauen. Günthner: "Wir müssen im Blick haben, dass Mobilität in zehn Jahren anders aussehen wird als heute." Wo Wohnhäuser dicht an dicht stehen und die Straßen schmal sind, könnten Bewohner laut dem Vorschlag ihre E-Autos künftig in Quartiersgaragen und Mobilitätshäusern laden. "Weiterhin sollen bis 2030 60 Prozent der Parkplätze in den öffentlichen Brepark- und Stäpark-Parkhäusern mit Ladepunkten ausgestattet werden", heißt es außerdem darin. Neue Stellflächen mit mehr als 25 Plätzen – auch des Einzelhandels – sollen ab 2023 verpflichtend mit Fotovoltaik-Anlagen überdacht werden, um die Ladeinfrastruktur abzusichern.
Beratung durch die Verbraucherzentrale
Gewerbegebiete stellen ebenfalls einen Schwerpunkt in der Strategie der SPD dar. Dort müsste 2030 die Hälfte aller E-Autos von Arbeitnehmern in der Nähe ihrer Arbeitsplätze aufgeladen werden können, findet die Fraktion. Entsprechend muss es dann aus ihrer Sicht auch eine Beteiligung in Form von eigenen Mobilitätskonzepte der Unternehmen geben, unterstützt von beschleunigten Genehmigungen und weiteren Erleichterungen wie Nachlässen bei Gebühren. Für Fragen der Unternehmen zur technischen Umsetzung oder zur Finanzierung soll bis Ende dieses Jahres eine Beratungsstruktur aufgebaut werden. Auch die Verbraucherzentrale könnte künftig über eine eigene Stelle Bürger rund um E-Mobilität beraten, schlagen die Sozialdemokraten vor. "In Niedersachsen gibt es schon eine gute Beratungsstruktur", sagt Stahmann, "da könnte sich Bremen viel abschauen."
Ein weiterer Aspekt des Katalogs sind Park-and-Ride-Flächen mit Ladesäulen, gekoppelt mit Angeboten wie der kostenlosen Straßenbahnlinie im Rahmen des Aktionsprogramms Innenstadt. Sinnvolle Orte wären laut Stahmann die Bürgerweide und die Universität mit dem Technologiepark. Nicht zuletzt müsste die Struktur der Stromtankstellen auch digitalisiert werden, fordert die SPD. Per App sollte man sich dann nicht nur verfügbare Ladepunkte in Echtzeit anzeigen lassen können, sondern nach dem Abstellen des Autos andere Mobilitätsleistungen wie Car-/Bike-/Ridesharing-Angebote, Taxen oder Tickets für Bus und Bahn buchen können.